Das Problem der Agilität bei Multis

Agilität ist aktuell eines der beliebtesten Trendwörter überhaupt in der Wirtschaft. Firmen nutzen dieses Argument unter anderem, um sich attraktiv darzustellen und gute Fachkräfte anzulocken. Bei internationalen Grosskonzernen, auch Multis genannt, wirken agile Arbeitsweisen aber teils wie der Versuch ein grosses Passagierflugzeug wie einen Kampfjet zu manövrieren. Die Hindernisse sind vielfältig.

Gemäss Statista.com gibt es etwa 1‘700 Grossunternehmen in der Schweiz, viele davon mit Standorten weltweit. In Zeiten von „War for Talent“ müssen sich Firmen von ihrer besten Seite zeigen, um an gute Fachkräfte zu kommen. Es gilt sich auf dem Arbeitsmarkt als moderner Player zu präsentieren wo zeitgemässe Methoden gelebt werden. Viele verkaufen sich gerne als Organisation, die eine agile Arbeitsweise hat oder ein solches Umfeld anbietet. Doch nicht immer ist das in der Verpackung drin, was draufsteht.

 

Arbeiten über Zeitzonen (Quelle: Pixabay.com)

 

Grundlegende organisatorische Schwierigkeiten

Üblicherweise bringt ein multinationales Unternehmen komplexe Strukturen mit sich, sowohl organisatorisch wie auch in der IT-Landschaft. Globale Teams müssen über verschiedene Zeitzonen miteinander arbeiten, was zu Verzögerungen führt wenn Kollegen nur begrenzt erreichbar sind. Teils sind IT Funktionen in Billiglohnländer ausgelagert. Da scheitern Aufgaben manchmal nur schon an der Kommunikation oder es kann richtig lange dauern bis ein kleines Problem gelöst ist. Das sind keine idealen Voraussetzungen für ein agiles Umfeld.

Eine weitere Schwierigkeit ist Personalfluktuation. Egal ob Kündigung oder Beförderung, da verpasst man es oft rechtzeitig Ressourcen aufzubauen und Leute frühestmöglich zu schulen. Arbeitsprozesse sind meist schlecht dokumentiert und so besteht die Gefahr, dass viel Fachwissen verloren geht bei Veränderungen. Ein Nachfolger*in steht schnell unter Druck in agilen Teams, wenn die Kenntnisse noch unzureichend sind.

Das führt zur nächsten Herausforderung, die Abhängigkeit von langjährigen und erfahrenen Kräften. Mitarbeiter*innen welche die Prozesse und ihre Geschichte gut kennen, sind oft überlastet oder zu teuer um überall eingesetzt zu werden. Ihr Beitrag wäre aber wichtig, um ein agiles Umfeld zu fördern. Ohne ihr Know-how hängt manchmal die Arbeit ganzer Projektgruppen fest.

 

Die Systemlandschaft als eine Baustelle (Quelle: Unsplash.com)

Das Systemmonster

Bei Multinationalen Firmen ist es normal, dass es viele IT-Applikationen gibt. Die Übersicht zu behalten ist eine Herausforderung. Die Firmen wachsen, die Prozesse und die IT-Landschaft wachsen irgendwie mit. Dies kann viele Projekte oder agile Mannschaften aufblähen. Je nach Firmenbereich, Prozess, Region oder Software müssen andere Expert*innen in Teams herbeigezogen werden. Für agiles Arbeiten ist das nicht förderlich.

Des Weiteren werfen alte Programme einen grossen Schatten. Oft hat man vor langer Zeit individuelle Lösungswege für kleinere Probleme erstellt. Diese kann kaum mehr einer nachvollziehen. Beispiele sind manuelle Eingriffe weil eine Funktionalität in einem System nicht da war, oder extra massgeschneiderte Lösungen die man nicht loswird. Das Festhalten an solchen Legacy Systemen schränkt Reaktionszeit und Flexibilität ein und ist ein weiterer negativer Einflussfaktor auf die Agilität einer Unternehmung.

 

Hoffnungsschimmer am Horizont

Es ist jedoch keine hoffnungslose Mission für Multis auf Agilität zu setzen. Der Fakt, dass ein Grosskonzern gewillt ist agile Methoden zu adaptieren ist ein erster wichtiger Schritt. Noch wichtiger ist es, vorher Agilität als Denk- und Verhaltensweise zu verstehen.

Agilität ist eine Einstellung die eben auch schnell fehlverstanden werden kann. Es ist nicht agil, wenn Prioritäten häufig wechseln oder Mitarbeiter*innen über fünf verschiedene Kommunikationskanäle kontaktiert werden können.

Es ist unabdingbar, dass diese Änderung als Kulturwandel angenommen wird, auch in der obersten Etage. Für die erfolgreiche Umsetzung muss viel Zeit und auch Geld eingeplant werden, aber Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.

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Gabor Borka

Gabor Borka ist als Process Development Manager bei der Firma Sandvik tätig und bloggt aus dem Unterricht des CAS IT Management & Agile Transformation.

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