“Datenschutz” vs. “Achtung der Privatsphäre”

Datenschutz ist im Gesetz verankert und in aller Munde. Die Privatsphäre bleibt jedoch beinahe ungeschützt. Das ist schade. Denn eigentlich stützt sich das Datenschutzgesetz auf ein Grundrecht in der Bundesverfassung zur Achtung der Privatsphäre.

Das Thema ist für die meisten sehr theoretisch, abstrakt und meist sogar lästig. Ja, “ich akzeptiere cookies”. Ja, ich akzeptiere eure kilometerlange Datenschutzbestimmung. (… und habe diese natürlich nicht nur gelesen, sondern auch studiert und verstanden.)

Bekanntlich unterscheidet sich der Mensch vom Tier hauptsächlich durch die Länge seiner Ausreden. Gehen wir der Sache auf den Grund. Um das Problem zu veranschaulichen, hier eine Kurzgeschichte:

Die Familie sitzt zuhause beim Abendessen. Sie essen, reden und lachen. Nebenan auf ihrem Sofa sitzt ein Polizist, der alle Gespräche mithört, und minutiös Buch darüber führt, wer mit wem redet. Zusätzlich dokumentiert er die Uhrzeit des Gesprächs, die Namen der beteiligten Gesprächspartner und die Art des Tonfalls. Falls er Verdacht schöpft, zückt er blitzschnell sein Diktiergerät und zeichnet das Gespräch auf.

Neben ihm auf dem Sofa sitzt eine Mitarbeiterin der Molkerei. Sie notiert das der Vater soeben ein Stück Käse in den Mund geschoben hat und er das offensichtlich geniesst. Sie will es genau wissen, geht zum Esstisch und fragt den Vater ob Ihm der Käse geschmeckt hat und ob er diesen wieder kaufen würde. Und falls ja, ob er gleich ein Käseabo abschliessen möchte.

Ihr habt’s erahnt, es sitzen noch viele weitere Leute von den unterschiedlichsten Unternehmen auf dem Sofa und dokumentieren laufend, was die Familie so tut und lässt. Überhaupt geht es in diesem Wohnzimmer zu und her wie in einem Taubenschlag. Laufend kommen Leute aus aller Welt zu den Familienmitgliedern an den Esstisch. Sie Messen Puls und Blutdruck, zählen die Schritte von Esstisch zum Kühlschrank, bieten Produkte und Dienstleistungen an oder geben Verhaltens- und Lebenstipps. Es fallen Aussagen wie:

  • Lüften Sie Ihre Wohnung jetzt.

  • Sie haben zu hohen Blutdruck.

  • Übergewicht ist ungesund, ich kann Ihnen beim abnehmen helfen.

  • Reduzieren sie Ihren CO2 Ausstoss und essen Sie nicht so viel Fleisch.

  • Was Sie soeben gesagt haben ist politisch nicht korrekt.

  • Da Sie Käseliebhaber sind empfehle ich das Käsemesser für 19.90 Sfr. Im Aktionsangebot”.

Neben all den Beamten und Firmenvertretern die der Familie auf Schritt und tritt folgen hat sich nun auch noch eine Firma für Marketing und Produktplatzierung gleich ein Büro bei Ihnen zuhause eingerichtet. Von da aus werden die Geschäftsbeziehungen mit dem Polizisten, dem Vertreter der Molkerei und all den anderen Produktevertretern gepflegt und organisiert. Sie haben Mikrofone und Kameras in der Wohnung installiert, um auch dort ihre Dienste anzubieten, wo Mobiltelefon und Smartwatch nicht hinkommen. In diesem Büro sitzen gleich zwei Polizisten, einer aus der Schweiz und ein abgesannter von Amerika. Beide dokumentieren was in der Familie passiert.

– Ende –

Die Geschichte vermischt das Privatleben in den eigenen vier Wänden bewusst mit dem Privatleben in der elektronischen Welt. Diese Vermischung findet statt. Elektronische Dinge die als vernetzt, online oder Smart verkauft werden fallen in diese Kategorie. Bargeldloses Zahlen ebenso wie die Nutzung einer elektronischen ID oder Autobahnvignette.

Wie einleitend erwähnt, das Datenschutzgesetz stützt sich unter anderem auf folgenden Bundesverfassungsartikel:


Art. 13 Schutz der Privatsphäre
1 Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs.
2 Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten.

Schweizer Bürger haben also ein Recht auf die Achtung des Privat- und Familienlebens nicht nur in der eigenen Wohnung, sondern auch im Fernmeldeverkehr (u.A. Internet, Mail, Telefon). Trotzdem dürfen private Organisationen und Bundesorgane im elektronischen Raum beinahe uneingeschränkt und auch auf Vorrat Daten sammeln. Abgesehen von der staatlichen Überwachung haben betroffene Personen manchmal Wahlfreiheit und können die Datensammlung ablehnen. In anderen Situationen wird man um Zustimmung gefragt, hat aber de-facto keine Wahl weil man sonst keine Arbeitsstelle kriegt oder eine Weiterbildung nicht absolvieren kann.

Folgerung

Was vor gut zehn Jahren im Rahmen der Enthüllungen von Edward Snowden noch für einen kurzen Medienaufschrei gesorgt hat, ist heute bereits gesetzlich verankerte Legalität.

Heute, im Jahr 2024, ist Privatsphäre im digitalen Raum leider nicht erhältlich. Die Staaten erweitern laufend Ihre Rechte zur Massenüberwachung. Wer nicht überwacht werden will, kommt immer mehr unter Druck. Es gibt schon heute Restaurants, in denen es nicht mehr möglich ist, mit Bargeld zu bezahlen. Folglich weiss nicht nur das Restaurant, sondern auch Internetanbieter, Geheimdienst, Bank, Zahlungsabwickler und deren Dienstleister das du dort etwas konsumiert hast. Und das bleibt dann auch für Monate bis Jahre gespeichert. In diesem Beispiel mag das unbedenklich erscheinen. Gefährlich wird es, wenn Staat und staatsnahe Betriebe die Bürger dazu zwingen vernetzte Systeme zu verwenden und Alternativen abschaffen. Apps für Schulkinder, elektronische ID’s und Autobahnvignetten, elektronische Versicherungskarten und Patientendossiers, Öffentliche Einrichtungen welche amerikanische Cloud Dienste nutzen, … die Liste lässt sich beliebig erweitern.

Unternehmen nutzen diese Daten mit immer ausgefeilteren Methoden um die Leute um den Finger zu wickeln. Personendatenanalyse ist alleine im Silicon Valley ein Milliardengeschäft – seit Jahren. Wenn die Analyse des menschlichen Verhaltens so rentabel ist, muss demzufolge die Beeinflussung des Verhalten ebenfalls sehr effektiv sein. Wie unabhängig können unsere Gedanken und politischen Gesinnungen noch sein? Die sofortige Abwehrreaktion ist verlockend: «Ich bin kein Huhn in der Farm, Ich bin intelligent, selbstbestimmt und unabhängig in meinem denken und handeln.»

Quelle: https://pixabay.com/photos/chicken-farm-poultry-hen-livestock-4689310/

Was passiert, wenn der Rechtsstaat vorübergehend keiner mehr ist?

Notstand, Diktatur, Krieg. Wie verstecken wir uns? Wo flüchten wir hin? Wie schützen wir uns vor einer Diktatur welche die volle Kontrolle über den digitalen Raum sowie tiefgreifenden Einblick in unser Denken und Handeln hat?

Technik und digitale Dienstleistungen lassen sich privatsphärenfreundlich gestalten. Allerdings nur wenn dies vom Staat erlaubt und auch verlangt ist. Firmen können ihre Produkte bewerben und verkaufen ohne dabei höchst- sensitive Persönlichkeitsprofile aller potentiellen Kunden anzufertigen. Polizei und Geheimdienst kann ihren wertvollen Beitrag zur Sicherheit leisten ohne das die ganze Bevölkerung überwacht wird.

So könnten sich Bürger auch im elektronischen Raum bewegen ohne dabei laufend von In- und ausländischen Geheimdiensten sowie modern- digitalisierten Firmen überwacht und beeinflusst zu werden. Packen wir es an!

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Simon Gould

Simon Gould ist aktuell in der Rolle des Information Systems Security Manager bei einer Firma für Wirtschaftsprüfung, Steuern, Beratung und bloggt für das CAS DPO.

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