Verständlich werben jenseits von Sprach- und Kulturgrenzen

– O jetzt hanni grad z’Geheimrezäpt vergässe, Gottv…. Wie goht’s scho wieder?
[Die Sennen schweigen]
– Wotscht au e bess?

Die kundige Leserschaft wird einen Werbespot für Appenzeller Käse mit dem deutschen Imageträger Uwe Ochsenknecht erkannt haben. Seit nunmehr 10 Jahren mimt der bekannte Schauspieler in TV-Spots einen deutschen Touristen, der vergeblich versucht, zwei urigen Ausserrhödler Sennen das Rezept der Kräutersulz zu entlocken. Im genannten Spot versucht sich der Deutsche als Appenzeller zu tarnen – erfolglos, da ihn sein Zürcher Dialekt mit deutschem Akzent verrät. Ein solcher Werbefilm beruht auf einem Sprach- und Kulturwissen, ohne das sich der Witz gar nicht erst entfalten kann.

So mag es ironisch anmuten, dass dieser Spot kurzzeitig auch im Welschschweizer Fernsehen zu sehen war. Der Werbefilm wurde mit Untertiteln versehen, damit die Zuschauer verstehen, dass es sich um Dialekt und nicht um Hochsprache handelt. Dass in der Romandie jedoch Uwe Ochsenknecht kaum bekannt ist, und die wenigsten eine dialektale Färbung oder gar den Unterschied zwischen Mundart und Standardsprache erkennen können, hatte man dabei nicht beachtet. Für die Welschschweizer war der Werbespot kaum „verständlich“. Er wurde bald zurückgezogen.

Dieses Beispiel einer misslungenen Marketingkommunikation jenseits der Innerschweizer Sprachgrenze ist nur eines unter vielen. Wenn die Suva mit einer Pistensau die Skifahrer auf Gefahren aufmerksam machen will, lautet die französische Übersetzung „Les sangliers sur les pistes“ – so wenig einleuchtend wie für Deutschschweizer „Wildschweine auf der Skipiste“. Oder wenn der Schweizer Obstverband einen Berndeutsch sprechenden Sennenhund zusammen mit einer Ostschweizer Gans auftreten lässt um „die Nähe der Produktion zu den Konsumenten aufzuzeigen“, da muss sich wohl die gesamte Westschweiz ausgeschlossen fühlen. Auf Standardfranzösisch übersetzt verlieren nämlich die Werbespots ganz und gar ihren lokalen Scharm. Um ein noch krasseres Beispiel zu nennen: Rama wirbt in der Romandie für eine Diätmargarine, deren Produktname „Unwiderstehlich“ auf Französisch nicht nur schwer verständlich – sondern auch schier unaussprechlich ist. Für die Synchronsprecher wie für die Konsumenten.

Dass die Werbeagenturen und Marketingabteilungen, die mehrheitlich im Zürcher Raum angesiedelt sind, die kulturelle Andersartigkeit der lateinischen Schweiz gern übersehen, ist kein neues Phänomen. Bereits in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts hatte der Westschweizer Übersetzerverband „Association des Adaptateurs romands“ (AAR) eine spektakuläre Aktion in den wichtigsten Deutschschweizer Tageszeitungen gestartet, mit einem Inserat, das eine Lederhosen tragende Cancan-Tänzerin darstellte. „Die Welschen haben die krachlederne Werbung satt“ hiess es im Titel. Und weiter im Text: „Liebe Deutschschweizer, vergesst bitte nicht, dass auch wir ein Sprachgefühl und eine eigene Kultur haben“. Dieses Inserat wirft eine Problematik auf, die auch heute noch gewissenhaften Werbemachern Kopfzerbrechen bereitet. Auf der einen Seite haben wir sprachliche Minderheiten, mit verständlichem Wunsch nach kultureller Anerkennung, auf der anderen Budgets, die massgeschneiderte Werbekampagnen für eine kulturelle Minderheit der Bevölkerung schlicht und einfach nicht zulassen.

In einem Zeitalter, wo das interkulturelle Paradigma bis in die Marketing-Fachbücher Einzug gehalten hat, könnte man meinen, die gröbsten Werbepatzer gehören der Vergangenheit an. Die internationale Werbeforschung hat sich in den letzten Jahrzehnten intensiv mit kulturellen Unterschieden befasst. Zahlreiche Studien wurden durchgeführt, besonders zur Rezeption bzw. Akzeptanz verschiedener Themen (Darstellung der Geschlechter, der Familie, der Arbeitswelt) und Argumente (Inszenierung von Wohlstand, Macht oder Sexualität); zum Informationsgehalt der Werbung (explizite oder implizite Kommunikation) oder zum Werbestil (Logik versus Emotionalität). Heutzutage kennen die Marketingabteilungen international tätiger Unternehmen die wichtigsten Stolpersteine interkultureller Werbung. So wird zum Beispiel im asiatischen Raum das Kollektiv mehr betont als in westlichen Kulturen und der Akzent auf Familie und Tradition gesetzt; in streng muslimischen Ländern werden die Geschlechter gesondert dargestellt und nackte Körperteile mit Photoshop wegretuschiert. Um den richtigen Ton zu treffen, beauftragen global tätige Firmen lokale Agenturen mit der Gestaltung ihrer Kampagnen. Indes haben sich einzelne Unternehmen wie HSBC das Interkulturelle sogar auf die Fahnen geschrieben: seit 2002 verspricht die Bank lokale Kundennähe mit vielfältigen Werbespots, die kulturelle Stereotypen humorvoll inszenieren.

Ist demnach im Marketingbereich ein Wissen um die auffallendsten Unterschiede zwischen den Kulturen weitgehend vorhanden, so werden doch die feinen Differenzen gern übersehen. In den letzten Jahrzehnten hat die Werbeforschung mehrheitlich kulturferne Länder verglichen; die meisten Studien stammen aus den USA und befassen sich mit dem asiatischen oder dem arabischen Raum. Zur Werbung kulturnaher Länder gibt es nur wenig vergleichende Untersuchungen. Dabei könnten, so Dahl (2004), gerade solche Studien dem interkulturellen Ansatz eine wissenschaftliche Abstützung bringen. „Althought the main focus on culturally dissimilar countries is important, it may suggest that advertising is not different in culturally close countries. If, however, research in culturally similar countries could establish to what extent and how even small cultural differences might play a role in advertising, then the arguments against standardised advertising would be even stronger“. Im Zeitalter des glokalen Handels bietet eine Rückbesinnung auf die feinen Unterschiede eine vertiefende Perspektive auf die kulturelle Vielfalt potentieller Konsumenten.

Die Schweiz, wo verschiedene Kulturen auf so engem Raum zusammenleben, wäre eigentlich ein ideales Feld für die interkulturelle Werbeforschung. Doch gibt es bis anhin kaum Studien, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Dabei wird oft beklagt, dass die Kommunikation zwischen den Sprachregionen nicht effektiv verläuft. „Gibt es einen Röstigraben in der Schweizer Marketingkommunikation?“ Diese Frage beantwortete eine im Jahr 2008 an der FHNW durchgeführte Studie mit einem eindeutigen ja. Eine Mehrheit der 92 befragten Unternehmen teilten ihre Unsicherheiten bei der Wahl angemessener Themen und Werbeinhalte mit; die Mentalitätsunterschiede zwischen Romands und Deutschschweizern bezeichneten 47% als markantes Hindernis (Gürtler, S. & Lehmann, D. 2008).

Die Marketingabteilungen unseres Landes scheinen der Kulturproblematik kaum Beachtung schenken zu wollen. Die grösseren Unternehmen finden es in der Regel richtig, in den vier Sprachregionen gleich aufzutreten. Bemüht man sich oft, die Werbeinhalte „kulturell korrekt“ für die ganze Schweiz weitgehend zu „neutralisieren“ und lokale Färbungen, sogenannte „Kultureme“, auszumerzen, ist man nicht gross um die Eigenheit der lateinischen Minderheiten bemüht. Bei der ungleichen Kräftegruppierung unseres Landes ist ein nationaler Standardauftritt, wie es obige Beispiele zeigen, nicht selten ein „Deutschschweizer Auftritt“. Die Adaptation an die anderssprachigen Kulturen wird lediglich den Übersetzungsabteilungen überlassen. So kommt sich die lateinische Schweiz wohl mit gutem Grund als „quantité négligeable“ vor.

Im Marketing gilt: je intensiver die Identifikation mit der Subkultur, desto grösser der Verkaufserfolg. Kann und soll der Auftraggeber verlangen, dass der Werber der Vielfältigkeit der Schweiz gerecht wird? Bei näherer Betrachtung scheint der Erfolg von Werbung nicht ohne Adaption an die Geisteshaltung im anderen Kulturraum denkbar. Ist es aus Kostengründen nicht möglich, die Werbung differenziert zu gestalten, so sollten zumindest um die gröbsten Patzer vermieden und Zeichen in Richtung der Minderheiten gesetzt werden können. Das könnte durch eine bessere Einbindung von Mitarbeitern der jeweiligen Landesteile – oder eine angemessene Beratung erreicht werden.