Hallo Zusammen, mein Name ist Aileen, in der deutschsprachigen Gaming-Szene auch bekannt als Chenelle, ich bin 24 Jahre alt und wurde beim Ausüben meiner Leidenschaft häufig auf mein Geschlecht reduziert. Wow, hört sich krass an, oder? Ja, aber ist es auch. Ich habe lange überlegt wie ich diesen Blog anfangen soll, da meine Geschichte doch sehr persönlich ist und die Thematik mich immer noch bedrückt. Aber wenn keiner drüber spricht, kann sich auch nichts ändern – also here we go.
Faszination Gaming
Wie bereits angedeutet, ist meine grösste Passion im Leben das Gamen. Ich brenne für Videospiele seit ich meinen ersten Gameboy an meinem sechsten Geburtstag erhalten habe. Spiele wie Pokemon, Super Mario oder die Sims haben meine Kindheit bereichert. Besonders faszinierend finde ich bis heute die Möglichkeit sich komplett in komplexen und aufwändig gestalteten Games zu verlieren, dort interaktiv die Welt zu beeinflussen und mit anderen Spielern gemeinsame Abenteuer zu bestreiten. Die sozialen Dynamiken, wie die Notwendigkeiten der Kooperationen für das Gelingen einer Quest (Aufgabe), gefallen mir dabei am meisten. Ich finde es total spannend zu sehen, wie wildfremde Menschen, die zufällig durch irgendeinen Algorithmus in die selbe Gruppe geschmissen werden, gemeinsam an einem Ziel arbeiten und das Ergebnis nicht nur eine bestandene Aufgabe Ingame ist, sondern auch womöglich eine entstehende Freundschaft. Ich geniesse den konstruktiven Austausch, liebe es aber auch manchmal einfach über Gott und die Welt zu quatschen. Dieser Part ist so wichtig für mich, dass ich es fast kategorisch ausschliesse alleine zu spielen.
Der (a)soziale Part des Gamens
Nun nähern wir uns langsam dem Teil der Geschichte, der etwas ungemütlicher wird. Damals hätte ich nie gedacht, dass mich Beleidigungen oder Diskriminierungen, die in der Online Welt passieren, tatsächlich auch offline tangieren könnten. Ich war immer der Meinung eine selbstbewusste junge Frau zu sein, die das Mantra verinnerlicht hätte: Mach dein Ding, es ist egal was andere von dir denken. Ja, ihr ahnt es schon: Ich hätte mich nicht mehr täuschen können. Zu dieser Zeit habe ich bereits seit mehreren Jahren mit der gleichen Online-Clique die verschiedenen Spielewelten unsicher gemacht. Wir waren alle erwachsen, aufgeschlossen und hatten daher immer eine super entspannte und lustige Zeit. Mir war damals nicht bewusst, in was für einer Gaming-Blase ich eigentlich online lebte. Niemand von uns kam jemals auf die Idee eine andere Person, unabhängig davon, ob sie zu unserer Gruppe gehörte oder in der Gegnergruppe gespielt hat, verbal anzugreifen. Warum auch? Klar, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das Gamen nicht auch manchmal zur Weissglut treibt und mir nicht schon mal das ein oder andere Schimpfwort in den Sinn gekommen ist. Aber! Und da liegt der kleine jedoch feine Unterschied: Ich würde mir niemals anmassen eine Person persönlich anzugreifen oder verbal via Chat zu verletzen. Und genau dieser Misstand passiert in der Gamingszene jedoch zusehends, was mich persönlich stark bestürzt. Der raue Ton, in dem mittlerweile vorherrschend kommuniziert wird, ist erschütternd. Ich spiele mit Fremden teilweise unter so starkem Druck, bloss keine Fehler zu machen aus Angst beleidigt zu werden, dass der Spass dabei häufig auf der Strecke bleibt.
Sexismus in der Gamingszene
Doch nicht nur der raue Ton drückt den Spass am Spielen, sondern auch die immer präsenter werdenden sexistischen und stereotypischen Anmassungen. Ich bin jedes Mal aufs neue erstaunt darüber, wie sich die Spieldynamiken ändern können, sobald man sich als Frau zu erkennen gibt. Die Palette reicht von, „WOW, du bist eine Frau????“, über „aha, deswegen bist du so scheisse“ bis hin zu „Was hast du hier verloren, geh in die Küche kochen“ um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Sollte es mal nicht der Fall sein, dass man nach der Bekennung zum eignen Geschlecht als Frau diskriminiert wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit immer noch gross, dass man direkt und unverblümt angebaggert wird, teilweise recht uncharmant und vollkommen daneben.
Twitch
Besonders intensiv habe ich den Sexismus und die teilweise Frauenfeindliche Haltung als Streamerin auf Twitch erlebt. Gerade als Frau hat man es dort schwer Content zu kreiern ohne verbal, auf Grund von spezieller Klischees, attackiert zu werden. Twitch war für mich in meiner Anfangszeit 2016 eigentlich ein soziales Medium, dass ich nutzen wollte, um mehr Gleichgesinnte zu finden und damit meinen ausgeprägten Wunsch nach sozialem Austausch weiter auszubauen und noch mehr Spass Ingame zu generieren. Dies ist mir auch teilweise gelungen. Ich hatte aufregende, lustige und mega entspannte Stunden mit meiner Community, für die ich sehr dankbar bin. Nur leider habe ich recht schnell festgestellt, umso grösser ich als Streamerin wurde, umso mehr habe ich auch die Leute angezogen, die es einfach lustig fanden mich (ohne Grund!) zu attackieren. Besonders schlimm habe ich dabei empfunden, dass die Leute die Situation ausgenutzt haben, dass ich live und alleine vor der Kamera sass, dabei mein Gesicht und Persönlichkeit offenlegte, während sie versteckt hinter der Anonymität des Internets meine Schwächen fokussierten und diese herablassend und verletzend anprangerten.
Das Ziel meines Blogs
Zunächst möchte ich betonen, dass ich mir durchaus bewusst bin, dass nicht alle Gamer gleich jeden nur auf ihr Geschlecht reduzieren oder sonst in irgendeiner Weise negativ auffallen. Ich möchte in diesem Blog lediglich meinen emotionalen Werdegang verarbeiten und offenlegen. Dazu gehören meine positiven wie negativen Erfahrungen in Bezug auf das Gaming und Streaming. Nebenbei möchte ich eine gewisse Sensibilität für die Thematik des Sexismus und der starken Differenzierung der Geschlechter schaffen, dabei jedoch den Spass am Spielen nicht verlieren. Für mich steht klar das Gaming und meine Leidenschaft dafür im Vordergrund. Daher werde ich ab nächster Woche das Streamen auf Twitch wieder aufnehmen, da ich der Meinung bin, dass es nach wie vor eine tolle Plattform ist, um Gleichgesinnte ausfindig zu machen und es der beste Rahmen ist, um mein Ziel umzusetzen.
Sehr schön geschrieben. Auch in der Schweizer Anime Szene bin ich immer wieder eine Zeugin von Sexismus und Cyber-Bullying.
Habe keine Ahnung von der Gaming Szene aber ich konnte mit dir fühlen, als ich das gelesen habe! Bin gespannt auf deine weiteren Berichte.