Es sind Zeiten wie diese, die uns zurück auf den Boden der Tatsachen bringen. Zeiten wie diese, die dem kleinen «Konsum», der urchigen «Dorfbeiz», der einheimischen Schreinerei oder dem lokalen Schuhmacher die verdiente Wertschätzung zutage bringen. Zeiten wie diese, die das Regionale stärker ins Licht rücken und Unbewusstes plötzlich bewusst wird.
«Güätuntag mitänand» und willkommen zum vierten Beitrag aus der Blogserie Handwerk mit Charakter
In diesen Zeiten einer weltweiten Pandemie wird mir persönlich einmal mehr bewusst, wie wertvoll doch die kleinen Gewerbe vor der eigenen Haustür sind. Vor dem Mittag rasch im Dorfladen noch ein paar letzte Kommissionen erledigen, der Schreiner verlegt am Nachmittag in meiner Abwesenheit, man kennt sich ja, den neuen Küchenboden und zum Feierabend noch den Lieblingsgurt oder einen alten Glockenriemen in die Werkstatt Karlen Swiss zur Reparatur vorbeibringen – Auch die heiteren Gespräche und Diskussionen beim Treffen am Stammtisch, welcher vorerst noch geschlossen bleibt, schätzt man plötzlich mehr. Natürlich sind dies nicht alles gleich überlebenswichtige Dienstleistungen und das Leben zieht mit oder ohne weiter, aber es sind alles regionale, in Törbel verankerte Gewerbe, die auf ihre eigene Art und Weise zu einer Aufwertung im Dorf beitragen.
Die kleine Schuhmacherei und heutige Trendschmiede Karlen Swiss ist, wie gesagt, ebenfalls eines dieser Unternehmen. Es ist vom Fundament bis zum Dach auf regionalen Werten aufgebaut und es wird eine nachhaltige Unternehmensphilosophie gelebt.
Dies beginnt bereits bei den Rohstoffen – alle Grundelemente stammen von typisch schweizerischen Recyclingmaterialien. So beispielsweise Militärwolldecken, welche bei der Armee aussortiert wurden oder Materialüberschüsse der früheren SBB-Sitze. Rot für Raucher, Grün für Nichtraucher – erinnert ihr euch noch?! Und wenn diese Stoffe mit moderner und umweltfreundlicher Designinspiration verbunden werden, entstehen in der Ideenwerkstatt Karlen Swiss mit Team und Designern einmalige Accessoirekollektionen. Mehr zu diesen gibt es jedoch in einem späteren Blogbeitrag.
Nebst den Grundelementen braucht es in der Werkstatt von Yvonne und Hans-Jörg Karlen auch viel Leder. Zum einen für ganz eigene Kollektionen und zum anderen als Schlaufen und Tragriemen für Taschen und Rucksäcke. Dieses stammt oft von bereits verwendeten Lederriemen und Gürtel aus den Beständen der Schweizer Armee. So ist es durchaus möglich, dass ein Gürtel, welcher Titus Karlen vor ca. 50 Jahren für die Armee gefertigt hat, den Weg zurückgefunden hat und jetzt Teil einer Tasche aus einer der Kollektionen von Karlen Swiss ist. Grössere Vorräte für die Leder-Kollektionen werden ausschliesslich von Schweizer oder deutschen Firmen/Gerbereien, welche hohe Standards haben und heimischen Tieren bezogen. Karlen Swiss setzt auf ein konsequentes Recycling bereits vorhandener oder auch schon gebrauchter Grundmaterialien.
Die regionalen Rohprodukte werden dann vom Team um Yvonne in sorgfältiger Handarbeit zu einzigartigen Unikaten weiterverarbeitet. Die mittlerweile über 10 Kollektionen beinhalten verschiedenste Accessoires von Hand- und Einkaufstaschen, Rucksäcken, Smartphone- oder Laptophüllen und viele weitere Produkte für Mann und Frau. Inspiriert von der rauen und ursprünglich schönen Bergwelt der Schweizer Alpen, versteht es das Team von Karlen Swiss dem Zeitgeist dieser Materialien wieder Leben einzuhauchen und sie auf eine erneute Reise zu schicken. Ihre Wurzeln bleiben aber im ursprünglich schönen Walliser Bergdorf Törbel.
Nebst einheimischen Rohstoffen und beeindruckendem Handwerk setzt das Unternehmen vor allem auf ein gutes Arbeitsklima. Generell, aber auch in schwierigeren Zeiten wie diesen, setzt die Firma nicht nur auf ständige Gewinnorientierung aber auf den Erhalt der Arbeitsplätze und ein gutes soziales Umfeld in der Werkstatt und gegen aussen. Diese Philosophie trägt letzten Endes zum Erfolg des Familienunternehmens bei und bestätigt sich in der bald 70-jährigen Geschichte des Unternehmens. Wie in früheren Beiträgen bereits angesprochen, sind übrigens alle Mitarbeiterinnen ebenfalls aus der Region bzw. aus Törbel. Alle Mitarbeiterinnen, wohlverstanden, nebst Titus und Hans-Jörg ist Karlen Swiss ein reiner Frauenbetrieb. Es wird gemunkelt, dies sei der eigentliche Erfolgsfaktor von Karlen Swiss;) Im Dorf unterstützen die Karlen’s zudem auch die lokalen Vereine wie den Fussballclub als Jahressponsor.
Der Erfolg und die kontinuierliche Weiterentwicklung seit der Eröffnung der kleinen Schuhmacherei 1951 bekräftigen die Grundphilosophie, Vision und nachhaltige Betriebsführung von Hans-Jörg und Yvonne Karlen. Karlen Swiss gehört zu Törbel wie der kleine «Konsum», die einheimische Schreinerei oder die urchige «Dorfbeiz».
Es sind Zeiten wie diese, an denen wir uns besinnen und die einfachen, wenn auch kleinen Dinge wieder bewusster wahrnehmen. Es sind Zeiten wie diese, in denen das Lokale und Regionale wieder an Wertschätzung gewinnt und Unbewusstes wieder bewusster wahrgenommen wird oder werden sollte.
Vielen Dank fürs Lesen.
Falls ihr die ersten drei Beiträge verpasst habt, könnt ihr diese hier nachlesen:
Karlen Swiss – Von der Sattlerei zur Trendschmiede
Eine Reise in die Vergangenheit und zurück
Von der Heimat geprägt
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Merci värgältesgott und bis zum neschtu Blog
Grüäss, Dominic