Kann das Home Office den Wohnungsmangel eliminieren?

Firmen können Ihre Mitarbeitenden nicht mehr halten, ohne das Arbeiten im Home Office zuzulassen. Das könnte dazu führen, dass das Home Office den Wohnungsmangel in Schweizer Grossstädten zumindest lindert – wenn die Politik mitspielt.

Seit Jahren wird der Satz durch alle Zeitungen getrieben: Fachkräftemangel. Der Fachkräftemangel Index Schweiz der Universität Zürich erreicht im Jahr 2023 einen Wert von über 190 – dies entspricht einer fast 100%igen Steigerung gegenüber dem Ursprungsjahr 2015. Besonders brisant ist der Mangel in der IT-Branche, wo massenhaft Entwickler, Analysten und Architekten von Software Anwendungen gesucht sind. Trotz einigen grösseren Umstrukturierungen bei grossen Unternehmungen (Sprich: viele Leute wurden entlassen), ist die Nachfrage im IT-Markt ungebrochen.

Dies ermöglicht den IT-Fachleuten im Bewerbungsprozess viele Möglichkeiten, und dies äussert sich primär nicht nur durch den Lohn, sondern auch durch das Fordern von grösserer Flexibilität beim Auswählen des Arbeitsortes. Es ist ihnen nicht zu verübeln, schliesslich hat die Corona Krise eindrücklich gezeigt, dass die meisten Arbeitnehmenden genauso effizient von zu Hause aus arbeiten, wie im Büro. Gerade im Dienstleistungssektor, wo Arbeitnehmende nun mal Stunden über Stunden vor dem PC-Bildschirm verbringen, ist es eher irrelevant, wo dieser Bildschirm genau steht – vorausgesetzt man hat ein funktionierendes Internet. Dazu kommt, dass viele Firmen sich die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden gross auf die Fahne schreiben. Laut Bundesamt für Statistik pendeln Herr und Frau Schweizer durchschnittlich ca. 60 Minuten pro Tag. Das sind 60 Minuten, welche für Sport, für die Freizeit oder die Familie genutzt werden können. Wieso also dieses Zückerchen verwehren?

Ein gutes Gegenargument ist sicherlich: Bürostandorte sind ein Biotop für die Firmenkultur. Eine gute Firmenkultur führt zu einem Gefühl von Verbundenheit zum Arbeitgeber, man «gehört» dazu. Nachgewiesenermassen verlassen Leute ein Unternehmen viel schneller, wenn sie sich nicht zugehörig fühlen. Gerade im IT-Sektor, wo auch zuhauf Kreativität und gutes Zusammenarbeiten zum Erfolg führen, ist es hinderlich, wenn Projektteams sich nur selten treffen. Wenn agil nach Scrum gearbeitet wird, ist laufende, digitale Kommunikation ungleich wichtiger als im Büro, wo man dem Kollegen auch einfach kurz was zurufen kann. In diesen schnellen, oft spontanen Interaktionen versteckt sich der grosse Mehrwert der Agilität. Viele Projektteams setzen daher Daily Meetings an, um diesem Mangel an Interaktion innerhalb des Teams entgegenzuwirken, aber das reicht nicht aus.

Was muss ich als Firma machen?

Es ist nicht ganz einfach, als Firma die idealen Voraussetzungen fürs Home Office zu schaffen. Die Firmenkultur muss das erlauben, die IT-Ausstattung stark und sicher sein und die digitalen Kooperationstools müssen greifen. Auch Mitarbeitende müssen sich zuhause gut einrichten. Ein Bildschirm, eine Tastatur, ein Headset und eine Maus müssen hardwareseitig vorhanden sein, dazu kommt eine stabile und gute Internetverbindung. Was aber noch viel wichtiger ist, ist dass man tatsächlich zuhause auch konzentriert arbeiten kann. Gerade jungen Familien fällt das schwer: Studien zeigen bei Eltern mit Kindern unter 12 Jahren selbst eingeschätzte Produktivitätsverluste und ein erhöhtes Stresslevel. Es setzt ein Lagerkoller ein, der natürlich weniger akut ist, wenn man mal die eigenen vier Wände verlassen kann. Es bietet sich als Arbeitgeber daher an, das Home Office zwar anzubieten, aber nicht zu 100% und nicht in jeder Situation.

Chance für die Politik

Wenn ich als Firma nun aber 200 Angestellte an einem Standort habe, hätte ich früher ein Büro mit 200 Arbeitsplätzen bereitstellen müssen. Wenn diese 200 aber nur jeden zweiten Tag im Büro sind, kann ich mit intelligenter Planung so Büromieten sparen. Büroflächen Leerstände sind in der Schweiz momentan so hoch wie nie. Auch Top-Standorte mitten in der Innenstadt werden leergelassen, teilweise obwohl sogar Miete bezahlt wird. Der Bezug ist für die Firmen zu teuer und sie brauchen die Fläche schlicht nicht. Gleichzeitig brauchen Arbeitnehmende zuhause mehr Wohnfläche gerade wegen des Home Offices und in den meisten Schweizer Grossstädten herrscht ein akuter Wohnungsmangel. Man würde meinen, da liesse sich was umnutzen. Die Politik sollte jetzt handeln und die Baugesetze und Zonierungsordnung stärker der Nachfrage ausrichten. Denn das Home Office wird nicht verschwinden.

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Oliver Gfeller

Oliver Gfeller ist Head of Bid & Proposal Management Switzerland bei der adesso Schweiz AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS Business Intelligence and Analytics der Hochschule Luzern.

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