#Teil1: Studien und Fakten rund ums Thema Gamexism.

Hallo Zusammen!

Ich habe mir gedacht, um die tatsächliche Relevanz der Thematik Sexismus und Geschlechterdiskriminierung in der Gaming-Szene aufzuzeigen, reicht es nicht aus nur von meinen eigenen Erfahrungen zu sprechen. Ich möchte euch daher nachfolgend einige Inhalte aus Studien und Artikeln zeigen, die eindrücklich darstellen, dass das Problem nicht nur einzelne Individuen wie mich betrifft – sondern eine breite Masse an Frauen. Gleichzeitig werde ich einige klischeehafte Argumente widerlegen, die ich in den letzten Wochen als Fürspruch für jegliche diskriminierenden und sexistischen Kommentare erhalten habe.

In meinem letzten Blogpost habe ich euch ja berichtet, dass vier unterschiedliche Arten der Kommunikation während einzelner Gamingsequenzen entstehen können. Dabei habe ich festgestellt, dass sich häufig die Gruppendynamik ändert, sobald ich mich als Frau zu erkennen gebe.

Genau das haben nun Forscher der Ohio University untersucht – ob Spieler in einem Multiplayer-Spiel, mit Invoice-Kommunikation, unterschiedlich auf männliche und weibliche Stimmen reagieren. Das Experiment fand in einer natürlichen Online-Spielumgebung statt, über die Xbox Live und Halo 3. Es wurden drei Konten erstellt, ein männliches, ein weibliches und ein Kontrollkonto. Um möglichst gleiche Bedingungen zu schaffen, wurden exakt die gleichen Phrasen an Antworten von einer weiblichen und männlichen Person aufgenommen, die später ingame abgespielt wurden. Insgesamt wurden 245 Spiele aufgezeichnet, davon 163 mit verbaler Kommunikation.  Obwohl das weiblichen und männliche Konto fast den gleichen Gewinnanteil hatten (56 Prozent und 61 Prozent), fast die gleiche Anzahl von Spielen mit verbaler Kommunikation (79 Prozent und 77 Prozent), das gleiche durchschnittliche angepasste Qualifikationsniveau (19 von 50) und fast die gleiche Anzahl von insgesamt gespielten Spielen (82 für weibliche und 81 für männliche Spieler), reagierten die Spieler unterschiedlich auf die weibliche Person. Das weibliche Konto erhielt letztlich dreimal !!!! so viele negative Kommentare wie das männliche und das Kontrollkonto.

An dieser Stelle ist also schon mal das Argument 1: „Frauen spielen schlechter, deshalb werden sie auch (mit Recht) verbal attackiert“ absolut zunichte gemacht. Es kommt nämlich gar nicht darauf an, wie man als Frau spielt – und das spiegelt auch meine eigene Erfahrung wieder – weil es fängt meistens schon VOR dem Gameplay an.

Das zeigt sich auch in der Studie wieder: Feindliche Reaktionen auf die Spielerin waren häufig; allein der Satz “Hallo zusammen” löste Reaktionen aus, die von “shut up you whore” bis “so whatever that voice was, are you a hooker or are you a dude” reichten? Wenn die Frau mal keine abfällige geschlechtsspezifische Sprache erhielt, wurde sie letztlich noch recht häufig angebaggert und ausgefragt. (1)

Wie weit greifend und wie nervig ingame-Belästigungen sein können, zeigt auch die Geschichte von Leena van Deventer, der Buch-Autorin „Game Changers: From Minecraft to Misogyny, the Fight for the Future of Videogames“.  Sie spielte Team Fortress 2, einen Online-Multiplayer-Shooter und eines ihrer Lieblingsspiele. Auch dort gibt es die Möglichkeit ingame via Voicechat zu kommunizieren und sie hat ähnliches erlebt wie ich. Es fing an mit dummen Kommentaren wie: “Omg bist du etwa zwölf, Alter?” und ging über zu “OMMMGGGGGG DU BIST EIN GIIIIIIIIRRRLLLLLL! Wir haben hier ein Mädchen, Jungs!”

Van Deventer schreibt, dass sie ihr Bestes getan hat, um die Kommentare abzuschütteln und weiterzuspielen. Ein Mann fuhr jedoch fort, er verfolgte ihren Avatar im Spiel. Dann fing er an Fragen zu stellen, die absichtlich unter die Gürtellinie gingen: Was trägst du da? Hast du irgendwelche Bilder? Hast du irgendwelche NUDE-Bilder? F***st du Typen, die Spiele mögen?” Doch dabei blieb es nicht. Sie selber sagt: “Ich konnte hören, wie er auf dem Sprachchat masturbierte, während er spielte. Er stellte hauchdünne, mühsame Fragen. Andere Teamkollegen fanden es urkomisch….“ Weiter sagt sie “Ich wünschte, ich könnte mich auf mein Ziel im Spiel konzentrieren, aber ich wusste, dass ich diesen Server verlassen musste. Meine Maus schwebte über den Ausgangstaster, als er zum Höhepunkt kam und meinen Benutzernamen in sein Mikrofon stöhnte.” Nachdem sie das Spiel verlies konnte sie eine Zeitlang weder ihre Kopfhörer anschauen, geschweige denn nochmal online spielen. Van Deventer ist nicht nur Autorin, sondern auch eine preisgekrönter Spieleentwickle und Dozentin am RMIT. Ihre Passion ist ihr Beruf, sie liebt das Gamen und wurde trotzdessen auf Grund von sexueller Belästigung für eine Weile vertrieben. Auch wenn sie kurze Zeit später wieder online zockte, so sagt sie: “Ich bin eine großmäulige feministische Frau, also drängte ich mich gerne zurück. Aber ich habe nicht immer die Energie dafür.” (2)

Und genau das ist der Punkt. Manchmal reicht einfach die Energie nicht aus, sich jedes Mal zur Wehr zu setzen. Argument 2: „Pech gehabt, wenn ihr so sensible seid, starken Frauen passiert sowas nicht.“ Eben doch. Leena van Deventer ist das beste Beispiel dafür, dass man nicht an jedem Tag einen Ko-Kampf führen kann und auch nicht will. Der Punkt ist doch der, warum müssen diejenige, die sich ordentlich benehmen, den Preis dafür zahlen, dass andere sich online nicht zu benehmen wissen und Grenzen überschreiten? Das erschreckende am Beispiel von Leena Van Deventer ist nicht nur die sexuelle Nötigung des Einzelnen, sondern auch die Gleichgültigkeit derer, die ebenfalls im Voicechat waren und die Situation noch als äusserst belustigend empfunden haben.

Eine andere Studie befasst sich mit der daraus resultierenden, traurigen Realität: Immer mehr Frauen verheimlichen ihre Identitäten, um nicht in den Fokus zu rücken und Opfer sexueller Belästigung und Diskriminierung zu werden. Sie meiden Voice-Chats und andere Arten der Kommunikationen, was nicht nur den Spielspass mindert, sondern laut der Studie auch die Einsamkeit in der Realität. (3)

Argument 3: „Tja, dann sind halt Online-Videospiele nichts für derartige Frauen, sollen sie doch lieber Lego spielen oder eben den Voicechat meiden.“Eines der stumpfsinnigeren Argumente, mit denen ich mich auseinandersetzen musste. Online-Videospiele existieren primär, um die Soziabilität, die Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen den Spielern zu stärken. Es ist ein attraktives Medium, das zur Unterhaltung dient und nebenbei noch das Gefühl der sozialen Unterstützung und Geselligkeit fördert. Derjenige, der aus einem sozialen, unterhaltenden Medium etwas macht, wozu es nicht gedacht war, der sollte es wohl eher meiden. Ich kann es nicht oft genug betonen, dennoch scheinen viele das zu vergessen: Es sind nur Spiele. Spiele sollten Spaß bedeuten und das nicht auf andere Leutes Kosten. Im Endeffekt spielt es nämlich wirklich keine Rolle ob ein Mann oder eine Frau vor dem PC sitzt, es hat weder einen Einfluss auf die Gewinnchance, noch beeinflusst es in sonst einer Weise das Spiel, wie die Halo-Studie gezeigt hat. Ich finde es bestürzend und ich weiss wirklich nicht, was passiert ist, dass es Leuten leichter fällt den Hass und die Missgunst in der Gesellschaft und gerade in der Gaming-Szene eher zu tolerieren und zu befürworten, als mal eine Sekunde darüber nachzudenken, was man online und offline von sich gibt.

Falls ihr tiefgehendere Einblicke möchtet, was Frauen alles so zu hören bekommen in Voice-Chats, kann ich euch nur den Blog von NKA (Not in the Kitchen Anymore) ans Herz legen. Dort sind die Voice-Chats abgespeichert, sodass man sich diese anhören kann. –> http://www.notinthekitchenanymore.com

 

Im nächsten Teil der Serie werde ich darüber schreiben, wie die Gamingindustrie den Sexismus prägt und fördert. Ich werde auch über das heiss diskutierte Spiel “Rape Day” berichten, bei dem es ausschliesslich darum geht, Frauen in einer postapokalyptischen Welt zu vergewaltigen und ermorden. 

 

Quellen:

(1) https://psmag.com/social-justice/halo-3-gamers-are-often-sexist-too-61564

(2) https://www.theguardian.com/culture/2017/oct/24/hey-dude-do-this-the-last-resort-for-female-gamers-escaping-online-abuse

(3) https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs11469-018-9962-0.pdf

Chenelle

Hallo Zusammen! Ich bin Aileen aka Chenelle, 24 Jahre alt und leidenschaftliche Gamerin und Streamerin. Meine Passion wird manchmal aber auch zur Geduldsprobe, wenn ich auf Grund meines Geschlechts diskriminiert werde. Ich möchte daher den Blog nutzen, um auf den Sexismus der Gamingszene aufmerksam zu machen.

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