«Einfache Sprache» und ChatGPT: wird das was?

Man nimmt die eigene Firmen-Website oder eine Briefvorlage und lässt diese gratis und schnell von ChatGPT vereinfachen. Das Ergebnis ist so gut, dass der Text direkt publiziert werden kann. Die «Einfache Sprache» wird zum Use Case für die künstliche Intelligenz von OpenAI…  – nur eine Wunschvorstellung oder schon Realität?

Nach einigen solchen Versuchen mit geschäftlichen Texten lautet mein Fazit: Die Realität ist leider ernüchternd. Die Vorteile von ChatGPT – es soll Zeit sparen und kostet nichts – kommen für diesen Anwendungsfall nicht zum Tragen. Die Textresultate sind einfacher und kürzer, enthalten aber nicht mehr alle wichtigen Informationen und sind dadurch weniger präzise, teilweise sogar falsch. Eine Supervision und Nachkorrektur der Texte ist zwingend nötig, sonst macht man sich im Geschäftsumfeld damit keinen Gefallen. Die erhoffte Ersparnis an Arbeitsaufwand erreicht man deshalb nicht.

Warum ist «Einfache Sprache» wichtig?

Im Geschäftsalltag tendieren wir dazu, mit unserem Fachwissen die Seriosität und Wichtigkeit unserer Dienstleistungen zu unterstreichen. Dies führt leider oft dazu, dass wir einen professionellen Tunnelblick entwickeln und aus dieser Sichtweise mit unserer Kundschaft kommunizieren. Mit den Texten, die wir da der Klientel zumuten, strapazieren wir arg deren Geduld und erreichen genau das Gegenteil des Gewünschten. In der Kursbeschreibung «Einfache Sprache» – Vorzüge und Leitlinien» des MAZ (der Schweizer Journalistenschule) steht denn auch:

«Wer in Einfacher Sprache kommuniziert, erhöht nachweislich das Vertrauen der Leserschaft, da man bewusst auf einen elitären, bürokratischen oder distanziert wirkenden Ton verzichtet.»

Dabei ist es wichtig, einen Unterschied zu machen zwischen der «Leichten Sprache», welche sich an kognitiv eingeschränkte Menschen richtet und einem strikten Regelwerk folgt und der «Einfachen Sprache» von welcher wir hier sprechen.

Die 7 Merkmale der «Einfachen Sprache» gemäss Multisprech sind:

1.   Kurze Wörter
  • lange Wörter vermeiden
  • zusammengesetzte Wörter möglichst auflösen oder Bindestriche (soweit üblich) setzen
2.   Verständliche Wörter
  • Grundwortschatz
  • möglichst keine Abkürzungen
  • keine Fachbegriffe oder Fremdwörter
    (wenn nötig, erklären)
3.   Einfache Wortformen
  • starke Verben
    (statt Substantiv + schwaches Verb)
  • möglichst Aktiv statt Passiv
  • selten Konjunktiv
4.   Kurze Sätze mit einfacher Struktur
  • etwa bis 15 Wörter pro Satz
    (selten bis 20 Wörter)
  • möglichst Subjekt – Prädikat – Objekt
  • höchstens ein Nebensatz
  • kein Schachtelsatz
5.   Übersichtlicher Text
  • logisch aufgebaut
  • in kleine Absätze untergliedert
  • mit Zwischenüberschriften und Hervorhebungen
6.   Gut lesbare Schrift
  • serifenlose Buchstaben
  • Schrift größer als üblich
  • große Zeilenabstände
7.   Deutliche Bilder
  • Fotos und Zeichnungen, die zum Text passen

 

Die umformulierten Texte sollen lesbarer sein, leichter verständlich für unsere Kundschaft und weniger Fachbegriffe enthalten.

Warum könnte das ein Use Case für ChatGPT sein?

Die künstliche Intelligenz von OpenAI ist für Sprachaufgaben gemacht und liefert Zusammenfassungen quasi auf Knopfdruck. Sie ist frei verfügbar – die Erreichbarkeit ist aber wegen Überlastungen oft nicht gewährleistet. Kleiner Hinweis: Es soll eine Premiumversion lanciert werden, welche Abhilfe schafft (siehe z.B.: Blogbeitrag von Niklas Lewanczik). Diese Pro-Version wird vermutlich 42 USD pro Monat kosten, das sagt der Schweizer Social Media Unternehmer Roger L. Basler de Roca in seinem Beitrag.

Wenn ChatGPT erreichbar ist (die kostenlose Version), kommt man mit nur zwei Schritten zu einem Textergebnis in «Einfacher Sprache»:

1. Schritt

«Nutze folgende Merkmale der Einfachen Sprache um Texte zu vereinfachen:  <Merkmale 1-5 gemäss Multisprech ergänzen>»

Printscreen aus ChatGPT-Verlauf (Bildquelle: Sandra Stoop-Prinz)

2. Schritt

«Schreibe folgenden Text in «Einfache Sprache» um und kürze ihn soweit es geht: <kopierten Text einfügen>»

Printscreen aus ChatGPT-Verlauf (Bildquelle: Sandra Stoop-Prinz)

 

Welche Ergebnisse erzielt man?

Die Resultate kann man – kurz zusammengefasst – so beschreiben:

  • kürzer = ja
  • weniger Fachbegriffe = ja
  • lesbarer = naja
  • sind präzise und wichtige Informationen alle enthalten = nein

Gewisse Formulierungen von ChatGPT sind sogar schlichtweg falsch und bergen Konfliktpotential: so wurde in einem meiner Versuche der Begriff «Invalidität» ersetzt mit «Behinderung». Das ist ein klares NoGo in meiner Branche.

Genau aus diesen Gründen bin ich zum Schluss gekommen:

Eine Supervision und Nachkorrektur der Texte ist zwingend nötig, sonst macht man sich im Geschäftsumfeld damit keinen Gefallen. Die erhoffte Ersparnis an Arbeitsaufwand erreicht man deshalb nicht.

Es bleibt der Lichtblick für die Zukunft, denn die künstliche Intelligenz von OpenAI wird rasant dazu lernen. Vergleichbare Textaufgaben auf Englisch (Stichwort: plain language) kann sie heute schon mit besserem Resultat lösen als auf Deutsch.

Das Schreiben von Texten in «Einfacher Sprache» wird also noch eine Weile ein gut investierter, aber persönlicher Arbeitsaufwand bleiben. Oder man integriert eine spezialisierte KI, wie die von capito.eu und lässt sich von Experten weiterhelfen.

 

Weiterführende Links zum Thema:

Kurs der MAZ – die Schweizer Journalistenschule: «Einfache Sprache» – Vorzüge und Leitlinien

Infoportal Einfache Sprache – Gute Beispiele, Fachbeiträge, ABC der Einfachen Sprache

Roger L. Basler de Roca auf Linkedin – Weitere Beiträge zum Thema KI  und Anwendungsfälle

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Sandra Stoop-Prinz

Sandra Stoop-Prinz ist als IT-Fitnesscoach / Office Support bei der SVA Aargau (Sozialversicherungen Aargau) tätig und bloggt aus dem Unterricht des CAS Digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung. Sie vermittelt an der Schnittstelle zwischen Anwendern und den Informatik-Spezialisten und begleitet Digitalisierungsprozesse.

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