Plötzlich rennt ein Busch auf mich los, aber wieso? Pfingstblittler Ettingen

Vor gut 12 Jahren ist es mir passiert. Nach einem gemütlichen Pfingst-Wochenende mit Freundinnen haben wir uns am Sonntagmorgen von Ettingen aus auf den Heimweg gemacht. Plötzlich sind wir von lebendigen Büschen gejagt worden. Im ersten Moment haben wir uns nichts dabei gedacht, bis wir merkten, dass die Büsche wirklich UNS jagten. Ohne zu wissen was passiert, sind wir reflexartig losgerannt. Zu unserem Glück waren diese Büsche nicht allzu schnell und wir konnten ins Tram flüchten, dass just in diesem Moment an der Station gehalten hatte. Wir waren verwirrt, was ist jetzt passiert? Wieso haben uns diese Büsche verfolgt? Die Antwort liest du hier, denn es waren die Pfingstblittler aus Ettingen.

Was sind die Pfingstblittler?

Bei den Pfingstblittler (Pfingsblüttler, Pfingstblittr) handelt es sich um einen Fruchtbarkeitsbrauch aus der Baselbieter Gemeinde Ettingen. Am Morgen des Pfingstsonntags werden Männer beim Dorfbrunnen mit Buchenzweigen eingekleidet, welche zuvor vom Kulturhistorischen Verein im Wald geschnitten worden sind. Mit der Hilfe der Vereinsmitglieder werden die Männer schlussendlich komplett mit Zweigen bedeckt und sehen aus wie ein lebendiger, grüner Busch. Nach dem Gottesdienst um circa 10.30 Uhr jagen drei bis fünf als Laubbäume verkleidete Männer, sogenannte Faune, auf der Hauptstrasse von Ettingen junge Frauen und werfen sie in den kalten Brunnen. Ins kalte Nass getunkt, werden die jungen Frauen laut dem Volksglauben bald schwanger. Lokalhistoriker Johan Rudolf Thüring bestätigt, dass tatsächlich Belege vorhanden sind von Frauen, die anschliessend schwanger wurden. Ob da jedoch reiner Zufall dahintersteckt oder nicht, ist wissenschaftlich nicht belegt. Zum Abschluss baden die Faune selbst im kalten Brunnen und werden anschliessend im Restaurant verwöhnt. Es handelt sich um einen geselligen Anlass, der lokale Dorfbewohner anzieht. Über die Dorfgrenzen hinaus, ist der Anlass weniger bekannt oder möglicherweise möchte man einfach nicht als Opfer im Dorfbrunnen landen.

Junge Frau wird in den Dorfbrunnen getunkt und so mit Fruchtbarkeit gesegnet.

Was ist der Ursprung und die Herkunft dieses Brauchs?

Bei diesem Frühlingsbrauch sind ursprünglich die heiratsfähigen Mädchen, welche auf dem Heimweg von der Kirche am Brunnen vorbei liefen von den Pfingstblittlern mit Wasser bespritzt worden. Dies sollte die Mädchen mit Fruchtbarkeit segnen. Im Verlaufe der Zeit hat sich die Ausführung der Segnung verändert und die Frauen werden nicht mehr nur mit Laub bespritzt, sondern vollständig in den Brunnen getaucht, um gesegnet zu werden. Dies zur Belustigung aller Beteiligten.

Seit wann genau der Brauch in Ettingen durchgeführt wird, ist nicht bekannt. 1886 ist er jedoch zum ersten Mal schriftlich verbürgt worden. Später ist der Brauch zwischen 1930 bis 1950 kurzzeitig wieder aufgetaucht. Seit 1976 wird er schliesslich jährlich vom Kulturhistorischen Verein durchgeführt und von der Dorfgemeinschaft zelebriert.

Wie viele andere Pfingstbräuche scheint auch dieser Brauch seinen Ursprung in der vorchristlichen Zeit zu haben, wo sich der Mythos des Grünen Mannes (auch Grüner Georg genannt) entwickelt hat. Dieser befruchtet zuerst die Erde und muss schliesslich rituell aus dem Leben ausscheiden. Die Pfingstblittler stellen dabei den Grünen Georg dar.

Einen Eindruck zum Brauch der Pfingstblittler

Im nachfolgenden Video siehst du, wie eine nichtsahnende junge Frau von den Pfingstblittlern in den Brunnen geworfen wird. Den vollständigen Beitrag dazu findest du unter telebasel.ch.

https://youtu.be/f8hzvIAw5cc

Du möchtest teilnehmen, was musst du wissen?

Wann:  Sonntag 23. Mai 2021 (Sonntag 31. Mai 2020 aufgrund der Coronakrise abgesagt)
Zeit: 10.30 Uhr bis 18.00 Uhr
Wo: Guggerhuus (Dorfmuseum), Hauptstrasse 53, 4107 Ettingen
Wissenswertes:

  • Der Event wird organisiert vom Kulturhistorischen Verein Ettingen
  • Es besteht die Gefahr nass zu werden, Ersatzkleidung ist daher empfohlen, Hauptzielgruppe stellen jedoch die Frauen aus dem Dorf dar

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Quellen

Museum-ettingen.ch. Kultur und Brauchtum. Pfingstblittler. Abgerufen am 01.05.2020 von http://www.museum-ettingen.ch/Kultur%20und%20Brauchtum.html

Telebasel.ch. Pfingstblüttler jagen junge Frauen. Abgerufen am 01.05.2020 von https://telebasel.ch/2017/06/04/pfingstblitter-jagen-junge-frauen/?channel=32341

Telebasel.ch. «Pfingstblitter»: Wenn Büsche Frauen jagen. Abgerufen am 02.05.2020 von https://telebasel.ch/2019/06/09/pfingstblitter-jagen-junge-frauen-2/?channel=32341

t-online.de. Leben. Familie. Pfingstbräuche. Die Pfingstblüttler als Fruchtbarkeitsritus. Abgerufen am 01.05.2020 von https://www.t-online.de/leben/familie/id_69224222/pfingstbraeuche-die-pfingstbluettler-als-fruchtbarkeitsritus.html

Quellen Bilder

Telebasel.ch. «Pfingstblitter»: Wenn Büsche Frauen jagen. Abgerufen am 02.05.2020 von https://telebasel.ch/2019/06/09/pfingstblitter-jagen-junge-frauen-2/?channel=32341

Sabrina

Hallo, ich bin Sabrina. Aktive Fasnächtlerin im Kanton Baselland und verliebt in die Schweiz. Die Berge, die Seen, die schmucken Altstädte und eben die Traditionen und Brauchtümer – für mich einfach faszinierend! Deshalb stelle ich euch in diesem Blog neben Fasnachtstraditionen noch weitere regionale Traditionen und Brauchtümer aus dem Baselbiet vor. Gemeinsam können wir die lustigen, kuriosen und faszinierenden Traditionen kennenlernen. Bist du dabei?

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