In Zeiten von VUCA, BANI und Fachkräftemangel sind sich Unternehmen inzwischen einig: Mitarbeitende sind ihre wichtigste Ressource. Gleichzeitig führen Entscheidungsträger*innen bei der Digitalen Transformation in erster Linie neue Technologien ein, während der Faktor Mensch in den Hintergrund rückt. Mit einem Richtungswechsel gehören in Zukunft gescheiterte Digitalisierungsprojekte, lange Gesichter im Topmanagement und Löcher in der Kasse der Vergangenheit an.
Neue Technologien entwickeln sich exponentiell und das rasante Tempo wird zum Normalzustand. In der Folge verändern sich Märkte in einem noch nie dagewesenen Ausmass und Unternehmen sind gefordert, wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei lassen sich Entscheidungsträger*innen oft von einem rein technologischen Blick auf die Digitalisierung leiten und verkennen die vielschichtigen Auswirkungen auf die Organisation, deren Kultur und die Mitarbeitenden.
Dies hat zur Folge, dass viele digitale Initiativen misslingen oder nicht das volle Potenzial entfalten. Die Ökonomin Tsedal Neely sieht den Menschen als Hauptgrund für dieses Scheitern und die Unternehmenskultur als grösstes Hindernis. Eine 2022 von Dell veröffentlichte Studie bestätigt Neely’s Hypothese. So finden 61% der Befragten in der Schweiz, dass Unternehmen nicht wissen, wie die digitale Transformation innerhalb der Belegschaft vorangetrieben werden soll. Zwei Drittel sind zudem der Meinung, dass Mitarbeitendenbedürfnisse zu wenig in die Planung einfliessen.
Ein Wechsel der Herangehensweise bei Digitalisierungsprojekten scheint angezeigt und der stärkere Fokus auf Mitarbeitende sowie die Unternehmenskultur lösungsweisend. Die digitale Transformation gilt es als Kulturwandel zu verstehen. Erklärtes Ziel ist der digitale Mindset: Neue Denk- und Handlungsweisen, aufgelöste Silos, gelebte Vernetzung und Kollaboration und der positive Umgang mit Fehlern. Welche Aspekte eine tragende Rolle spielen, zeigt die nachfolgende Liste:
1. Mitarbeitende sind Wissensträger*innen
Niemand verfügt über mehr Expertise in einem bestimmten Bereich als die zuständigen Mitarbeitenden. Zuzuhören und die bisherige Arbeit wertzuschätzen, lohnt sich. Gleichzeitig führt der gemeinsame Dialog zu mehr gegenseitigem Verständnis und Vertrauen.
2. Partizipation und Kommunikation sorgen für Akzeptanz
Der zeitnahe, rollen- und funktionsbasierte Einbezug aller Betroffenen sorgt für Akzeptanz. Sinnvolle Partizipationsmöglichkeiten, transparente Kommunikation und konsistente Botschaften sind vertrauensfördernd und gilt es über den gesamten Projektverlauf aufrecht zu erhalten.
3. Veränderungsbereitschaft bildet die Basis
Stetige Veränderungen gehören zur Arbeits- und Lebensrealität. Dies kann Ängste, Unsicherheiten und Blockaden auslösen. Veränderung bedeutet zudem, eigene Muster und Haltungen zu hinterfragen. Wer den Wandel in einen grösseren Kontext stellt und als Chance für Wachstum und Entwicklung betrachtet, stärkt automatisch die Veränderungsbereitschaft.
4. Wissen ist Trumpf
„A Fool with a Tool, is still a Fool“: Neue Technologien bringen noch keine Verbesserung. Steht die künftige Anwendung im Widerspruch zur bisherigen Arbeitspraxis, gilt es prozessuale und organisationale Fragestellungen zeitnah zu klären. Hinzu kommen der Anwendergruppe angepasste Trainings und Support-Angebote.
5. Die Kultur als Game Changer
„Culture eats Strategy for Breakfast“ ist nach wie vor brandaktuell. Eine starke Unternehmenskultur mit ausgeprägten Handlungsmaximen ist so lange begrüssenswert, wie sie die Veränderung unterstützt. Ist dies nicht der Fall, sind Unternehmen gut beraten, sich zeitnah um den Kulturwandel zu kümmern.
Digitale Transformation – Quo Vadis?
Wohin die Reise führen soll, zeigt der deutsche Wirtschaftshistoriker Klemens Skibicki. Als Idealantwort auf die Herausforderungen der Digitalen Transformation sieht er Unternehmen der Zukunft als „spontan emergente Organisationen“ – soziale Systeme, welche sich von Traditionen, Kulturen und Werten lösen können und sich durch ihre Mitglieder ständig verändern.
Weiterführende Links zum Thema
- Dell Breakthrough-Studie 2022
- Höbig, M. & Kubsch, C. (2020). Die Entwicklung eines agilen Mindsets in Unternehmen als Basis für organisationale Agilität. In M. Dahm & S. Thode (Hrsg.). Digitale Transformation in der Unternehmenspraxis. Mindset – Leadership – Akteure – Technologien (S. 8 – 10). Wiesbaden: Springer Gabler
- Reinecke, S. & Krüger, T. (2021). Kulturwandel: Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für die digitale Transformation. In G. Mau, M. Schweizer & C. Oriet (Hrsg.). Multisensorik im stationären Handel. Grundlagen und Praxis der kundenzentrierten Filialgestaltung (S. 471 – 477). Wiesbaden: Springer Gabler
- Reinhardt, K. (2020). Digitale Transformation der Organisation. Grundlagen, Praktiken und Praxisbeispiele der digitalen Unternehmensentwicklung. Wiesbaden: Springer Gabler
- Skibicki, K. (2020). Das DJ-Prinzip des Managements. Handlungsorientiertes Wissen für Führen und Entscheiden im digital vernetzten Zeitalter. Wiesbaden: Springer Gabler
- Uhl, A. & Loretan, S. (2019). Die Bedeutung der Digitalen Transformation für Schweizer KMUs. In A. Uhl & S. Loretan (Hrsg.). Digitalisierung in der Praxis. So schaffen KMU den Weg in die Zukunft (S. 1 – 15). Wiesbaden: Springer Vieweg