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Leadership | Jung führt alt

Persönlich sehe ich es als positive Entwicklung, wenn junge, kompetente Personen bereits früh in eine Führungsrolle wachsen können und dies nicht erst mit fortschreitender Seniorität erreicht werden kann. Gerade für neue Führungskräfte kann es aber herausfordernd sein, mit älteren Personen in ihrem Team umzugehen und diese angemessen zu führen. Umgekehrt verhält es sich aber gleich: Viele ältere Mitarbeitende finden es komisch, von jemand Jüngerem geführt zu werden. Seit jeher ist es so, dass wenn Menschen in Gruppen zusammenkommen, das Alter meist eine grosse Rolle spielt. Man schätzt die Personen oftmals anhand des Alters oder des scheinbaren Alters ein und passt auch sein Verhalten entsprechend an. Bereits früh lernten wir, dass es sich gehört, vor dem Alter Respekt zu haben. In gewissen Kulturen sind die Stammesältesten auch heute noch unumstritten und die Messgrösse des Alters ist eng an Hierarchie geknüpft.

Florian Kunze und Jochen Menges fanden in ihrer Studie 2016 heraus, dass junge Vorgesetzte bei älteren Mitarbeitenden häufig Ärger, Angst und weitere negative Emotionen auslösen. Diese können sich verstärken, je grösser und augenscheinlicher die Altersdifferenz hervortritt. In diesem Punkt einig sind sich auch ältere Studien von Capgemini und neuere Literatur, beispielsweise von Stegh und Ryschka. Sie nennen hier den Fachterminus der Salienz, was die Deutlichkeit bezeichnet, mit der die Altersdifferenz hervortritt.

In einigen Teams durfte ich bereits erleben, wie jüngere Führungskräfte ältere Mitarbeitende führten. Gerade Personen, die bereits ihr halbes Leben in einem Unternehmen verbracht haben, gehen nicht immer gut mit dem Fakt um, eine junge Chefin oder einen jungen Chef vor die Nase gesetzt zu bekommen. Zumal teilweise auch eigene Ambitionen unterbunden worden sind. Es kann so empfunden werden, als dass man selbst nicht mithalten konnte, um diese Position nun selber einzunehmen.

Die von mir erlebten Beispiele könnten unterschiedlicher nicht sein. Einerseits ein Fall, wo sich Jung und Alt nicht fanden und die Zusammenarbeit äusserst unproduktiv und mühsam wurde in der Folge. Auf der anderen Seite ein junger Chef, der seine Mitarbeitenden aus einer älteren Generation besser abholte und ein sehr produktives Team formen und leiten konnte. Was heisst dies nun konkret und welche Elemente können über Erfolg und Misserfolg entscheiden? Fünf verschiedene Faktoren habe ich zusammengetragen:

1. Gegenseitiger Respekt

Die wohl wichtigste Voraussetzung, um diese Führungskonstellation gut zu meistern, ist der gegenseitige Respekt. Das klingt im ersten Moment simpel, ist aber in der Umsetzung ein Husarenstück. Es ist wichtig, dass ein innerer, tatsächlicher Respekt vor dem strukturell gegebenen Erfahrungsvorsprung der Älteren Mitarbeitenden vorhanden ist. Als junge Führungskraft kann ich dies einfach zeigen, indem ich aktiv nach dem Erfahrungswissen frage und es nutze, indem ich mich von meinen älteren Kolleginnen und Kollegen beraten lasse. Andererseits erlange ich auch den Respekt meines Gegenübers indem ich beispielsweise nicht eine Haltung einnehme, dass ich bereits alles besser weiss und kann.
Respekt sollte auch grossgeschrieben werden, wenn ich beispielsweise feststelle, dass aufgrund der biografischen Vergangenheit oder einer Krankheit die Belastbarkeit meiner älteren Mitarbeitenden abnimmt.

2. Hierarchiearme Kommunikation

Die Führungsaufgabe fordert einen als junge Leaderin oder als jungen Leader im Normalfall genug. Ich kann also getrost darauf verzichten, Signale zur Rangordnung auszusenden. Gerade bei der “Befehlsausgabe” herrscht hier ein schmaler Grat. Oftmals ist man – und das nicht nur gegenüber älteren Mitarbeitenden – mit einer Bitte besser beraten als mit einem Befehl. So werden die Steuerungsimpulse ärmer an Macht- oder Hierarchieansprüchen und zeugen wiederum von Respekt.

3. Wertschätzendes Feedback

Auch im dritten Punkt spielen Respekt und Kommunikation eine grosse Rolle. Sowohl direkte Kritik wie auch Lob klingen schnell so,  als kämen sie von oben herab. Mit Botschaften aus der Ich-Perspektive, welche die persönliche Haltung beschreiben, entsprechen viel mehr der angestrebten Kommunikation auf Augenhöhe. Besonders deutlich wird es an einem Beispiel. Der Satz “Das hat mich stark beeindruckt” ist respektvoll, wobei ein “Das hast du gut gemacht” fast schon besserwisserisch klingt.
Auch Kritik kann auf diese Weise viel besser adressiert werden. Ein Beitrag zu einem Projekt sollte beispielsweise nicht einfach denunziert werden. Vielmehr hilft es beiden Parteien, den eigenen Bedarf klar zu definieren: “Für dieses Projekt brauche ich mehr…”. Mit dieser Botschaft kann dein Gegenüber mehr anfangen als mit dem Ausspruch “Das ist mir zu wenig, da muss mehr kommen”.

4. Keine Angst vor fehlendem Fachwissen

Es ist bekannt, dass niemand alles weiss. Schon gar nicht als junge Führungskraft. Damit haben ältere Mitarbeitende meistens auch gar kein Problem. Zu einem Konfliktherd kann sich aber der Umgang mit fehlendem Fachwissen entwickeln. Anstatt das eigene Nicht-Wissen zu überspielen, sollte vielmehr das Fachwissen und die Erfahrung von der älteren Mitarbeitenden einbezogen werden. Falscher Stolz ist also fehl am Platz. Viel wichtiger ist das Bewusstsein, dass man auf die älteren Mitarbeitenden angewiesen ist. Mit aktivem Einbezug und Wertschätzung sorgt man für motivierende Rahmenbedingungen und ein produktives Teamklima.

5. Klare Erwartungen und Selbstreflektion

Offene und transparente Kommunikation ist nicht nur in der Situation “Jung führt alt” ein Vorteil. Doch besonders in diesen Situationen kann es von Vorteil sein, die Merkwürdigkeit der Führungskonstellation offen anzusprechen und gemeinsam einen Weg zu entwickeln, das beste daraus zu machen. Mit Humor und Respekt kann hier eine gute Grundlage für die Verständigung geschaffen werden. Das Klären von Erwartungen hilft in dieser Phase enorm. So kann ich beispielsweise direkt fragen, was die ältere Mitarbeiterin oder der ältere Mitarbeiter von mir als Führungskraft braucht, damit er seine Arbeit gut erledigen kann. Oftmals ist dies weniger als gedacht. Diese Form der offenen Kommunikation lässt sich erweitern, indem in Gesprächen mit den Mitarbeitenden offen angesprochen wird, was man als Führungsperson in dieser oder jener Situation hätte besser machen können. Niemand ist perfekt und auch Führen will gelernt sein. Mit dieser Geste bezieht man sein älteres Gegenüber aber aktiv ein und signalisiert vor allem auch, dass man sich selbst reflektiert und bereit ist, dazuzulernen und die eigenen Führungsskills zu verbessern. Wer weiss, vielleicht machen einen gerade die Tipps von deinen erfahrereneren Mitarbeitenden zu einer erfolgreichen, jungen Führungskraft. Dann lohnt es sich auch, sich bei den Mitarbeitenden für die Ratschläge und Unterstützung zu bedanken.

Diese fünf vorgestellten Faktoren sind nicht grundlegend neu. Die Umsetzung ist aber nicht trivial und bedarf Übung – dann steht aber dem Balancieren zwischen den Generationen nichts mehr im Weg. Hat dir dieser Beitrag gefallen? Über welche Aspekte von Leadership würdest du gerne noch lesen?

Lies auch meine vorhergehenden Posts und lasse dich zum Thema Leadership inspirieren:
Leadership im Dialog | Unterstützung für junge Führungskräfte
Leadership | Erwartungen gehen mit jeder Führungsposition einher
Leadership | Kann man das lernen?

Quellen:

Stegh W. und Ryschka J. (2019): Führen von Jung und Alt

Kunze F. und Menges J. (2016) Younger Leader older Subordinates

Artikel auf Wipub.net (2018) Jung führt alt – Generationenkonflikt

Photo by Hudson Hintze on Unsplash

Kristian Hachen

Vollblut-Kommunikator, Satzbau-Schreiner und Leadership-Begeisterter. Sei es als Führungskraft, als Student in zahllosen Gruppenarbeiten, als Projektleiter oder in einem Sportteam: Es braucht Leader und Leadership. Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen und ich möchte mit euch meine bisherigen Erfahrungen aus beiden Perspektiven teilen und diskutieren. Bist du Millennial und angehende Führungskraft? Oder führst du bereits seit Jahren und suchst nach neuen Inputs oder einer Auffrischung? Hier bist du richtig.

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4 thoughts on “Leadership | Jung führt alt

  1. Sehr spannender Beitrag, den ich als junge Führungskraft mit grossem Interesse gelesen habe! Die von dir gewählten Faktoren finde ich absolut treffend. Besonders Punkt 5 zur Selbstreflektion kann im Alltag schnell einmal untergehen und sollte deshalb einen fixen Platz auf der eigenen to do-Liste einnehmen. Merci für die Reminder & Denkanstösse:-)

    Was mich weiter zum Thema interessieren würde, ist Leadership betrachtet aus der Perspektive der nächsten Generation. Wenn wir von Erwartungen sprechen; wie unterscheiden sich ihre Erwartungen an die Leadern?

    1. Danke für deinen Kommentar und das Kompliment, Madeleine! Deinen Input nehme ich gerne auf, wobei die Generation Z erst gerade dabei ist, in die Arbeitswelt einzutreten.

  2. Super Beitrag zu einem sehr relevanten Thema. Vielen Dank für den spannenden Blog und die Denkanstässe.

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