#Teil 2: Studien und Fakten. Wie die Gamingindustrie den Sexismus prägt und fördert.

Hallo ihr Lieben,

im zweiten Teil der Reihe Studien und Fakten rund ums Thema Gamexscism möchte ich mich heute weniger auf die SpielerInnen fokussieren, die sich online sexistisch und diskriminierend äussern, sondern versuchen den Ursprüngen des Sexismus in der Szene auf den Grund zu gehen. Dazu möchte ich in diesem Blogeintrag nachfolgend die Gamingbranche beleuchten, besonders aber die Entwickler und Distributionsplattformen fokussieren, die für mich in der moralischen Pflicht stehen jegliche Formen von Online-Diskriminierungen vorzubeugen und bestimmte Themenfelder unzugänglich zu machen. Leider musste ich mit Erschrecken feststellen, dass die Gamingbranche nicht immer ihrer Pflicht nachkommt. Durch meine Recherchen bin ich mir verschiedener Missstände bewusst geworden, die ich nachfolgend mit euch teilen möchte.

Beginnen wir mit einem etwas harmloseren Missstand, der zwar vorhanden ist, mich aber nicht auf die Palme bringt.  – Den klischeehaften Bildern schwacher Frauen, die ständig gerettet werden müssen. In Jump´n´Run-Spielen ist es nämlich häufig der Fall, dass eine sogenannte „Damsel in Distress“ gerettet werden muss (1). Der starke, aufopfernde Mann rennt durch eine ganze Spielwelt, nur um die arme, junge & hübsche Jungfrau in Nöten aus den Klauen eines Bösewichts zu befreien. Es mag zwar eine einfache Mechanik sein, die jeder versteht, dennoch finde ich das Bild, das dadurch vermittelt wird, einfach nicht Zeitgemäss und klischeehaft. (2)

Die „Damsel in Distress“-Mechanik ertrage ich jedoch gerne im Vergleich zu wirklich realitätsfernen und hypersexuellen Frauenbildern, die häufig noch in Games eingebettet werden. Die Rede ist von Porno-Kriegerinnen mit Wespentaillen und XXL-Oberweiten, die in knappen Unterwäscheähnlichen Rüstungen und riesigen Klingen die Welt retten. Mag sein, dass die Frau zwar theoretisch eine „starke“ Rolle innehält, diese Damen und das Gameplay aber so unrealistisch und sexistisch gestaltet sind, dass bloss junge Männer angesprochen werden sollen, deren Sexphantasien es gilt anzuregen. Daher ist das selbstbestimmte Einsetzen der Sexualität wirklich nicht als Zeichen der Emanzipation zu werten, wie einige vielleicht argumentieren mögen. (2)

 

 

 

 

 

Neben den Porno-Kriegerinnen ist auch die Tatsache, dass man häufig gar keine Frau als Protagonistin spielen kann, sehr nervig. Es mag in manchen Spielen Sinn ergeben, anhand der Storyline ausschliesslich männliche Protagonisten spielen zu können. Aber generell musste ich feststellen, dass Spiele-Entwickler sich immer noch viel zu stark an den (klischeehaften) Bedürfnissen „junger Männer“ orientieren, dabei aber die  Zockerinnen und deren Bedürfnisse absolut ignorieren. (2)

Was ich aber noch viel schlimmer finde, als nicht spielbare weibliche Hauptfiguren, sind die Darstellungen der weiblichen NPCs. Kurz gesagt: Entweder sind sie erschreckend nervig, stark verblödet dargestellt oder einfach nur leere Hüllen, die am Rande der Storyline vergewaltigt, ermordet und dann noch schön drapiert werden. Weil Achtung – eine weibliche Leiche muss dennoch ansprechend aussehen! Die Kehle zerfetzt, überall Blut, aaaaaaber die Schminke, ja die sitzt noch. (3)

Da wären wir auch schon beim drastischsten aller Missstände, den häufig nicht nur sexistischen und hochpubertären, vor allem aber gewalttätigen Frauendarstellungen. (2) Gehen wir noch einen Schritt weiter: Spiele, die allein darauf ausgelegt sind, Frauen zu verletzten, vergewaltigen und zu töten.Jap, ihr lest richtig. Diejenigen von Euch, die mir auf sozialen Medien folgen, werden meine Empörung über ein bald veröffentlichtes Spiel bereits mitbekommen haben: Rape Day. Die Storyline von Rape Day besteht einzig und alleindarin sexuelle Gewalt an Frauen zu feiern. Jetzt kommt der Witz – die Entwickler fühlen sich missverstanden! Und der grösste Witz dabei ist, dass sogar zeitnah auf Steam veröffentlich werden soll. Steam ist die grösste vertreibende Plattform für Videospiele, die existiert. Wieso um alles in der Welt wird ein Spiel, das nicht nur Gewalttaten auf eine soziopathische Art verherrlicht, fördert und feiert, zur Gewalt an Frauen aufruft, Inzest und Nekrophilie thematisiert, auf einer Plattform wie Steam veröffentlicht?????? Das ist abstossend, hypersexistisch und widerwärtig zugleich.  Der Entwickler selber schreibt, dass das Spiel an Soziopathen gerichtet sei. (4) Na Bravo, sollen die schon mal online üben, um die Fantasien später in die Realität umzusetzen? Zwar wurde das Spiel nun endgültig für Steam gesperrt, aber nur weil die Empörung der Öffentlichkeit so gross war. (5)

Aber die Diskussion um Rape Day hat eins deutlich gezeigt, nämlich die Problematik des Umgangs von Sex und Sexualität in Videospielen. Entweder geht es bei den Sexszenen um reine Fleischbeschau, die als Anregung der männlichen Sexfantasien dienen sollen, oder Frauen werden als „unterwürfige Objekte inszeniert, die sich willenlos meist Männern hingeben müssen.“ Wir erinnern uns an Games wie Assassins Creed, dort kann sich der Spieler von einer Prostituierten befriedigen lassen und im vierten Teil sogar eine Frau verfolgen, entführen und aufs Bett zum Akt zwingen. (4)

Also, warum sind heute noch sexistische Frauendarstellungen gang und gäbe?

Maike Groen, von der TH Köln, die sich seit geraumer Zeit mit den Geschlechterverhältnissen in Games und in Gaming-Communities beschäftigt, sagt, dass „selbst wenn Frauen genauso lange oder genauso viel oder genau das gleiche spielen wie Männer, identifizieren sie sich immer noch nicht als „Gamer“, weil die Plakette „Gamer“, diese Identität und Gruppenzugehörigkeit so klar männlich definiert ist.“ Und da auch die Gamingindustrie sich diesem Klischee eines „typischen Gamers“ bedient, sind riesige Oberweiten, spärliche Bekleidungen und überflüssige Sexszenen häufig vorzufinden. In diesem Zusammenhang möchte ich die Spielfigur und das gleichnamige Haudrauf-Spiel „Bayonetta“ erwähnen. Bayonetta bedient sich im Kampf gegen diverse Gegner verschiedener „Folterangriffe“, welche auf echten und sehr extremen Sado-Maso-Praktiken beruhen. By the way, nicht nur die Frauengestaltungen sind häufig sexistisch, auch die Kameraführungen. Wer damals, so wie ich, mit Tomb Raider aufgewachsen ist, weiss wovon ich rede. Der Hintern – prall und rund natürlich – wackelt stets von links nach rechts, bis endlich 2013 der Relaunch erfolgte, der mir echt Hoffnung gibt. (2)

Denn ja, auch wenn es noch einige Missstände zu beseitigen gibt, langsam ändert sich die Branche.

 Tomb Raider entwickelte sich beispielsweise von der einstigen Sex-Ikone zu einer schlanken jungen Frau mit absolut normalem Körperbau. XXL-Hupen, Vamp-Gesicht und Wespentaille sind verschwunden. Auch der Kleidungsstil ist nicht mehr kurz und knapp, sondern sportlich und den Umständen, in denen man Lara Croft spielt, angemessen. Und nicht nur das – Sie hat plötzlich Charakter. Sie ist unsicher, hat ihre Zweifel und Schwächen, genau wie wir alle. Endlich mal ein Charakter, mit dem man sich wirklich identifizieren kann. (2)

***P.S. Ich finde im Übrigen auch aus männlicher Sicht viele Darstellungen in der Gamingwelt sexistisch – Männer werden ähnlich klischeehaft dargestellt, nur einfach nicht so stark zu ihrem Nachteil.

 

Quellen:

  1. https://www.vice.com/de_ch/article/kwyzma/gamergate-interview-deutsche-entwicklerinnen-daedalic-black-forest-969
  2. https://www.swr.de/swr2/wissen/frauen-computerspiele/-/id=661224/did=19726810/nid=661224/xiuy25/index.html
  3. https://www.watson.ch/digital/games/798395517-frau-prangert-sexismus-in-games-an-und-erhaelt-als-antwort-das-ich-werde-dich-zu-tode-vergewaltigen
  4. https://www.zeit.de/digital/games/2019-03/rape-day-videospiel-vergewaltigung-games
  5. https://www.stern.de/neon/wilde-welt/gesellschaft/vergewaltigungsspiel–rape-day–loest-shitstorm-aus-und-wird-gesperrt-8609992.html

 

 

 

Chenelle

Hallo Zusammen! Ich bin Aileen aka Chenelle, 24 Jahre alt und leidenschaftliche Gamerin und Streamerin. Meine Passion wird manchmal aber auch zur Geduldsprobe, wenn ich auf Grund meines Geschlechts diskriminiert werde. Ich möchte daher den Blog nutzen, um auf den Sexismus der Gamingszene aufmerksam zu machen.

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5 thoughts on “#Teil 2: Studien und Fakten. Wie die Gamingindustrie den Sexismus prägt und fördert.

  1. Wirst du noch etwas ausführlicher zum Thema “Rape Day” schreiben?
    Ich bin im Wesentlichen in diesem, und den vorhergehenden Texten, deiner Meinung. Zweifelhaft finde ich nämlich die Aussage des Entwicklers, dass das Spiel an Soziopathen gerichtet sei – Counterstrike hatte als Zielgruppe ja auch keine amoklaufenden Terroristen. Alles in allem, sehr seltsam, wie es überhaupt zu diesem “Spiel” gekommen ist.

    Ansonsten, mach weiter wie gehabt!

    1. Hallo Moto! Zunächst einmal vielen lieben Dank für das Feedback und die netten Worte! Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, im übernächsten Beitrag nochmal über Rape Day und ähnliche Spiele, wie z.B. Active Shooter, zu schreiben. Ich bin absolut deiner Meinung, glaube aber, dass solche “Nischenspiele” tatsächlich ein ganz anderes Kaliber sind und schon bewusst versuchen Menschen anzusprechen, die bestimmte nicht sozial akzeptiere Neigungen haben, wie zum Beispiel Nekrophilie. Als normal denkender Mensch würde man ja im Leben so ein “Spiel” nicht anrühren. In den ersten Szenen soll man wohl sogar ein Baby töten …. Es ist schockierend, dass Speielentwickler anscheinend absichtlich und vollumfänglich Storylines oder Szenen einbauen, die menschenunwürdige Bilder vermitteln oder gar “krankhafte Fantasien” anregen könnten. Und gerade, wenn man “Soziopathen” adressiert, sollte man sich dessen bewusst sein. Ich habe aber noch von viel schlimmeren Spielen gelesen, die es im Darknet geben soll. Also wenn du möchtest, kann ich mich gerne dazu nochmal ausführlich in einem Blogpost äussern 🙂
      Wie siehst du die Thematik denn ?

      1. Servus noch mal!
        Schwer zu sagen, wie ich die Thematik sehe. Ich bezweifle zwar, dass sich irgendwelche “Soziopathen” wirklich durch so ein Spiel ermutigt fühlen werden, den Spielinhalt real in die Tat umzusetzen… doch ändert das ja ncihts daran, dass das Spiel im besten Fall “unnötig” ist.
        Ich hoffe, und denke, dass sich aus der Debatte darum aber letztenendes etwas positiv ziehen lässt, was zumindest mich ein Stück weit versöhnlich stimmt.
        Wenn du dich also dazu entschließt, mal genauer auf RapeDay o.ä. Spiele einzugehen, kann das sicher nicht schaden – im Gegenteil.
        Gruß 🙂

  2. Liebe Chenelle, toller Beitrag! Ist wirklich entsetzend was es für Spiele heutzutage gibt. Es scheint als gäbe es keine Grenzen mehr in der Gaming-Industrie. Finde es wichtig, dass jemand wie du offen darüber sprichst. Für mich als Nicht-Gamerin ist das alles neu und unfassbar.

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