Im Vorfeld des NFL Drafts findet jedes Jahr der sogenannte NFL Combine statt. Zu dieser einwöchigen Veranstaltung im März werden alle Draft-Teilnehmer eingeladen, um den NFL-Teams ihre athletischen aber auch mentalen Fähigkeiten zu präsentieren. Der NFL Combine ermöglicht den Scouts nebst den Spielen eine standardisierte Bewertung der Talente.
Das Abschneiden beim NFL-Combine hat einen erheblichen Einfluss auf den Wert, das Gehalt sowie schlussendlich auch die Karriere der jungen Spieler. Überlegenheit in messbaren Attributen wie beispielsweise Grösse, Kraft oder Geschwindigkeit kann den Wert eines Spielers massiv verstärken, auch wenn seine College-Karriere nicht überragend war. Dies gilt natürlich auch im umgekehrten Sinn: Erfolgreiche College-Spieler verlieren an Wert, wenn die Leistung im NFL-Combine nicht genügt.
Die Tests umfassen unter anderem:
40-yard dash: Hierbei sprinten die Athleten 40 yards (ca. 35.8m) aus dem Stand. Die Zeiten sind insbesondere für die Positionen Wide Receiver und Cornerback relevant, jedoch profitieren eigentlich alle Positionen von Schnelligkeit. Der Rekord wurde 2017 von John Ross mit einer Zeit von 4.22 aufgestellt.
Benchpress: Dabei handelt es sich um klassisches Bankdrücken, wie man es aus dem Fitnessraum kennt. Das dabei verwendete Gewicht liegt bei 225 lbs (ca. 102.5 kg). Insbesondere für die Offensive und Defensive Linemen ist diese Messung der puren Kraft relevant. Der Rekord stammt aus dem Jahr 2011. Stolze 49 Wiederholungen schaffte Stephen Paea.
Vertical jump: Diese Übung stammt aus dem Basketball. Ohne Anlauf, aus dem Stand sollen die Spieler so hoch als möglich springen und mit einem ausgestreckten Arm das Messband berühren. Diese Explosivität aus den Beinen hilt wiederum insbesondere den Wide Receivern und den Cornerbacks. Chris Conley (2015) und Donald Washington (2009) halten dabei den Rekord der 45 inches Markierung, was umgerechnet 1.14m entspricht.
Broad jump: Den klassischen Stand-Weitsprung kennt man auch aus dem Sportunterricht. Die 12ft 13inches (knapp 4m) von Byron Jones aus dem Jahr 2015 markiert hier den Rekord.
3 cone drill: Hierbei werden 3 Pylonen in einer L-Form aufgestellt und der Athlet macht kurze schnelle Sprints zwischen den einzelnen Pylonen. Insbesondere Antritt und schnelle Richtungswechsel werden so gemessen. Der Wide Receiver Jeff Maehl hält hier den Rekord mit 6.42s.
Shuttle run: Wie beim 3 cone drill werden Beschleunigung und Antritt getestet. Der Athlet startet auf einer Linie, sprintet 5 yards in eine Richtung, dann 10 yards in die entgegengesetzte Richtung und schliesslich wieder 5 yards in die ursprüngliche Richtung, somit eine Gesamtstrecke von 20 yards. Diese Übung gibt es auch in einer 60 yard Variante, welche die Ausdauer zusätzlich berücksichtigt. Der Rekord im 20 yard shuttle run halten Brandin Cooks (2014) und Jason Allen (2006) mit 3.81s.
Weitere Übungen umfassen positionsspezifische Übungen, Interviews, Fitness- und Blutwerte sowie einen Drogentest.
Die Tücken des NFL Combines
Auch wenn die Messung von athletischen Werten und der Vergleich dieser innerhalb der Positionen und des Jahrgangs natürlich eine gewisse Aussagekraft hat, so verleiten die Zahlen dazu, und nicht metrisch messbare Variablen (bspw. die Spielweise oder -intelligenz) zu vernachlässigen. Die besten Spieler der NFL haben nicht zwangsläufig im Combine brilliert und gute Resultate im NFL Combine garantieren keine erfolgreiche Karriere in der NFL. Bestes Beispiel hierfür ist Tom Brady. Von vielen wird er als der beste Footballspieler aller Zeiten bezeichnet. Diese Karriere hat jedoch im Jahre 2000 kaum ein Scout vorausgesehen. Brady war erfolgreich im College, sein NFL Combine kann jedoch getrost aus Katastrophe bezeichnet werden. Seine Werte beschreiben ihn als womöglich schlechtesten Quarterback, der je an einem NFL Combine teilgenommen hat. Doch wie kann es sein, dass sich dieser miese Athlet in den womöglich besten Spieler aller Zeiten entwickelt hat? Was die Zahlen des NFL Combines nicht miteinbeziehen, sind Dinge wie Spielintelligenz, Antizipation, das Lesen von Verteidigungen oder das Ausweichen von Druck.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der NFL Combine ein besser vergleichbares Bild der zu draftenden Athleten ermöglicht. Geschwindigkeit, Kraft und eine körperliche Überlegenheit sind zweifelsfrei gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere in der NFL. Sich aber zu sehr von diesen Zahlen blenden zu lassen, könnte den NFL-Scouts jedoch den Blick auf weitere vielversprechende Talente verdecken. Unter Umständen wurde so manche Karriere von sehr talentierten Spielern durch den NFL Combine gestoppt, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat.
In meinem nächsten Post werde ich euch einen persönlichen Mock-Draft vorstellen. Ein Mock-Draft ist die Zuordnung der zu draftenden Athleten auf die NFL-Teams in der richtigen Reihenfolge, wenn ich die Auswahl treffen dürfte.
7 days until NFL Draft 2022
Ich kenne mich noch nicht all zu gut mit der NFL aus und habe mich gefragt was eigentlich mit Spielern passiert die nicht gedraftet werden?
Auf jeden Fall sehr spannende und aufschlussreiche Beiträge. Weiter so!
Lieber Raffael
Zuerst vielen Dank für das nette Feedback, hat mich wirklich sehr gefreut!
Zu deiner Frage: Diese werden sogenannte “Undrafted Free Agents”. Vielen Dank für den Input, ich werde diesen meinen nächsten Blogpost widmen!
LG Yves