Wenn an Heiligabend gfürchige, dunkle Männergestalten mit ihren charakteristisch hohen schwarzen Zylinder durch das Baselbieter Dorf Ziefen laufen, ist es wieder Zeit für die Nünichlingler. Wie der Namen sagt, wird an Heiligabend um neun Uhr geklingelt, und zwar werden auf einem Umzug durchs Dorf Glocken in tosendem Lärm im Takt geschwungen. Ein kurioser, gespenstiger Brauch der immer mehr Zuschauerinnen und Zuschauer anlockt.
Da der Brauch der Nünichlingler ein Winterbrauch ist, wollte ich ursprünglich noch nicht darüber berichten. Aufgrund eines Leserwunsches stelle ich euch den Brauch trotzdem schon vor.
Was sind die Nünichlingler Ziefen?
Bei den Nünichlingler handelt es sich um eine lebendige Tradition, die sich am 24. Dezember in der Baselbieter Gemeinden Ziefen abspielt. Rund 70 Männer, mit dunklen Mäntel gekleidet und einem Zylinder auf dem Kopf, laufen um 21.00 Uhr auf einer bestimmten Route durchs Dorf. Angeführt wird die Dreierkolonne vom sogenannten «Bäsemaa». Dieser trägt einen Originalzylinder, einen weissen Bart und eine lange Stange mit einem Russlappen. Während des Umzuges wird geschwiegen, dennoch ertönt ein tosender Lärm, denn die Männer tragen Glocken um den Hals, welche im Takt des Laufschrittes erklingen. Nach einem rund 45-minütigen Umzug kehrt Ruhe zurück ins Dorf und kein Glockenschlag darf mehr erklingen. Die Männer versammeln sich gemütlich im Restaurant oder gehen anschliessend an den Mitternachtsgottesdienst. Diese lebendige Tradition bringt beinahe etwas geisterhaftes und unheimliches mit sich. Dennoch, oder gerade deshalb lockt der Umzug von Jahr zu Jahr immer mehr Zuschauerinnen und Zuschauer nach Ziefen. Neben meist jungen Männern, ist die Teilnahme von Heimweh-Ziefern immer üblicher. Rund 2/3 der Teilnehmer kommen von auswärts zurück nach Ziefen, um bei den Nünichlingler mit zumachen. Frauen sind von dieser lebendigen Tradition ausgeschlossen und dürfen nicht am Umzug teilnehmen.
Die überdimensionalen Zylinder, welche bis zu sechs Meter hoch sind, haben wider erwartend keine tiefere Bedeutung. Sie sind aus dem simplen Grund entstanden, dass sich die Männer mit der Grösse der Zylinder jeweils überbieten wollten. Je grösser der Zylinder jedoch ist, desto weiter vorne in der Dreierkolonne darf man laufen.
Einen offiziellen Organisator haben die Nünichlingler in Ziefen nicht. Die Gruppe der Aktiven setzt sich von Jahr zu Jahr auch immer neu zusammen.
Was ist der Ursprung und die Herkunft dieses Brauchs?
Bei den Nünichlingler handelt es sich um einen Lärmbrauch im Winter. In ganz Europa war es verbreitet, in dunklen Dezembernächten maskiert, mit Pelzen gekleidet und mit Peitschen und Glocken lärmend durch die Strassen der Dörfer zu ziehen. Seit wann es genau die Nünichlingler in Ziefen gibt, ist jedoch nicht bekannt. Erst 1834 ist zum ersten Mal etwas schriftlich niedergeschrieben worden. Bekannt ist, dass der Brauch mit der Wintersonnenwende in Verbindung steht und eigentlich am 21. Dezember durchgeführt werden müsste. Werner Stohler beschreibt in seinem Buch über die Familiengeschichte der Familie Stohler die Herkunft der Nünichlingler wie folgt: «Der Rundgang beschreibt einen Kreis, der an einen Sonnenlauf erinnert. Dies ist nicht verwunderlich, geht doch der eigentliche Ursprung des Brauchs auf die Wintersonnenwende zurück. Das alte Jahr wird verabschiedet und das neue Jahr willkommen geheissen. Kein anderer Winterbrauch in der Schweiz liegt so nahe beim Mitwinter-Sonnenwendpunkt, dem 21. Dezember, wie die Ziefner Nünichlingler».
Bevor sich ein Umzug in Dreierkolonnen etabliert hat, sind die Nünichlingler in Ziefen in kleineren Gruppen von fünf bis sechs Männern durch die Gassen gesprungen. Die Männer haben sich unsittlich verhalten und Menschen, die aus dem Fenster geschaut haben mit Russ befleckt oder die Hauswände beschmiert. Die Tradition hat einen schlechten Ruf gehabt. Erst ab 1930 hat sich eine gesittetere Form entwickelt, als die Teilnehmer hauptsächlich Mitglieder aus dem Turnverein waren. Von da an haben sich die heute gültigen Regeln etabliert.
Obwohl wenig über den Ursprung bekannt ist, wird der Brauch jährlich gelebt und von Generation zu Generation weitergegeben. Heute ist die lebendige Tradition nicht mehr aus Ziefen wegzudenken und gehören offiziell zur Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz.
Du möchtest teilnehmen, was musst du wissen?
Wann: 24. Dezember 2020
Zeit: 21.00 Uhr, Umzugsdauer 45 Min.
Wo: Hubel in Ziefen (oberhalb des Dorfes)
Wissenswertes:
- laufe während dem Umzug nicht den Nünichlingler hinterher – es ist keine Guggenmusik
- Böse Blicke von Einheimischen sind möglich
- In Sissach, Arboldswil und Lauwil finden ähnliche Veranstaltungen statt, jedoch typischerweise ohne Publikum
Dorfchronist Franz Stohler hat einst erzählt, dass sich vermehrt auswärtige Besucher an den Strassenrand drängen würden, was Probleme schaffe für die Nünichlingler, denn es werde immer beschwerlicher die hohen Zylinder durch die Strassen zu jonglieren. Zudem sollen sich die Zuschauenden während dem Umzug, wie bei Guggenmusiken üblich, hinter den Nünichlingler einreihen, was eine Unsitte sei.
Hast du eigene Erfahrungen mit den Nünichlinglern gemacht ober bist du gar selbst einer? Erzähl mir von deinen Erlebnissen!
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Quellen:
Baselland Tourismus. Nünichlingler in Ziefen. Abgerufen am 16.05.2020 von https://www.baselland-tourismus.ch/erleben/kultur-museen/brauchtum/nuenichlingler-in-ziefen
Lebendige Traditionen. Nünichlingler. Abgerufen am 14.05.2020 von http://wwwt.lbtr.admin.ch/traditionen/00085/index.html
Stohler, W. (2013). Familien-Geschichte Stohler. Bottmingen: Verein Familienforschung Stohler.
Fünfliebertal Tourismus. Ziefen. Nünichlingler Ziefen. 20102. Abgerufen am 16.05.2020 von https://www.fuenflibertal-tourismus.ch/ziefen/nuenichlingler-ziefen-2012/
Bilder
Fünfliebertal Tourismus. Ziefen. Nünichlingler. Abgerufen am 16.05.2020 von https://www.fuenflibertal-tourismus.ch/ziefen/nuenichlingler-ziefen-2013/