Verständnis für exponentielle Zahlen als Grundlage der Digitalisierung

Die Digitalisierung ist von exponentiellen Entwicklungen geprägt. Neue Technologien scheinen zu Beginn Ihres Daseins oft lange vor sich hinzudümpeln, bevor diese dann plötzlich in ungeahnter Geschwindigkeit durch das exponentielle Wachstum adaptiert werden. Uns überraschen solche schnellen und scheinbar unerwarteten Durchbrüche jedes Mal aufs Neue. Doch warum tun wir uns so schwer mit dem Verständnis für exponentielle Zahlen und Kurven?

Warum exponentielles Denken in der Digitalisierung unabdingbar ist

Fast alle neuen Technologien und Digitalen Geschäftsmodelle, welche sich mittelfristig durchsetzen, folgen einer exponentiellen Wachstumskurve. Beispiele hierfür sind Facebook, Uber, das iPhone oder die Digitalkamera. Diese Kurve ist jedoch am Anfang kaum als solche zu erkennen, da das Wachstum zu Beginn auf tiefem Niveau stattfindet und oftmals sogar flacher als lineares Wachstum verläuft. Dies erweckt in uns den Anschein die neue Technologie scheint sich nicht durchsetzen und wir verpassen den richtigen Moment darauf zu setzen. Doch gerade in der Digitalisierung müssen wir umdecken und unser Gehirn überlisten, um bewusst anders zu denken. Ansonsten unterschätzen wir systematisch den Einfluss von neuen Technologien oder unsere digitalen Mitbewerber.

Das Prinzip Seerose

Ein bekanntes Beispiel aus der Mathematik, welches oft zur Erklärung von exponentiellem Wachstum herbeigezogen wird, ist das Prinzip Seerose: Auf einem Teich blüht eine Seerose. Sie hat die wundersame Eigenschaft, über Nacht einen Nachkommen zu zeugen, ohne selbst zu verblühen. Einen Tag nach ihrer Entdeckung blühen also zwei Seerosen. Beide verdoppeln sich wieder über Nacht und somit gibt es am zweiten Tag nach der Entdeckung bereits 4 Seerosen und so weiter. Nach 48 Tagen ist der Teich vollständig mit Seerosen bedeckt. Wie viel Tage hat es gedauert, bis der Teich zur Hälfte bedeckt war? Die Antwort liegt auf der Hand: „Die Seerosen brauchen 48 Tage, um den Teich vollständig zu bedecken, also brauchen sie für die Hälfte auch die Hälfte der Zeit, also 24 Tage.“ Diese lineare Antwort ist falsch. Da sich die Anzahl der Seerosen jeden Tag verdoppelt, ist der Teich erst einen Tag vor der vollständigen Bedeckung zur Hälfte bedeckt, sprich an Tag 47.

Es gibt viele weitere Beispiele, wie exponentielle Zahlen unser tägliches Leben beeinflusst: die Berechnung des Zinseszinses, die Verbreitung von Viren oder das globale Bevölkerungswachstum.

Warum wir uns schwertun?

Das menschliche Gehirn ist schlecht darin Exponentialfunktionen zu verstehen. Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman beschreibt in seinem Buch „Thinking, Fast and Slow“ zwei Systeme des Denkens. „System 1“ ist schnell, instinktiv und emotional; „System 2“ ist langsamer, überlegter und logischer. Im System 1 laufen Prozesse automatisch und meist ohne bewusste Kontrolle ab, wie beispielsweise beim Fahrradfahren. Auf der anderen Seite stehen die System 2 Prozesse. Dinge die wir nicht automatisch machen und für die wir uns anstrengen müssen. Ein Beispiel hierfür wäre eine komplexe Rechnung zu lösen. Bei diesem Prozess verbraucht das Gehirn jedoch wesentlich mehr Energie. Daher versuchen wir, wenn immer möglich, Fragen mit einem effizienten System 1 Prozess zu beantworten. Lineare Kurven sind genau solche System 1 Prozesse. Instinktiv würde der System 1 Prozess die Seerosen Frage mit 24 Tagen beantworten. Sie erscheint auf den ersten Blick einleuchtend: Halber Teich bedeckt; Hälfte der Tage. Exponentielle Kurven dagegen erfordern energieaufwändige System 2 Prozesse. Aus diesem Grund versuchen wir auch Zukunftsprognosen instinktiv mit einer linearen Kurve zu beantworten, was in der heutigen Zeit, in Bezug auf Technologie, jedoch meist falsch ist.

Aufruf

Wenn Sie das nächste Mal über Technologien stolpern, welche schon länger am Markt sind und sich dabei nicht richtig zu adaptieren scheinen, und sie instinktiv denken «Das scheint sich wohl nicht durchzusetzen», erinnern Sie sich an die Seerosen. Exponentielles Wachstum sieht lange aus wie lineares Wachstum. Die sich scheinbar nicht durchzusetzende Technologie könnte die Chance sein ihrem Unternehmen in der Digitalisierung den entscheidenden Vorteil zu verschaffen. Und wenn Sie das nächste Mal Ihren digitalen Mitbewerber belächeln, dessen Wachstumszahlen sich nur sehr langsam entwickeln, denken Sie an die Seerosen und halten Sie sich vor Augen, dass Ihr eigenes Geschäft, wenn Sie nicht innovativ bleiben, auch schon bald einer Kurve in der entgegengesetzten Richtung folgen könnte. Der Blick in die Vergangenheit zeigt auch hier einige eindrückliche Beispiele wie beispielsweise Kodak, Nokia oder das Windows Phone.

Weiterführende Links zum Thema

https://de.wikipedia.org/wiki/Exponentielles_Wachstum

https://de.wikipedia.org/wiki/Schnelles_Denken,_langsames_Denken

https://www.3sat.de/wissen/wissenschaftsdoku/211216-sendung-wido-100.html

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Marc Zimmermann

Marc Zimmermann ist Team Leader Strategic Sales Consulting bei der UMB AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS Digital Business Innovation. Er berät seit vielen Jahren Kunden zur Adaption von Cloud und den Auswirkungen von Technologie auf die Organisation und das Geschäft.

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