1, 2 oder 3 – letzte Chance – vorbei!

Erfahre, wie eine einfache Weisung des Managements die Effektivität des agilen Arbeitens um 800% steigert und gleichzeitig den Planungs-Overhead um 75% reduziert. Doch die neu gestalteten Rahmenbedingungen stellen die Teammitglieder vor eine anspruchsvolle Entscheidung. Mit der Festlegung einer maximalen Teamgrösse sehen sich die Mitarbeitenden damit konfrontiert, sich in kleinere Teams zu organisieren. Tauche ein in diesen ersten Erfahrungsbericht.

Gehen wir zunächst in der Zeit zurück. Wir arbeiten in zwei agilen Teams nach Scrum. Jedes der Teams bearbeitet zum grössten Teil eigene Projekte und es bestehen wenige, wenn nicht keine Abhängigkeiten. Lediglich in Ausnahmen wird für den Ressourcenausgleich gegenseitig ausgeholfen. Aber grundsätzlich deckt jedes Team das gesamte Knowhow ab, um innerhalb der eigenen Projekte den gesamten Wertefluss zu bewerkstelligen.

Nun kam es, dass die Teamgrösse fortwährend zunahm. Die Stories aus den Projekten wurden so divers, dass sich der Wissenstransfer zwischen den Teammitgliedern immer schwieriger gestaltete. Der Kontextwechsel erschwerte die gegenseitige Unterstützung und führte zu einer reduzierten Effektivität. Die Planning-Meetings wurden länger, ohne dabei die Stories in genügender Detailtreue zu besprechen.

Als Folge wurden Stories vorab an Personen zugeteilt und vorgeschätzt. Diese Schätzungen waren oft zu optimistisch, wodurch vermehrt Aufwand für Unvorhergesehenes anfiel. Die Zeit fehlte dann dem kontinuierlichen Lernen und Verbessern. Im beschränkten Rahmen des Reviews fand sich kaum Zeit für Demos und in der Retrospektive wurde mal in die eine und mal in die andere Richtung justiert, ohne eine Verbesserung zu erzielen. Teammitglieder arrangierten sich mit ihren Projekten und für viele stand der Planungs-Overhead nicht mehr im Verhältnis zum Nutzen.

Die Reorganisation der Teams

Somit sind wir am entscheidenden Punkt angelangt. Bei einem ausserordentlichen Meeting orientiert das Management über den angepassten Gestaltungsfreiraum, in dem sich die Teams zukünftig zu bewegen haben. Die neunen Vorgaben fordern eine maximale Teamgrösse von 8 Personen. Wir sehen uns gezwungen, uns in drei neue Teams umzustrukturieren und leiten drei mögliche Kriterien ab, anhand denen wir uns reformieren könnten:

  1. Brauchen wir Expertenteams mit denjenigen, welche die gleichen Skills oder ähnliche Fähigkeiten vereinen?
  2. Suchen wir nach gemeinsamen Werten der Zusammenarbeit und teilen nach grösster Übereinstimmung im Mindset?
  3. Oder sollen wir nicht einfach die Teams gemäss den Projekten aufteilen?
Kriterien der Teambildung
Vielfältige Perspektiven: Heterogene Kriterien für die optimale Teamaufteilung bei Befragungen von Teammitgliedern. (Quelle: Stefan Niederberger)

 

Da es allen Beteiligten, mich eingeschlossen, unklar ist, wie die Effektivität eines agilen Teams von der Zusammenstellung abhängt, wählen wir die Variante des kleinsten Widerstandes. Die neuen Teams bilden sich um die vorherrschenden Mindsets. Während das Team an einem Ende der Skala die Arbeitsweise nach Scrum und seine Rituale als zentral für ihren Erfolg erachten, verfolgt das Team am anderen Ende einen pragmatischen Ansatz und setzt auf den situativen Austausch nach Bedarf. Die neue Aufteilung nimmt Rücksicht auf die jeweilige Vorstellung über die Form der Zusammenarbeit und mindert das mögliche Konfliktpotential innerhalb der Teams.

Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht…

Die reduzierte Teamgrösse erzielt bereits nach der ersten Sprintiteration ihre gewünschte Wirkung. Das Planning-Meeting verkürzt sich von 3 Stunden auf 45 Minuten. Das sind minus 75% inklusive durchgängiger Besprechung aller Stories. Im Review verbleibt genügend Zeit für 3 Demos, anstatt ab und an eine Demo alle 3 Sprints, somit ein Plus von 800% und lediglich 10% der Sprintreserven werden für Unvorhergesehenes eingesetzt. Somit bleibt uns Zeit für die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsabläufe. Mit dem neuen Setup sind die Skills jedoch einseitig verteilt, so dass einige nun in verschiedenen Projekten mitarbeiten und öfters in unterschiedlichen Teams anzutreffen sind.

In der gewählten Aufteilung erkenne ich kurzfristig keine messbaren Nachteile. Die Suche nach der optimalen Zusammenstellung erscheint mir jedoch komplexer, als die drei betrachteten Kriterien suggerieren. Ein Blick in die Literatur verdeutlicht, dass ein agiles Team idealerweise interdisziplinär und cross-funktional aufgestellt sein sollte. Die Vielfalt an Fähigkeiten ermöglicht es dem Team, autonom entlang des gesamten Werteflusses zu agieren und so maximalen Mehrwert zu generieren. Für nachhaltigen Erfolg ist es ratsam, mit weiteren Anpassungen zu experimentieren, welche die projektübergreifende Koordination der Teams vereinfachen und den teamübergreifenden Wissensaustausch fördern.

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Stefan Niederberger

Stefan Niederberger ist Senior Researcher bei der Hochschule Luzern und bloggt aus dem Unterricht des CAS DevOps Leadership and Agile Methods.

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