Wer nicht weiss, was Heimat ist – eine Herzensangelegenheit

08:28, gerade noch rechtzeitig um pünktlich auf den «Furen», einem Dorfteil in Törbel, einzutreffen, ehe die Kirchenglocken am ersten Samstag des Monats November halb neun schlagen. Ein mir seit zwei Jahren am Herzen liegendes Datum, wie es schon meinem Vater eines war. Wer zu spät kommt, zahlt pro Minute symbolisch 1 Franken Strafe. Die Kirchenglocken ertönen. Es ist der Zeit- und Treffpunkt der «Fleischsuppenbruderschaft».

«Güätuntag mitänand» und willkommen zu meinem zehnten und vorerst letzten Beitrag aus der Blogserie Handwerk mit Charakter

Wie im letzten Beitrag erwähnt, handelt dieser abschliessende Teil meiner Blogserie nicht mehr explizit vom Unternehmen Karlen Swiss. Er handelt von Törbel, seiner Natur, Traditionen und den Menschen hier oben. Er handelt von einer Herzensangelegenheit.

«Etwas, was für jemanden ganz persönlich von großer Wichtigkeit ist, was jemandem besonders am Herzen liegt» – dies ist die Definition einer Herzensangelegenheit laut Google und so habe ich den Titel für meinen letzten Beitrag auch ganz bewusst gewählt.

Törbel, unsere Heimat, mit all seinen Vor- und Nachteilen, ist für mich ganz persönlich von großer Wichtigkeit, es liegt mir besonders am Herzen. Ein kleines Bergdorf auf einer sonnigen Terrasse im Vispertal mit all seinen auf den ersten Blick rauen, jedoch charmanten Facetten – hier oben wo Familie, Freunde, ja gar die Nachbarn deine Neuigkeiten wissen, ehe sie gesprochen sind, aber gleichzeitig auch zur Hilfe stehen, bevor darum gebeten wird. Wie gesagt, ein kleines Bergdorf, wie so manches im Oberwallis und dennoch grundverschieden, mit all seinen Vor- und Nachteilen. Unkompliziert und einfach und doch verstehen es nur die, die wissen, wovon ich spreche, denen es eine Herzensangelegenheit ist.

Fleischsuppenbruderschaft

Ebenfalls eine Herzensangelegenheit ist die in der Einführung erwähnte Tradition. Jeweils am ersten Samstag im November treffen sich die 12 Kollegen (oder am besagten Tag sind es Brüder) zur Fleischsuppenbruderschaft. Im Vordergrund dieser im Jahre 1991 gegründeten Bruderschaft stehen in erster Linie die Kameradschaft und das «Bolschen» (eine Art Jass). 2018 durfte ich hier in grosse Fussstapfen treten. Als jüngstes Mitglied trennen mich 34 Jahre vom Ältesten, doch hier oben spielt das keine Rolle. Kameradschaft geht über Generationen hinweg. Ein ausschlaggebender Punkt, welcher diese Tradition schlussendlich auch so einzigartig macht.

Dies ist generell eine grosse Eigenschaft der «Terbjini» – ob Alt oder Jung, hier wird zusammen «ghengärtut» und «diskutiärt», «gschgattot» und «gschtrittu», «glachet» und «gibrillot», «gjassut», «üfgizogu» und «gabusitzut» und vieles mehr. Das zeigt sich auch jährlich an Fronleichnam, einer weiteren Herzensangelegenheit meinerseits, wie ihr vermutlich in meinem früheren Artikel «Von der Heimat geprägt» schon bemerkt habt. An diesem Tag, bei Einbruch der Dunkelheit, zeigt sich dann zudem die eine oder andere weitere Eigenschaft so manches «Terbji’s», ganz gemäss dem Liedtext von T. Juon «Terbjini heind herti Grinda, abär sind ehrlichi Liit».

Fronleichnam

Eine weitere, mir besonders am Herzen liegende Sache, ist die ursprünglich schöne Landschaft um das kleine Bergdorf – entlang den steil abfallenden Felswänden, vorbei an den drei Weilern, dem alten Dorfkern und auflebender Peripherie auf sonniger Höhe, durch dichte Lärchenwälder bis auf die Moosalp, unter dem «Mällich» durch «z’Telli» und hoch bis zum Augstbordhorn. Spätestens nach einer Wanderung vom Dorf auf die Moosalp, einem feinen Raclette in der Abendsonne und Geräusch der sich nähernden Eringerkühe, kann mir die Mehrheit in diesem Punkt zustimmen.

Sonnenaufgang im Telli

«Was macht denn schlussendlich die starke Verbundenheit der “Terbjini” zu ihrem Dorf aus? » – habe ich mich beim Schreiben dieses Artikels gefragt. Für mich persönlich ist es ein Mix der verschiedenen Charaktereigenschaften, den Traditionen und der Kultur. Es ist das Aufwachsen im Dorf, das Miteinander und Füreinander, die Vereine und die uns umgebende Landschaft, welche die Verbundenheit der Einheimischen zum Dorf so stark prägt. Es ist nicht Patriotismus oder ähnliches, es ist eine Herzensangelegenheit, «äs Gschank vane Ahnu». Und dies bringt schlussendlich die wohl grösste Stärke der «Terbjini» hervor – ihren Zusammenhalt. In der Familie, unter Freunden, in den Vereinen und bei den gemeinsamen Leidenschaften – nicht immer derselben Meinung, aber am Ende des Tages wird zusammengehalten.

Moosalp Highlands

So sind es zu guter Letzt die Menschen, welche Törbel zu einer Herzensangelegenheit machen. Die «Terbjini», welche das Dorf am Leben erhalten – «Wiär träge z’Erbteili witär, läbe di Dorftradizjo» – und zu dem machen, was es ist. Und gleichzeitig ist es das Dorf, mit all seinen Facetten, welches die «Terbjini» seit Generationen von klein auf prägt – der erste Eindruck womöglich rau und kantig, aber von Grund auf ehrlich und gutherzig, mit dem Herzen am richtigen Fleck.

Dieser letzte Beitrag rundet meine Blogserie optimal ab. Denn in gewisser Weise ist auch Karlen Swiss für Yvonne und Hans-Jörg eine Herzensangelegenheit.

Jetzt ist es Ende Juni und «Wenn där Schattu vam Mällich langsam där d’Mättjini chunnd, z’Hew ischt fär hitu im Schirli, äs rickt gägs d’Firabundschtund, de bschowscht di Bärga und z’Telli, schtizoscht dis Guttärli a, länescht di zrug und weischt: niäne chamus so schön wiä hiä ha!»

©️Thomas Juon

Vielen Dank fürs Lesen, die Unterstützung und positive Feedback über die letzten Monate. Es hat mir «än hüära Freid» bereitet, euch das Unternehmen und unser Dorf (aus meiner Sicht) näher zu bringen.

Als gebürtiger und ansässiger Törbjier ist dieser letzte Artikel, wie wohl auch die vorderen, wiederum aus einer subjektiven, persönlichen Sicht geschrieben. Die Liedtexte in Anführungszeichen stammen jeweils aus dem Lied «Als Terbji giboru» von meinem guten alten Freund T. Juon.

Falls ihr meine früheren Beiträge verpasst habt, könnt ihr diese über mein Profil nachlesen.
Bei Fragen meldet euch jederzeit bei mir via Mail, Kommentar oder besucht unsere Homepage und Facebook-Seite.

Merci värgältesgott und bis eineschti hiä obuna bid isch z’Terbil
Grüäss, Dominic

djuon

Aufgewachsen im kleinen Walliser Bergdorf Törbel, hoch über dem Vispertal an einem sonnigen Südhang, wo viel Wert auf Traditionen, Authentizität und Kultur gelegt wird - im selben Dorf hat das Familienunternehmen KARLEN SWISS seinen Ursprung. Ich heisse Dominic und werde euch in meiner Blogserie "Handwerk mit Charakter" das Unternehmen meiner Tante und Onkel näher bringen - von der Sattlerei zur Trendschmiede.

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