Haben Sie das agile Mindset bei der digitalen Transformation ausgebildet oder leben sie einen agilen Wasserfall?

Digitale Transformation wird schnell gleichgesetzt mit neuen Methoden und Prozessen. Diese lassen sich einfach einführen und schulen. Damit ist der Organisation jedoch erst ein neues Organisationsmodell übergestülpt. Der Effekt? Die Mitarbeiter*innen arbeiten dem unveränderten Mindset weiter. Der ehemalige fünf Phasen Wasserfall wird zum Sturzbach mit 50 mini Wasserfälleli.

Projekte, die nach klassische Wasserfall-Prinzip durchgeführt werden, sind meist in fünf Projektphasen eingeteilt. Am Ursprung des Projektes steht ein klares Ziel mit Nutzenversprechen. Das Team erarbeitet sich auf Basis der Zielvorgaben ein konkretes Bild und setzt dieses phasenweise um. Es entsteht das Produkt, in der Abbildung 1 dargestellt als violette Geschenkpackung mit silbriger Schleife.

Um die Arbeitsweise der Unternehmung agiler und flexibler zu machen, werden digitale Transformationsvorhaben umgesetzt. Dabei wird gerne ein breit erprobtes Operating-Model z.B. das SAFe-Framework eingeführt. Der Vorteil daran: Unternehmen wie Scaled Agile Framework Inc. fassen verschiedene bewährte Aspekte agiler Methoden in einem ganzheitlichen Framework zusammen, was es für grosse Unternehmen anschlussfähig macht. Im Rahmen der Transformation werden pflichtbewusst neue Rollen eingeführt und die Methoden trainiert. Erprobte Einführungspläne stellen u.a. sicher, dass die Projektportfolios in Portfolios mit Epics überführt werden und die Entwicklungsteams als agile Release Trains organisiert sind, etc.

Die Business- und IT-Manager werden nach mehreren Monaten einer gut vorbereiteten, konsequent umgesetzten und seriös begleiteten Transformation erfreut feststellen, dass die Umstellung geglückt ist. Gerade in Unternehmen, in denen die IT bereits in den Projekten als Scurm-Teams mitgearbeitet hat, wird die Entwicklungsleistung nur einen kurzen, verkraftbaren Dämpfer erfahren.

Die nahtlose Überführung der Portfolios ist jedoch ein exemplarisches Indiz dafür, dass immer noch dieselben Ziele verfolgt und damit dieselbe violette Geschenkpackung mit silbriger Schleife in derselben Durchlaufzeit produziert wird. Neu dank den kurzen Sprints halt einfach in 50 kurzen Wasserfälleli hintereinander.

Abbildung 1 -Bei der Einführung des agilen Frameworks nach Vorgabe des Herstellers besteht die Gefahr, dass aus dem  Projekt-Wasserfall viele kleine agile Wasserfälleli entstehen. Dies, weil die Ausbildung des agilen Mindset bei Führungskräften und Mitarbeiter*innen nicht erfolgt.

Die Betrachtung der fünf Ebenen der Agilität aus «Das agile Mindset» von S. Hofert in Abbildung 2 zeigt, wie Unternehmen in diese Situation geraten. Der Lieferant des Frameworks muss sicherstellen, dass die Transformation zügig und mit Erfolg abgeschlossen werden kann. So fokussieren die Elemente der Transformation auf das Vermitteln von notwendigen Wissensinhalten zur Anwendung des Frameworks. Die Förderung des agilen Mindsets ist kein Thema.

Abbildung 2 – S. Hofert liefert in „Das agile Mindset“ die Grundlage dafür, wie die Unternehmen in die Falle für eine schnelle und reibungslose Transformation tappen. Getreu den Einführungsempfehlungen der Framework-Propheten, fokussieren ausschliesslich auf die Agilität im Prozessframework. Dabei geht vergessen, dass auch an der Transformation der Haltung der Mitarbeitenden und der Führungskräfte, hin zu einem agilen Mindset, notwendig ist.

Wie eine Person mit ausgeprägt agilem Mindset vorgeht beschreibt E. Ries, in seinem Bestseller «The Lean Startup» exemplarisch. Angelehnt daran werden Sie erkennen, dass Menschen mit einem ausgeprägten agilen Mindset das Bedürfnis des Auftraggebers verstehen wollen und ihn mit «Warum»-Fragen löchern. Aus diesen Informationen werden die Schlüssel-Hypothesen abgeleitet, die mit effektiven Kunden als erstes validiert werden. Das geschieht mit minimal möglichem Budgeteinsatz. Die in diesen ersten Lernschlaufen gewonnen Erkenntnissen werden dazu führen, dass sich das Produkt gegenüber der Ursprungsidee verändert. Typisch ist auch, dass bereits die ersten Produktversionen Kunden zur Anwendung übergeben und nur wo nötig gezielt weiterentwickelt werden. Mit unternehmerischem Flair werden Aspekte der Ur-Idee, die viel gekostet hätten, aber nicht vermisst werden, werden weggelassen. Das Ergebnis ist ein Produkt, welches nach wenigen Sprints das Kundenbedürfnis trifft und damit den grössten Teil der erwarteten Wirkung entfaltet. Das Team stoppt zufrieden die Entwicklung und setzt die nächste Idee um.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine erfolgreiche digitale Transformation, welche auch die Entwicklung des agilem Mindsets abdeckt.

 

 

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Matthias Meyer

Matthias Meyer ist Digitalisierer bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und bloggt aus dem Unterricht des CAS Digital Business Innovation. In seinen Vorhaben nutzt er sein agiles Mindset, geprägt von verschiedenen «Lean Start-up»-Erfahrungen, um unternehmerisch agierend, freudvoll zu digitalisieren. Dabei fällt ihm immer wieder auf, wie bei grossen Transformationsvorhaben die notwendige Entwicklung der Mitarbeiter*innen in Bezug auf das agile Mindset aussen vor bleibt. Eine verpasste Chance, wie er findet.

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