Liebe Städter*Innen
Ihr wolltet es wissen, ich hab recherchiert. Das Jedermannsrecht kennt man vor allem aus den skandinavischen Ländern wie Norwegen oder Schweden – es erlaubt einem fast überall in der Wildnis sein Zelt für ein bis zwei Nächte aufzustellen, solange man die Natur nicht schädigt und Grundeigentümer nicht stört. Deshalb wird vor allem der europäische Norden als Destination für Wildcamping-Einsteiger empfohlen.
Müssen wir aber wirklich so weit reisen, um eine Nacht in der Wildnis verbringen zu dürfen? In diesem Beitrag beantworte ich diese Frage und gebe euch einige nützliche Tipps und Links mit auf die Wanderung. Viel Spass beim Lesen und hinterlasst einen Kommentar, wenn ihr noch Fragen oder Anregungen habt!
Wusstet ihr, dass bei uns in der Schweiz auch eine Form des Jedermannsrechts gilt?
Bei uns wird es «Jedermannszutrittsrecht» genannt, ist im Zivilgesetzbuch (Art. 699) festgehalten und lautet wie folgt: «das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.» Es gibt also Ausnahmen, aber sofern kein ausdrückliches Verbot besteht, darf man jeden Wald und jede Wiese betreten. Das Waldgesetz (WaG, Art. 14) verpflichtet die Kantone entsprechend auch dazu, Wälder der Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Was sagst du nun Amerika, wer ist hier das Land der grossen Freiheit?
Was ist der Unterschied zwischen Biwakieren und Wildcampen?
Bevor ich zur Frage komme, ob man auch bei uns in der Schweiz überall sein Lager aufschlagen darf, müssen wir zuerst einige Definitionen klären:
- Wildcampen: Übernachten in einem Zelt in der freien Natur – sprich ausserhalb offizieller Campingplätze.
- Beachte dazu die Bestimmungen in diesem Beitrag.
- Biwakieren: Übernachten unter freiem Himmel, in einem Iglu oder einer Schneehöhle – also ohne Zelt.
- Beachte dazu die Bestimmungen in diesem Beitrag.
- Das Not-Biwak: Wird man aufgrund eines einer misslichen Lage zu einem spontanen Biwak gezwungen (man schafft es in der Not nicht mehr vom Berg) spricht man von einem Not-Biwak. Diese sind grundsätzlich immer erlaubt. Für ein Not-Biwak trägt man primär einen Biwaksack bei sich (=wind- & wasserdichter Sack), der minimalen Komfort bietet, während man für geplante Biwaks mehr Material wie Isomatten, Gaskocher usw. mit sich trägt.
- Not-Biwakieren ist grundsätzlich immer erlaubt.
Gibt es schweizweite Einschränkungen beim Biwakieren und Wildcampen?
Verboten ist das Übernachten in folgenden Gebieten im ganzen Land:
- Schweizerischer Nationalpark
- Eidgenössische Jagdbanngebiete (Wildschutzgebiete)
- Diverse Naturschutzgebiete
- Wildruhezonen (während der Schutzzeit)
- Orte, wo ein allgemeines Betretungsverbot herrscht
Um im Detail herauszufinden, ob eine Destination in eines der oben aufgelisteten Gebiete fällt, empfehle ich dir map.geo.admin.ch zu verwenden. Ich habe in der verlinkten Karte relativ grosszügig Einzeichnungen der geschützten Gebiete und noch einiger weiterer Tier- und Naturschutzzonen aktiviert. Das SAC stellt ebenfalls eine solche Karte zur Verfügung, hier sind allerdings nur die grundlegenden Gebiete markiert. Wer trotzdem in diesen Gebieten übernachtet, muss mit Strafanzeigen und Ordnungsbussen rechnen.
Föderalismus gilt auch hier!
Es liegt jedem Kanton frei, weitere Verbote bezüglich dem Wildcampen/Biwakieren zu erlassen. Der TCS führt eine Liste zu den kantonalen Wildcamping-Regelungen in der Schweiz. Auf der Website alternatives-wandern.ch findet man einige explizite Biwakverbote. Meist ist jedoch das Wildcampen/Biwakieren an den meisten Orten erlaubt, sofern der Grundeigentümer nichts dagegen hat / dies nicht explizit verbietet. Der SAC empfiehlt in touristischen Regionen den Kontakt mit dem Tourismusbüro aufzunehmen oder die Gemeinde zu kontaktieren.
Gibt es eine Faustregel?
Einmalige Übernachtungen…
- im Gebirge oberhalb der Waldgrenze (auf alpinen Weiden oder felsigem Gelände, denn diese Gebiete sind aus ökologischer Sicht unproblematisch)
- für Einzelpersonen (keine Gruppen)
… gelten gemäss dem SAC (Schweizer Alpenclub) als unproblematisch, sofern man sich rücksichtsvoll verhält.
Rücksichtsvolles Verhalten – was heisst das?
- Beachte die Waldbrandgefahr! Benutze nur bestehende Feuerstellen, beachte Feuerverbote oder nimm einfach einen kleinen, leichten Campingkocher mit. Hier kannst du die aktuelle Waldbrandgefahr einsehen.
- Hinterlasse deinen Übernachtungsort so, wie du ihn angetroffen hast. Nimm also all deinen Abfall (inkl. Essensreste) auch wieder mit. Verwende am besten Mehrweggeschirr, sodass du gar nicht erst viel Abfall produzierst.
- Verunreinige keine Gewässer. Musst du unbedingt etwas abwaschen, tue dies mit biologisch abbaubaren Spülmitteln an einem Ort, wo das Abwasser nicht direkt in Gewässer gelangt (mind. 50m Abstand). Wenn du “mal musst”, erledige dein Geschäft abseits von Gewässern (mind. 50m Abstand), grabe dafür ein Loch und verwende gut abbaubares Toilettenpapier (keine Feuchtücher oder Taschentücher). Vergrabe danach alles wieder.
- Mache keinen Lärm – besonders nicht in der Dämmerung, dann sind viele Wildtiere aktiv.
- Lasse dein Essen nicht offen rumliegen um keine Tiere anzulocken.
- Hunde in der Nacht und während der Dämmerung anbinden.
Wo stelle ich mein Zelt/Biwak auf?
- Berücksichtige mögliche Naturgefahren wie Steinschlag, Lawinen, Hochwasser und Gewitter. Meide insbesondere das Übernachten auf Kuppeln oder Graten, dies ist bei nächtlichen Gewittern sehr gefährlich. Steinschlag- und Lawinengebiete können ebenfalls auf map.geo.admin.ch angezeigt werden.
- Halte einen Sicherheitsabstand zu Flüssen und Bächen, diese können plötzlich anschwellen! Suche dir lieber einen Platz weiter oben.
- Meide sensible Lebensräume (z.B. obere Waldgrenze, Auengebiete, Moore, Feuchtgebiete, Sandbänke, Kiesinseln).
- Halte (viel) Abstand zu Kuhherden.
- Bei Übernachtung auf privatem Grundstück bedarf es der Einwilligung der Besitzer.
- Übernachtungen in der Nähe von Berghütten oder sonstigen Alpbetrieben immer mit den Betreibern absprechen. Allenfalls eine Entschädigung anbieten oder in der Hütte konsumieren.
Welche Ausrüstung brauche ich?
Das Ziel ist, den Rucksack trotz zusätzlicher Ausrüstung möglichst leicht zu halten. Dafür gibt es dediziertes Equipment für das Wilcampen/Biwakieren in den Bergen. Hier lohnt es sich in qualitativ hochwertiges, besonders leichtes Material zu investieren, insbesondere wenn man längere Wanderstrecken plant! Beispielsweise gibt es Ultraleichtzelte, siehe hier.
Auf bergzeit.de findest du eine Packliste für die Biwak-Nacht, welche dabei hilft nichts zu vergessen.
Ich hoffe du bist nun mit den Informationen in diesem Beitrag nun gut gerüstet für deine erste Nacht unter den Sternen – und über der Baumgrenze 😉 !
Noch nicht genug vom Wandern?
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Quellen Text
https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19070042/index.html#a699 https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19910255/index.html#a14 https://steigerlegal.ch/2012/07/10/schweiz-land-der-grossen-freiheit/ https://www.sac-cas.ch/de/umwelt/bergsport-und-umwelt/campieren-und-biwakieren/ https://www.tcs.ch/de/camping-reisen/camping-insider/ratgeber/reisevorbereitung/wild-campen-in-der-schweiz.php#anchor_0e0cec0e_Accordion-Aargau https://www.alternatives-wandern.ch/biwak/biwakverbote.htm https://www.srf.ch/sendungen/ratgeber/wild-campieren-in-der-schweiz-darauf-muessen-sie-achten
Quellen Bildmaterial
Beitragsbild: https://www.flickr.com/photos/gordon_watt/3801715614 Bild: "no trespassing": https://www.ardeaprints.com/p/172/trespassing-sign-8182886.jpg Bild "Biwak": https://mehr-berge.de/wp-content/uploads/2017/07/19830278_10155299772518280_745075028_o-e1499694855732.jpg Bild "Übernachtungsorte":https://www.sac-cas.ch/processed/fileadmin/d/e/csm_SchemaCampBiwak_d_a0ab8a26d1.jpg Bild "Wildcamping": https://www.bergfreunde.de/basislager/wp-content/uploads/2017/06/Wild-campen-Abenteuer.jpg
Hey Michèle,
ein toller und äusserst informativer Beitrag, zu welchem ich gerne zurückkehren werde!
Vielen Dank & Grüsse, Corina
Hoi Corina, freut mich, dass dir der Beitrag eine Hilfe sein kann! Viel Spass beim nächsten Ausflug in die Berge und liebe Grüsse 🙂
Auch ich bin froh darüber, einmal einen strukturierten, informativen und sehr schön geschriebenen Text übers Biwakieren lesen zu dürfen. Dabei schwelge ich mich gerne in den Erinnerungen, wie schön, aber nicht ganz einfach, es ist, in der vollgestopften Schweiz mal abseits mit nicht mehr als dem Minimum des üblichen Standards, eine Nacht oder zwei in der Natur zu verbringen. Dein Beitrag hat mich ermahnt, dies wieder öfters zu betreiben und vom üblichen Tempo für ne Weile fern zu bleiben. Beste Grüsse aus dem Campus Rotkreuz
Hallo Victor, freut mich sehr, dass dir mein Beitrag gefallen hat! Da hast du absolut recht, sollte man öfters machen! Vor allem diesen Sommer, da man nicht ins Ausland reisen sollte, bietet sich eine Nacht in den Bergen an :-)!. Ich hoffe du kommst demnächst mal wieder zum biwakieren und ich wünsche dir viel Spass dabei. Liebe Grüsse, Michèle
Toller Beitrag. Wanderwochenende im Lötschental hat mich sehr neugierig gemacht ??
Merci für den Tipp
Hallo Céline, merci für dein Feedback! Die Wanderung ist wirklich toll, das Wallis bietet ja auch generell wunderschöne Flecken an! Würde dir empfehlen, wenn möglich, unter der Woche hinzugehen, dann hats weniger Leute 🙂 Liebe Grüsse, Michèle