Das Geschäft mit Zöliakie (Teil 1)

Heute möchte ich einen Blick auf das Geschäft mit glutenfreien Produkten werfen. Ein wenig zahlenlastig, aber nicht minder interessant.

Alles begann im Jahr 1981 in Burgstall, einer Gemeinde südlich von Meran. Ulrich Ladurner entschied sich mit der Produktion einer vollständig Zöliakie-gerechten Produktlinie zu starten. Heute, fast 40 Jahre später, gehört Dr. Schär zu den Weltmarktführern von glutenfreien Lebensmitteln, verfügt über Produktionsstandorte in Deutschland, Österreich, England, Spanien, Frankreich, Brasilien, Russland und den USA. Über 1200 Mitarbeitende erwirtschafteten im Jahr 2017 einen Umsatz von rund 347 Millionen Euro. Der Brand Dr. Schär, mit seinen gelben Verpackungen, hat sich gemäss dem Marktforschungsinstitut Euromonitor International zum Inbegriff von glutenfreien Lebensmitteln im westeuropäischen Markt etabliert. Das Wachstum hat sich in den letzten vier bis fünf Jahren noch einmal akzentuiert, wie die Zahlen zeigen. Weitere spannende Statistiken sind ebendiesem Vortrag von Euromonitor aus dem Jahre 2016 zu entnehmen.

Die Zielgruppe der Zölis und die der freiwillig auf Gluten verzichtenden Personen ist auch für den Schweizerischen Detailhandel und die grossen Player Coop und Migros attraktiv geworden. Und die Umsatzzahlen kennen auch hierzulande bisher nur eine Richtung: nach oben! Migros hat mit dem aha!-Label, das sich neben anderen Allergikern auch an Zölis richtet, den Umsatz von 71 Millionen Franken im Jahr 2015 auf 93 Millionen im Jahr 2018 steigern können.
Coop führt ebenso eine allergenfreie Eigenmarke mit dem Namen „Free From“, genauere Zahlen konnte ich jedoch nicht finden. Ich bin lediglich im Geschäftsbericht 2017, auf Seite 21, auf die Bemerkung gestossen, dass der Umsatz dieser Produktlinie im zweistelligen Bereich gestiegen sei. 2018 wurde über Betty-Bossi die Zeitung „Glutenfrei“ lanciert (Geschäftsbericht, Coop, 2018, S. 27). Das Sortiment mit glutenfreien Produkten scheint also durchs Band zu wachsen und grosse Detailhändler wollen Zölis und Verzichtende vom Gang ins Reformhaus abhalten. Doch nicht nur das, mit den Produkten scheinen sich auch gute Margen erzielen zu lassen.

Ich will die erhöhten Produktionskosten nicht unerwähnt lassen. Aber Konsumenten, egal ob sie es bewusst tun oder keine andere Wahl haben, greifen beim Kauf der glutenfreien Produkte tiefer in die Taschen – gerade in der Schweiz! 2012 veranlasste der Schweizerische Konsumentenschutz (SKS) zusammen mit der IG Zöliakie eine Untersuchung der Wettbewerskommission. Der Vorwurf: glutenfreie Produkte, in erster Linie Produkte von Dr. Schär, seien in der Schweiz, verglichen mit Deutschland, zwischen 30% und 50% überteuert. Die detaillierten Antworten lassen sich hier nachlesen.

Und? Hat dieser Vorstoss und die grössere Nachfrage etwas bewirkt und die Preise auch nach unten gedrückt? Ich möchte anhand eines Preisvergleichs aus einer „Kassensturz“-Sendung des Schweizerischen Radio und Fernsehens vom  Jahr 2012, die damals erwähnten Produktpreise (erhoben im Januar 2008 bei Grossverteilern und in Reformhäusern bzw. Onlineshops) mit den heutigen vergleichen. Dies soll dazu dienen, eine Tendenz aufzuzeigen und kann natürlich nicht als definitve Aussage gewertet werden. Dazu fehlen mir die genauen Angaben zu den untersuchten Artikeln aus dem Jahr 2012. Darum habe ich quasi als Stichprobe auch lediglich von fünf Produkten die Preisentwicklung verglichen. Ebenso kann in gewissen Fällen gar kein Vergleich mehr stattfinden, da das Produkt komplett aus dem Sortiment entfernt wurde. Eine weitere Einschränkung nehme ich bei der Anbieterauswahl vor, ich vergleiche nur die bei Migros resp. Coop erhältlichen Produkte anhand der Preise.

Die wohl einzige Aussage, die sich aufgrund der unsicheren Datenlage machen lässt: die Preise für glutenfreie Produkte sind in den vergangenen 10 Jahren tendenziell gesunken.

Einen sehenswerten Beitrag zum Geschäft mit Zöliakie lieferte das Wirtschaftsmagazin “Eco” bereits im Jahr 2015.

https://youtu.be/LAKyzVUGZzI