Leadership im Dialog | Vom Teammitglied zur Chefin

Ein oft diskutiertes Thema im Bereich Führung und Leadership ist der Wechsel vom Teammitglied zur Vorgesetzten. Macht es Sinn, weil die Firma und das Team bestens bekannt sind oder sollte man es tunlichst lassen, weil es Unruhe ins sonst gut funktionierende Team bringt? Melanie Schmid arbeitet bei der Schweizerischen Post als Leiterin Live Communications und hat am 01.01.2020 genau diesen Wechsel vollzogen. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen und die Auswirkungen des Corona-Virus auf sie und ihr Team.

Melanie, seit knapp vier Monaten bist du nun eine Führungskraft. Wie hast du dich auf diese Aufgabe vorbereitet?
Das Thema Leadership beschäftigt mich schon länger und aktuell absolviere ich auch das CAS Leadership an der Berner Fachhochschule. Also habe ich viel über Leadership gelesen, beispielsweise auch ein Buch über Erwartungsmanagement und mich intensiv mit dem Thema befasst und mich vorbereitet. Ich habe aber keinen strikten Plan erstellt, den ich durchdeklinieren wollte, sondern wollte mich auch einfach in den ersten Wochen auf die Aufgabe einlassen und beobachten. Gewisse Themen und Schwerpunkte wie beispielsweise das Perma-Modell von Seligman oder das Führungsmodell von Positive Leadership interessieren mich besonders und darauf möchte ich als Führungskraft auch bauen. Ich finde es sehr spannend, auf die Stärken der einzelnen Mitarbeitenden zu bauen und diese zu entwickeln.

Hattest du genügend Zeit für die Vorbereitung?
Mir kam das CAS entgegen, das ich bereits im Oktober 2019 begonnen habe und mir war bewusst, dass ich die Inhalte dereinst anwenden will. Von der Bestätigung, dass ich die Stelle erhalte bis zum Zeitpunkt des Starts ging es aber sehr schnell und ich hatte nicht wirklich viel Vorbereitungszeit.

Nun hast du den ominösen Wechsel vom Teammitglied zur Chefin vollzogen. Wie hat dein Team darauf reagiert?
Das war kein Problem. Ich hatte nie das Gefühl, dass es irgendwie an Akzeptanz und gegenseitigem Respekt mangeln würde. Im Vorfeld habe ich mir schon viele Gedanken dazu gemacht, ob dies komisch sein könnte und ich diesen Schritt effektiv machen möchte. Ich bin froh, habe ich mich für eine Bewerbung entschieden und die Stelle schliesslich erhalten.

Also hast du dich gut in die Führungsrolle eingelebt?
Ja, absolut. Mir kam effektiv entgegen, dass ich das Team und die Arbeit die wir machen schon sehr gut kenne. Unser Team ist jung, humorvoll und hochmotiviert. Mit einem solch coolen Team habe ich wahrscheinlich noch nie gearbeitet. Und ja, klar, mein Team nimmt mich nun anders war und ich habe auch eine neue Rolle. Mir ist aber wichtig, authentisch zu bleiben und mich als Person nicht komplett zu verändern. Ausserdem ist das Team sehr offen und es kam noch kein negatives Feedback, dass es komisch wäre oder die Situation ein Problem darstellt.
Auch die Gespräche mit meiner Vorgesetzten die ich geführt habe, um sich gegenseitig kennenzulernen und auch die Erwartungen an mich abzuholen verliefen sehr gut. Das erachte ich als wichtige Basis, dass man sich kennt, versteht und darauf das nötige Vertrauen aufbauen kann.

Als neue Führungskraft ist es bereits herausfordernd, nach zweieinhalb Monaten kam aber die Corona-Situation und das Führen auf Distanz dazu. Wie bist du damit umgegangen?
Das war und ist sehr speziell. Vor allem ist unser Team mit der Durchführung und der Organisation von Events sehr stark betroffen. Bei uns ging es in erster Linie auch darum, anzuschauen, wer jetzt welche Aufgaben hat und allenfalls andere Aufgaben übernehmen kann. Für mich persönlich war es schon hin und wieder eine Herausforderung. Ich bin ein Beziehungsmensch und schätze den persönlichen, physischen Kontakt sehr. Und wir mussten uns wie alle anderen den neuen Gegebenheiten anpassen. Man konnte nicht mehr den Kopf schräghalten und am Bildschirm vorbei etwas besprechen, man ruft nun viel bewusster jemanden an, chattet kurz oder schreibt eine E-Mail. Mit meinem Team bin ich aber im stetigen Austausch, deshalb habe ich auch keine Angst, dass meine Führungsaufgaben jetzt unter dieser Situation leiden. Auch hier half mir, dass ich das Team bereits sehr gut kannte und wusste, wer wie tickt.

Das klingt alles sehr positiv. Welche Dinge hast du denn im Zuge dieser ausserordentlichen Situation angepasst?
Wir pflegten schon vorher einen regen Austausch, nun findet dieser Austausch einfach virtuell statt. Mit Teammeetings oder bilateralen Gesprächen. Als ganzes Team mit allen acht Personen sehen wir uns per Videocall einmal täglich nach dem Mittag und tauschen uns kurz aus und trinken gemeinsam das Kafi. Wenn wir nicht die ganze Zeit für geschäftliche Themen brauchen, darf auch das Private nicht zu kurz kommen. Nach Feierabend haben wir auch schon virtuelle Apéros organisiert. Vor Ostern habe ich ausserdem allen Personen in meinem Team ein Osternästli heimgeschickt mit einem Getränk, einem kleinen Zopf und einem gekochten Ei. Damit feierten wir quasi gemeinsam ein virtuelles Eiertütschen.

Welche Auswirkungen hatte das Virus sonst auf dein Team?
Wir haben in unserem Team niemanden aus einer Risikogruppe, da veränderte sich nichts. Die Post hat aber eine Corona-Jobbörse geschaffen und zwei Personen aus dem Team meldeten sich, um in der Paketzustellung und in der Paketsortierung auszuhelfen, weil dort Personalmangel herrschte. Genau diese Eigenverantwortung und Motivation möchte ich als Führungskraft fördern. Deswegen fand ich diesen Akt der Solidarität grossartig und habe es natürlich sehr gerne unterstützt.

Vielen Dank, Melanie, dass du uns von deinem Start in die Führungsposition und dem Umgang mit Führung auf Distanz berichtet hast.

(Das Interview wurde per Skype geführt und anschliessend verschriftlicht)

Melanie erwähnt während dem Gespräch Leadership-Modelle, welche sie in ihren Führungsalltag einbauen will. Diese will ich euch natürlich nicht vorenthalten:
Blog über das PERMA-Modell von Martin Seligman
Institut für Positive Leadership Schweiz

Falls ihr Fragen an Melanie oder mich habt, einfach in die Kommentarspalte schreiben und ich werde die Fragen beantworten. Danke fürs Lesen, Schauen und Mitdiskutieren.

Noch nicht genug von Leadership? Hier die Links zu meinen vergangenen Posts:
Leadership | Führen in Zeiten des Virus
Leadership | Welche Ansprüche haben die jungen Generationen?
Leadership | Jung führt alt
Leadership im Dialog | Unterstützung für junge Führungskräfte
Leadership | Erwartungen gehen mit jeder Führungsposition einher
Leadership | Kann man das lernen?

Kristian Hachen

Vollblut-Kommunikator, Satzbau-Schreiner und Leadership-Begeisterter. Sei es als Führungskraft, als Student in zahllosen Gruppenarbeiten, als Projektleiter oder in einem Sportteam: Es braucht Leader und Leadership. Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen und ich möchte mit euch meine bisherigen Erfahrungen aus beiden Perspektiven teilen und diskutieren. Bist du Millennial und angehende Führungskraft? Oder führst du bereits seit Jahren und suchst nach neuen Inputs oder einer Auffrischung? Hier bist du richtig.

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