Zur E-ID: wie steht es eigentlich um die «doppelte Interoperabilität»?

In der Schweiz müssen Politik und Technologie zusammen am gleichen Strick und in dieselbe Richtung ziehen, um der zukünftigen elektronischen Identität für die Bevölkerung den entscheidenden Erfolg zu ermöglichen.

Die Schweiz versucht gerade einen neuen Schritt in der digitalen Transformation: mit einer durch den Bund herausgegebenen und damit staatlich bestätigten digitalen Identität, der E-ID, für alle dazu berechtigten Einwohnerinnen und Einwohner soll die Grundlage für medienbruchfreie online Anwendungsfälle im öffentlichen und privaten Sektor entstehen.

So weit, so interessant. Eine essenzielle Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung und skalierende Nutzung im zweiten Anlauf – der erste scheiterte am 7. März 2021 an der Urne – wird die landläufig bezeichnete «Interoperabilität» sein: der durchgängige, hürdenfreie Austausch von Daten. Konkret von Identitätsattributen der nutzenden Personen zwischen den unterschiedlichen Informationssystemen der verschiedenen angeschlossenen Organisationen, sprich Betreiber der technischen Vertrauensinfrastruktur oder den darauf aufsetzenden Diensteanbietern von digitalen Geschäftsmöglichkeiten, wenn immer es die nutzende Person mit ihrer Anfrage erfordert. Die unterschiedlichen Akteure in diesem Zusammenspiel bilden gemeinsam ein Ökosystem, im vorliegenden Fall das neue digitale E-ID Ökosystem für die Schweiz.

Wieso eigentlich «doppelte Interoperabilität»? Typischerweise verstehen wir unter der Interoperabilität sofort eine technische Anforderung, die durchgängige «end-to-end» Datenverarbeitung. Im vorliegenden Kontext die einwandfreie Verarbeitung der E-ID bei allen vorgesehenen und angeschlossenen Teilnehmern im digitalen Ökosystem, automatisiert und technisch reibungslos.

Doch damit nicht genug: es braucht neben der technischen Funktionalität noch eine weitere, eben «doppelte» Interoperabilität. Diese zusätzliche Interoperabilität muss die gegenseitige Anerkennung der digitalen Identitäten zwischen der Schweiz und der Welt sicherstellen! Zumindest für ausgewählte Teile der Welt, mindestens für unsere Nachbarn und in Europa, benötigen wir auch die politische, rechtliche Interoperabilität!

Wie die Schweiz arbeitet auch die Europäische Union an der digitalen Identität für ihre Bürgerinnen und Bürger. Wie die Schweiz ein umfassendes digitales E-ID Ökosystem anstrebt, strebt auch die EU ihr «eID» Ökosystem an – für alle ihre derzeit 27 Mitgliedsstaaten. Daneben lancierte der einzige Nicht-EU Nachbarstaat der Schweiz, das Fürstentum Liechtenstein, bereits im 2020 die digitale Identität «eID.li» für ihre Einwohnerinnen und Einwohner – mit Erfolg!

Es liegt daher nahe sicherzustellen, dass die neuen staatlich bestätigten digitalen Identitäten nicht nur technisch und möglichst universell in vielen Anwendungsbereichen, sondern vor allem auch grenzüberschreitend ihre Wirkung entfalten können. Entlang des Internet bon mots «digital ist global» sollte eine wirkungsorientierte, medienbruchfreie Nutzung staatlich bestätigter digitaler «Ausweise» über nationale Grenzen hinweg selbstverständlich sein. Erst dann werden die traditionell eng verwobenen und stetig gewachsenen gesell- und wirtschaftlichen Banden zwischen geografischen Nachbarn und ihren digitalen Ökosystemen hürdenfrei nutzbar.

Zum Jahresbeginn 2024 steht die Schweiz mit der doppelten Interoperabilität zur E-ID vor fundamentalen Weichenstellungen: die laufende öffentliche Konsultation zu zwei Technologievarianten wird die technische Interoperabilität stützen («Variante A»), oder riskieren («Variante B»). Der anschliessende Richtungsentscheid zu den Varianten entscheidet über die technische Interoperabilität.

Der Ende November 2023 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum Gesetzesentwurf (E-ID Gesetz, BGEID), welcher mit der internationalen Anerkennung der E-ID auf die rechtliche, politische Interoperabilität abzielt. Ob im Zuge der parlamentarischen Beratungen diese Formulierung so übernommen, und falls ja, der Bundesrat diese dann auch tatsächlich anstrebt bzw. bilateral entsprechend ausgeführt wird, kann erst viel später die Zukunft zeigen.

So steht es aktuell um die «doppelte» Interoperabilität: Entscheidendes ist offen, und die Antworten, Entscheide und Handlungen werden zeigen, ob wir uns einmal mit der E-ID nicht nur in der Schweiz online ausweisen, oder mit dieser auch grenzüberschreitende digitale Ökosysteme miteinander verbinden können. Erst dann erschliessen wir nämlich mit der E-ID das Potenzial der digitalen Transformation umfassend und adäquat.

Weiterführende Links:

Themenfokus Schweiz:

https://www.eid.admin.ch/de

https://www.ejpd.admin.ch/bj/de/home/staat/gesetzgebung/staatliche-e-id.html

https://www.eid.admin.ch/de/konsultation-zum-technologie-entscheid-d

sowie aus aktuellem Anlass die Adresse des frischgebackenen BR Beat Jans zur E-ID (speziell seine Konklusion bzgl. Interoperabilität gegen Ende des Texts) am WEF in Davos vom 17. Januar 2014:
https://www.eid.admin.ch/de/grussbotschaft-von-bundesrat-beat-jans-zu-digitalen-infrastrukturen

Themenfokus EU:

https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/electronic-identification

https://www.european-digital-identity-regulation.com/

https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/eidas-regulation

 

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Marcel M. Samstag

Marcel M. Samstag ist Digital Strategist bei der SBB AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS Digital Architect. Er bildet sich aktuell zu modernen Architekturprinzipen in der Informatik weiter und leitet bei der SBB strategische Initiativen, die sich mit der digitalen Transformation, digitalen Identitäten und digitalen Geschäftsfähigkeiten befassen. Seine Leidenschaft gilt der Befähigung von Unternehmen für die aktuellen Herausforderungen in den Bereichen Innovation, Transformation und Kollaboration sowie für den Wissenstransfer zwischen Praxis und Lehre in Bezug auf den digitalen Wandel.

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