Im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche Luzern, besuchte ich auf einem Rundgang durch den Stadtkern von Luzern die Migros Schweizerhof, Ässbar und Madame Frigo. Begleite mich auf der Food Waste City Tour durch Luzern.
Über 1/3 der Lebensmittel weltweit gehen von der Ernte bis zum Teller verloren. Diese werden zum Beispiel bereits auf dem Feld wegen ihrer «nicht verkaufbaren» Form aussortiert, laufen vor dem Verzerr ab oder werden als Essensreste weggeworfen. Solche Lebensmittel nennt man Food Waste. In der Schweiz verursachen Haushälter allein etwa 28% aller Lebensmittelabfälle. Warum? Weil wir es uns leisten können. Im Vergleich zu ärmeren Ländern ist der Anteil des Haushaltseinkommens für Lebensmittelausgaben viel kleiner. Somit ist es doch halb so schlimm, wenn der Jogurt im Kühlschrank verdirbt. Denn man kann sich einen neuen leisten.
Migros
Food Waste kann man aber vermeiden. Und das fängt bereits beim Grosshändler wie der Migros an. So erzählt uns Sandro, Filialleiter der Migros Schweizerhof, das sie Waren, die sie nicht mehr verkaufen dürfen, am Ende vom Tag an wohltätige Organisationen wie die Stiftung Schweizer Tafel spenden. Auch arbeiten sie mit der App “To Good To Go” zusammen, um frische Waren wie Früchte und Gemüse, die sonst weggeworfen werden müssten, zu einem reduzierten Preis anzubieten. Die Migros besitzt auch mehrere Outlet-Stellen, in denen beispielsweise übrig gebliebenes Brot am nächsten Tag günstiger verkauft wird. Auch steht am Eingang zum Lager, Richtung Personalausgang, ein Kühlschrank und Brotregal mit Waren, die Mitarbeitende am Feierabend mitnehmen können. Andere übrig gebliebene Lebensmittel werden auch zu Biogas verarbeitet. Schlussendlich wirft Migros Schweizerhof etwa 2% der Lebensmittel weg.
Zur Reduzierung von Food Waste schaut der Filialleiter ausserdem darauf, die richtigen Mengen an Produkten zu bestellen bzw. zu produzieren, vor allem bei frischen Waren wie beispielsweise Brot. Die Schwierigkeit dabei ist, als konkurrenzfähiges und gewinnorientiertes Unternehmen die Wünsche der Kund*innen mit einer Vielfalt an frischen Produkten bis kurz vor Ladenschluss zu erfüllen und dabei gleichzeitig nachhaltig zu sein. Einerseits haben sie manchmal nach Ladenschluss noch 50 Zöpfe übrig, andererseits beschweren sich Kund*innen, dass sie kein Brot mehr fanden und daher nächstes Mal lieber bei Coop einkaufen gehen. Diese Zweischneidigkeit gilt auch für saisonale Angebote. So möchten einige Kund*innen bereits jetzt im kalten März Erdbeeren kaufen – allein am Montag hat die Migros Schweizerhof über 200 Packungen Erdbeeren verkauft, die vom Ausland importiert werden müssen, während anderen Kund*innen sich über den Verkauf von Erdbeeren ausserhalb der Saison beschweren. So divergieren sogar die Wünsche der Kund*innen. Ob man das Angebot dann nicht eingrenzen soll und Erdbeeren ausserhalb der Saison einfach nicht anbieten sollte, ist aber eine politische sowie strategische Frage, die über die Filialleitung hinausgeht und grundsätzlich zu überdenken wäre.
Wie stehst du dazu? Sollte man importierte Erdbeeren ganz aus dem Sortiment nehmen? Schreib es mir in die Kommentare.
Ässbar
Weiter ging es zur Ässbar, die mit einem schweizweit einzigartigen Pionierkonzept überzeugen. So arbeiten sie mit mehreren Bäckereien und Gastronomie-Unternehmen wie Bachmann, Heini und dem KKL Luzern zusammen, um Brot und Backwaren von gestern, die für den Verzerr noch absolut einwandfrei sind, zu einem günstigeren Preis doch noch zu verkaufen. Das Projekt startete zuerst in Zürich. Mittlerweile gibt es aber in allen grösseren Schweizer Städten einen Laden. Seit 4 Jahren gibt es nun auch in Luzern einen Standort an der St. Leodegarstrasse bei der Hofkirche. Der Laden ist dabei nicht gewinnorientiert: Ein fixer Betrag an Tagesumsatz sollte aber erreicht werden und deckt die Ausgaben wie z. B. Lohn und die Miete ab. Geliefert werden die Waren täglich in 3 Runden: Um 7 Uhr morgens, dann gegen 9 Uhr und schlussendlich kurz vor dem Mittag erhalten sie die grösste Lieferung. Dabei wird die Kühlkette mit den drei riesigen Kühlschränken nie unterbrochen. Die erhaltenen Produkte nehmen sie alle an und verändern sie für den Verkauf nicht. Falls dann einige Backwaren am Ende vom Tag übrigbleiben, so werden auch diese zu Biogas verarbeitet, im Restaurant Neustadt zu Paniermehl gemacht oder auch an Madame Frigo übergeben.
Madame Frigo
Und damit sind wir auch bei Madame Frigo angekommen. An verschiedenen Standorten in Luzern stehen öffentliche Kühlschränke, die jede*r benutzen kann. Unsere Gruppe stand vor dem Madame Frigo Kühlschrank bei der Busstation am Löwenplatz neben dem Bourbaki. Sie funktionieren wie eine Tauschplattform, in der man jederzeit geniessbare Lebensmittel, die nicht mehr konsumiert werden, ins Kühlfach legen kann. Wiederum kann man andere Produkte mit nach Hause nehmen, die man braucht. Ein erfolgreiches Anti Food Waste Konzept bei der wir auf der individuellen Ebene etwas tun können. Nicht erlaubt sind offene Produkte, Fleisch und Alkohol. Die Kühlschränke werden regelmässig kontrolliert und unterhalten von freiwilligen Helfer*innen. Das Grundprinzip von Madame Frigo ist es, generelle Food Waste zu verhindern. Vor 7 Jahren wurde der erste Kühlschrank in Bern platziert. Wie die Ässbar haben aber auch sie in die ganze Schweiz expandieren können. In Luzern steht neben dem Löwenplatz auch noch ein Kühlschrank bei der HSLU Soziale Arbeit, in Tribschen, am Helvetiaplatz und beim Sentigarten. Weitere Standorte, wie beispielsweise in Kriens und Emmen findest du auf madamefrigo.ch.
Dieser abendliche Spaziergang durch die beleuchtete Stadt war sehr spannend und lehrreich. Für den letzten Standort, dem Quai4, gab es leider nicht mehr genügend Zeit. Aber keine Sorge, mein nächster Post widme ich ganz und gar dem Quai 4. Bleib also gespannt!
Und nicht vergessen: Die Nachhaltigkeitswoche Luzern läuft noch bis Ende Woche mit zahlreiche spannende Veranstaltungen. Weiter Infos findest du auf venalu.ch.
Kennst und nutzt du diese Angebote? Lass es mich in den Kommentaren wissen!
Weitere Beiträge zu Nachhaltigkeit in Luzern:
- Der Luzerner Wochenmarkt | Frisch, regional und nachhaltig
- Nachhaltigkeit und soziales Engagement der Firma Wärchbrogg | Interview mit Stefan Huber
- Marktladen Wärchbrogg | Luzerner Abfüllstation für den bewussten Einkauf
- «Too Good to Go» in Luzern | Tipps gegen Food-Waste mit der App
- Online-Brunnen-Guide | Lösche auf ökologische und nachhaltige Weise deinen Durst
- Restaurant-Guide | 5 nachhaltige Restaurants in Luzern
Bin gerade nach Luzern gezogen, sehr hilfreiche Infos! Merci beaucoup!
Danke dir lieber Tommyboy 🙂
Vielen Dank für den spannenden Artikel! Eine schöne Abwechslung zu den klassischen Touri-Beiträgen über Luzern. Werde deinen Blog gerne weiterverfolgen 🙂
Lieber Manuel, vielen Dank! Ja, die Tour war wirklich eine ganz andere Art mit einem Fokus auf die Nachhaltigkeit um Luzern besser kennen zu lernen 🙂
Sehr interessanter Beitrag!
Ich werde demnächst bei Madame Frigo vorbeigehen.
¨Liebe Jeannine. Das freut mich sehr, vielleicht kreuzen sich unsere Wege mal bei Madame Frigo 😉
Toller Beitrag Nicky!
Bin gespannt was Luzern bezüglich Nachhaltigkeit noch so zu bieten hat und werde dich auf jeden Fall weiterverfolgen 🙂
Liebe Angelina
Merci vielmal 🙂 Ein neuer Beitrag mit 5 nachhaltige Restaurant-Tipps habe ich soeben veröffentlicht. Falls du nachlesen möchtest, der Link findest du am Ende dieses Beitrags (auf das Bild). Viel Spass und en Guete.
Sehr cooler Post und wichtiges Thema! Ich kannte bisher vor allem das Angebot von Madame Frigo. Die Ässbar werde ich mir nun sicherlich mal anschauen