Sicherheit/Gerechtigkeit vs. Privatsphäre im Strassenverkehr

Das Bundesgericht kommt zum gleichen Schluss wie der Datenschutzbeauftragte des Bundes: Dashcam-Aufnahmen sind grundsätzlich datenschutzwidrig und sind nicht in jedem Fall als Beweismittel zulässig.

Sie sind im Schweizer Strassenverkehr immer populärer: sogenannte Dashcams. Aufnahmen von Dashcams können bei Verkehrsvorfällen wertvolle Hinweise auf deren Ablauf und das Verhalten der daran Beteiligten geben und damit zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen.

Der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Adrian Lobsiger, zeigte sich bereits seit längerem besorgt über die «Bürgerüberwachung» auf den Strassen durch sogenannte Dashcam-Hilfssheriffs, wie er gegenüber der SRF-Rundschau äusserte. Gemäss seiner Homepage, (www.edoeb.admin.ch) gelten die Dashcam-Aufnahmen als Bearbeiten von Personendaten, wenn auf den Aufnahmen Personen oder Fahrzeugkennzeichen erkennbar sind, weshalb die allgemeinen Bearbeitungsgrundsätze des Datenschutzgesetzes beachtet werden müssen.

Bis anhin war die Rechtslage bezüglich der Verwertbarkeit solcher Dashcam-Aufnahmen in Gerichtsverfahren unklar. Es gab Richter und Staatsanwälte, die Dashcam-Videos als Beweismittel für die Sachverhaltsaufklärung von schweren Delikten befürworteten. Das Kantonsgericht Schwyz hingegen kam zum Schluss, dass eine intransparente Datenbeschaffung nur mit grosser Zurückhaltung als rechtmässig angenommen werden dürfe (Urteil STK 2017 1 vom 20. Juni 2017) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung höher zu gewichten sei, als die Strafverfolgung einer groben Verkehrsverletzung.

Bundesgericht schafft Rechtssicherheit

Das Bundesgericht musste sich letzten Herbst dieser Frage annehmen. Sie kamen in Übereinstimmung mit dem EDÖB zum Schluss, dass die Erstellung von Videoaufnahmen aus einem Fahrzeug heraus für andere Verkehrsteilnehmende nicht ohne weiteres erkennbar sei und die Datenbearbeitung damit heimlich im Sinne von Art. 4 Abs. 4 DSG erfolge (BGer 6B_1188/2018 vom 26.09.2019, Erw. 3.2.). Damit die Datenbearbeitung trotzdem zulässig bzw. nicht widerrechtlich sei, brauche es einen Rechtfertigungsgrund gemäss Art. 13 Abs. 1 DSG, namentlich ein überwiegendes öffentliches Interesse.

Überwiegendes öffentliches Interesse als Rechtfertigungsgrund

In dem vom Bundesgericht zu beurteilendem Fall ging es um grobe Verkehrsregelverletzungen, konkret um ungenügender Abstand sowie Rechtsüberholen mit konkreter Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Dieses Verhalten wurde vom Bundesgericht nicht als eine schwerwiegende Straftat im Sinne eines Verbrechens eingestuft. Das Vorliegen eines überwiegende öffentliche Interesse und damit eines Rechtfertigungsgrundes wurde verneint. Stellt sich somit die Frage, wann ein überwiegendes öffentliches Interesse denn gegeben ist. Eine grobe Verkehrsregelverletzung beinhaltet per Definition eine «ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer» (Art. 90 Abs. 2 SVG). Es darf somit zu Recht hinterfragt werden, ob die Haltung des Bundesgerichts gerade im Hinblick auf die immer strenger werdende Tendenz im Strassenverkehr (u.a. Via Sicura) vertretbar ist. Sollten bei Vorfällen, die namentlich eine Drittgefährdung beinhalten, das öffentliche Interesse an Sicherheit bzw. Gerechtigkeit die damit verbundene Persönlichkeitsverletzung des Einzelnen nicht überwiegen?

Unter dem zu revidierten Datenschutzgesetz bleibt die Ausgangslage die Gleiche. Wir dürfen gespannt sein, wie das öffentliche Interesse zukünftig ausgelegt wird.

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Alexander Lauterburg

Alexander Lauterburg arbeitet bei der SBB AG als Legal Counsel und bloggt als Gastautor aus dem Unterricht des CAS Data Privacy Officer.

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