#Gamexism: Diskriminierung hat viele Gesichter, in meinem Fall der Sexismus.

Zunächst einmal: Ich bin super dankbar für die Vielzahl an positiven und ermutigenden Nachrichten, die mich erreicht haben! Um die Thematik greifbarer zu machen, werde ich heute einen kleinen Ausschnitt meiner Erfahrungen mit Euch teilen. Bevor ich jedoch von meinen Erlebnissen erzähle, möchte ich an dieser Stelle nochmal betonen, dass Diskriminierung im Netz viele Formen annehmen kann. Mich betraf in der Gaming- und Streamingwelt ausschliesslich der Sexismus, daher kann und werde ich auch nur darüber berichten.

Gamingkontext

Ohne grosse Umschweife – Ich möchte mal behaupten, dass jeder, der online und regelmässig Games gezockt hat, zumindest einmal sexistische Bemerkungen oder diskriminierende Anfeindungen gegenüber Frauen mitbekommen oder sogar am eigenen Leib erfahren hat. Ich zocke mittlerweile schon seit 12 Jahren online und habe in dieser Zeit vier „Typen von Erstkontakten“ erlebt. Mir geht es darum nachfolgend aufzuzeigen, welche möglichen Typen von Kontakten beim ersten Aufeinandertreffen online entstehen können. Die Unterscheidungen ist wichtig, da sich meine Negativerfahrungen häufig auf den dritten und vierten Typ beschränken.

Typ Nummer I: Der Fokus liegt auf dem Game.

Der Titel lässt es schon vermuten, beim ersten Typ des Erstkontaktes in einem Game passiert nicht viel. Es werden über (Sprach)chats nur die nötigsten Informationen geteilt, die ausschliesslich das Spiel betreffen. Der Ton ist meist respektvoll und das Spiel steht im Vordergrund.

Typ Nummer II: Der angeregte Austausch

Der zweite Typ des Erstkontaktes ist genau das, was ich Ingame suche und auch schon häufig gefunden habe. Es fängt mit Typ I des Erstkontaktes an, man tauscht sich während eines Spiels via (Sprach)Chats kurz über die angewendete Taktik ingame aus und stellt schnell fest, dass man sich sympathisch ist. Es entstehen angeregte und lustige Konversationen mit einem stets respektvollen Umgang. Auch wenn ich leider sagen muss, dass durch viele Menchaniken, zum Beispiel in World of Warcraft der Dungeonbrowser, diese Art von Kommunikation immer weniger entsteht, ist es doch jene, die mich am Online-Gaming am meisten reizt und auch Online- gegenüber Offline-Gaming bevorzugen lässt.

Sowohl bei Typ I, als auch bei Typ II, spielt das Geschlecht absolut keine Rolle!

Typ Nummer III: Achtung, Freiwild! Oder etwa doch nicht?

Nun kommen wir zu den weniger angenehmen Kontakten. Sobald man als Frau zu erkennen gibt, dass man auf Grund des Geschlechts ins potentielle Datingraster fallen könnte, wird losgebaggert. Natürlich gibt es da stark unterschiedliche Ausprägungen – Die Palette reicht von harmlos, ertragbar bis hin zu schamlosen, abstossenden und teils verstörenden Kommentaren aka Reaktionen. Ich kann nur für mich sprechen – ich brauche mir keine Bestätigung ingame abzuholen, daher empfinde ich das ganze Gebaggere als unangenehm und vor allem unnötig. Aber nein, ich springe nicht auf die Palme, sofern es einfach nur harmlose Sprüche sind, wobei harmlos auch für jeden anders definiert wird. Für mich ist es so lange harmlos, bis es unter die Gürtellinie geht, stark sexistisch wird oder das Gebaggere übergeht zu Beschimpfungen. Um ein Beispiele aus meiner persönlichen Erfahrungen zu nennen – ich habe eine zeitlang eine Welle an Nacktbildern erhalten. Mag für dein ein oder anderen lustig klingen, ist es aber nicht. Wenn man an Nacktbilder denkt, schiessen einem erstmal Bilder von Damen und Herren in den Kopf, die dem eigenen Bild von Ästhetik entsprechen. Die Realität sieht jedoch bedeutend anders aus – Es ist verstörend, ekelhaft und absolut nicht wünschenswert!

Typ Nummer IV: Du N****, wenn ich dich kriege bist du fällig

Nun kommen wir zum letzten und unangenehmsten Typ des Erstkontaktes. Diese starten direkt mit Anfeindungen, Diskriminierungen und Beleidigungen und können nur beendet werden, indem man sich als angefeindete Person der Situation entzieht. In meiner Zeit als Gamerin habe ich diese Art der Kommunikation zwar selten getroffen, dennoch häufiger als erwartet. Ich habe festgestellt, dass es absolut egal ist, wie man spielt, wie freundlich man ist oder auch wie wenig man auf solche Kommentare eingeht – die machen einfach immer weiter,  bis man der Situation entflieht. Dieser Typ des Erstkontaktes ist mir hochgradig unangenehm, weil er mir wirklich jeglichen Spass am Spiel verdirbt. Natürlich gibt es auch da unterschiedliche Arten von Ausprägungen. Mich tangiert es nicht, wenn jemand im Chat sich nach einer verlorenen Partie kurz  seinem Temperament hingibt und eine Schimpftirade ablässt. Kann passieren – habe ich aber nach spätestens 10 Sekunden wieder vergessen. Mir geht es um viel unangenehmere Situationen. Beispielsweise wenn ich merke, dass sich ein bestimmter Spieler Ingame voll auf mich eingeschossen hat. Die prägendste Situation hatte ich diesbezüglich vor circa zwei Jahren, genau in der Zeit, in der ich auch gestreamt habe.

Um es möglichst kurz zu halten: Ich habe damals einem grossen Streamer zugeschaut und dieser hat in World of Warcraft eine Gruppe zusammengestellt aus 15 Personen – 14 Männer und eben ich. Soweit kein Problem, 13 Männer haben sich dem Typ 1 oder 2 entsprechend verhalten, bis auf leider einer. Es fing schon bei der Begrüssung an – er nannte alle beim Namen, grüssten jeden, bis auf mich. Musste er mich dennoch ansprechen, nannte er mich einfach “Frau”. Ich hab das damals so hingenommen, weil die anderen 13 Leute echt super waren und ich es als Energieverschwendung angesehen habe, diesem Herrn zu erklären, warum die Ansprache, und vor allem der Ton, in dem er “Frau” ausgesprochen hat, absolut unpassend ist. Ich wollt e einfach nur in Ruhe zocken. Während des ersten Games hat besagter Herr jedoch angefangen, neben der unpassenden Ansprache, mir Befehle zu erteilen. Egal was ich tat, ob ich seine Befehle befolgte oder mich aufs das Game fokussierte – es war schlecht. Zu der unpassenden Ansprache, dem ruppigen Ton und den Befehligungen gesellten sich schnell auch einige Beleidigungen, die mit der Zeit immer mehr wurden und schockierende Ausmasse annahmen. Ich weiss nicht was ich rückblickend schlimmer finde, die Tatsache, dass sich ein Mann so krass daneben benehmen kann oder die Tatsache, dass 13 andere Personen das einfach zugelassen haben. Naja, es kam wie es kommen musste – Ich hatte die Nase voll. Nach circa Zehn Minuten, in denen ich alle Formen der Erniedrigungen ertragen habe, kam der Punkt, an dem ich mich entschied die Stimme zu erheben. Ich bat die Person nachdrücklich, aber freundlich, nun auf einen gesitteteren Ton überzugehen, da ich ansonsten das Spiel verlassen und jeder Beteiligte Punkte der Partie verlieren würden. Es dauerte circa drei Sekunden, die ich schon fast als Segen empfunden habe, denn endlich hatte der Kerl mal aufgehört zu reden – bis ich auf einmal nur noch Gebrüll hörte.  “Du dumme N****, ich schlag dir die Fresse ein, bis dir alle Zähne rausfallen und du verreckst!”. “Ich hab schon so viele Frauen die Fresse eingeschlagen, du bist nicht die erste und nicht die letzte.” “Ich finde raus wo du wohnst, dann bist du fällig”. Und so weiter. Ich bin normalerweise eigentlich niemand, der grossartig auf den Mund gefallen ist und sich irgendwas gefallen lässt. Ich habe bereits von anderen Gamerinnen solche krassen Anfeindungen gehört, habe mir dann auch immer gedacht: “Wenn der das zu mir gesagt hätte, dem hätte ich es gezeigt! So spricht keiner mit mir!”. Tja, in dem Moment war ich einfach so schockiert, dass ich einfach den Chat verlassen und meinen Pc runtergefahren habe – ich habe vermutlich genau das gemacht, was der Herr wollte. Ich bin gegangen – gedemütigt und zutiefst schockiert. Mir war es so peinlich, dass einige meiner Follower auf Twitch, die den Live-Stream geschaut haben,  mitbekommen haben könnten, wie  massiv der Kerl mich gedemütigt hat, sodass ich erstmal für ein paar Stunden offline geblieben bin. Aber genau das macht diesen Typus von Erstkontakt aus – er ist erschütternd, verstörend und ich habe bis heute absolut keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Ich habe gelernt, dass Feuer mit Feuer zu bekämpfen absolut sinnlos und energieverschwendend ist – daher kommt für mich nicht in Frage, auf Hasstiraden ebenfalls mit hate zu reagieren. Also bleibt mir nur die Flucht und genau dann passiert es, dass ich etwas von der Online-Welt mit in die Realität nehme und es anfängt mich zu verletzen. Genau dann fühle ich mich so wie auf dem Titelbild, ich bin wütend, verzweifelt und vor allem traurig, dass es mich tangiert.

“Mimimi, nimm doch nicht alles so persönlich, der Ton unter Gamern ist einfach rau, das weiss man doch.” “Leg dir ein dickeres Fell zu, ist ja unerträglich das Gejammer.”

So in der Art sahen einige Kommentare aus zu meinem ersten Blogpost. Gewisse Personen waren der Meinung, dass es ja mein Problem sei, wenn mich Anfeindungen online tangieren und ich es mit in die Realität nähme. Aber warum ist es eigentlich mein Problem? Warum muss ich, die sich korrekt benimmt, den Preis für unangemessenes Verhalten im Netz bezahlen? Warum nicht das Problem an den Wurzeln packen und einfach mal darüber sprechen, was einen so fertig macht und Sensibilität schaffen? Ich bin der Meinung, dass wir jedes Mal, wenn wir andere Leute öffentlich anprangern, diskriminieren oder nur zur eigenen Belustigung beleidigen, ein Stück unserer Menschlichkeit verloren geht. Und genau darum schreibe ich diesen Blog.

“Wenn am Ende nur die übrig bleiben, die brüllen, beleidigen und drohen, verlieren wir alle.” (1)

 

Quellen:

(1) https://broadly.vice.com/de/article/zmbgza/zwischen-panikattacken-und-weglachen-wie-frauen-mit-hass-im-netz-umgehen

Chenelle

Hallo Zusammen! Ich bin Aileen aka Chenelle, 24 Jahre alt und leidenschaftliche Gamerin und Streamerin. Meine Passion wird manchmal aber auch zur Geduldsprobe, wenn ich auf Grund meines Geschlechts diskriminiert werde. Ich möchte daher den Blog nutzen, um auf den Sexismus der Gamingszene aufmerksam zu machen.

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6 thoughts on “#Gamexism: Diskriminierung hat viele Gesichter, in meinem Fall der Sexismus.

  1. Super Beitrag und finde es gut wie du diese Tabu-Themen ansprichst! Ich bin zwar keine Gamerin, aber was in der Gamer-Welt passiert, kann man auch in den sozialen Medien mitverfolgen und ich finde es gut, dass eine Frau das Wort ergreift und sich dafür einsetzt! Weiter so!

  2. Unfassbar, was du alles erleben musstest/musst. Ich finde es stark, dass du den Mut gefunden hast, deine Geschichte mit uns zu teilen. Du gibst vielen Gamerinnen oder auch anderen Frauen, die online diskriminiert werden, eine Stimme. Lass dich dabei nicht aufhalten!

  3. Ich kann dich in der Meinung nur unterstützen und hoffe sehr, dass die Botschaft zumindest bei einigen ankommt und zum denken anregt. Es ist wirklich erschreckend wie sehr das Thema verharmlost wird und ich bin mir sicher, dass nicht nur Frauen betroffen sind, sondern auch einige Männer.

    1. Liebe Kim,

      vielen lieben Dank für die netten Worte! Bin da absolut deiner Meinung, auch ein Thema, das ich in künftigen Blogeinträgen einbauen möchte! Super Input, Dankeschön <3

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