Ohne Affinität für’s Digitale – keine digitale Transformation!?

Bei staatlichen Behörden steckt der Prozess der Digitalisierung immer noch in Kinderschuhen. Wie andere Branchen gezeigt haben, wird für eine Transformation von solchem Ausmass ein hoher Druck von aussen benötigt. Offensichtlich hat der Druck seitens Politik nicht ausgereicht. Die neue Generation der Dienstleistungsbezüger muss übernehmen, namentlich Digital Nativs.

Eine Kollegin erzählte mir jüngst, dass auf ihrer Arbeitsstelle wichtige Dokumente verloren gegangen seien. Konkret handelte es sich um eine Akte in Papierform, welche Originaldokumente enthielt und nur in physischer Form vorhanden war. Digital wurden die Dokumente auch nicht gesichert. Selbstredend war dann auch klar, dass eine Neu- oder Wiederbeschaffung der Akten in nützlicher Frist unmöglich ist.
Man könnte jetzt meinen, dass solche Situationen in der heutigen Zeit nicht mehr existieren. Doch falsch gedacht! Gerade bei staatlichen Institutionen steckt der Prozess der Digitalisierung noch in Kinderschuhen.
Zu dieser Erkenntnis kam auch schon Herr Carlo Dietiker, bis 2017 Vizedirektor beim Bundesamt für Informatik und Telekommunikation BIT, am 12.01.2018 mit dem Blog-Beitrag «Die Schweizer Verwaltung auf dem (steinigen) Weg der Digitalisierung». Umso mehr erstaunt, dass sich über drei Jahre später, was schon fast eine Ewigkeit im Zeitalter der Digitalisierung bedeutet, nichts Spürbares geändert hat. Ergo drängt sich die Frage auf: Ist es überhaupt möglich, eine digitale Transformation vorzunehmen, ohne dabei eine Affinität für’s Digitale zu haben?

Nur unter Druck entstehen Diamanten
Sofort drängt sich mir eine Analogie in der Automobilbranche auf. Elektroautos wurden jahrelang als realitätsfremd verspottet und letztlich als Träumerei abgetan. Plötzlich war Tesla da! Ein IT-Mogul machte aus Träumerei Realität: Der Startschuss für das Zeitalter der Elektroautos ist erfolgt. Die Panik unter den Automobilherstellern war gross, als sie realisierten, dass sie aus ihrer alteingesessenen Branche herausgeschmissen würden, falls sie nicht unverzüglich auf diesen Zug der Elektromobilität aufspringen würden. Und der Rest ist Geschichte.
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Alteingesessenes, wie die analoge Verwaltung von Behörden, höchstwahrscheinlich nur einen Entwicklungssprung macht, wenn der Druck von aussen gross genug ist.

Das Volk – der Treiber für disruptive Technologien
Was bedeutet Druck von aussen für eine Behörde? Ungleich der Automobilbranche gibt es bei Behörden kaum Konkurrenz. Aus diesem Grund muss der Druck anderweitig erzeugt werden. Bekanntlich wäre dafür die Regierung beziehungsweise Politik zuständig. Offensichtlich gelingt es ihr bis dato aber nicht. Vielleicht ist es an der Zeit, dass die Nutzerschaft den behördlichen Dienstleistungen den nötigen Schub verleiht. Konkret ist die Digital Nativ Generation gemeint.

Das Unvermeidliche
Die Digital Nativ Generation kann nur teilweise oder gar nicht mehr mit konventionellen Medien umgehen. Ihr Anteil wird jedoch von Tag zu Tag grösser in unserer Gesellschaft. Einerseits wird es immer schwieriger sein, die Kluft zwischen den veralteten Behörden und der neuen Generation von Dienstleistungsbezügern zu kompensieren. Andererseits werden die Mitarbeiter*innen dieser Behörden auch mehr und mehr aus dieser Generation stammend sein. So wird der äussere Druck auch vom internen Kulturwandel unterstützt.
Offen bleibt, ob diese Entwicklung beschleunigt werden kann oder wir uns in Geduld üben müssen und die Zeit das Change Management übernehmen wird.

 

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David Brunner

David Brunner ist Programm-Manager bei Güdel AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS IT Management & Agile Transformation.

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