Digitalisierung – Chancen und Risiken für kognitiv Beeinträchtigte

Bereits heute sind die Arbeitnehmenden durch die Digitalisierung tagtäglich stark gefordert. Doch wie schaffen es Menschen, welche kognitiv beeinträchtigt sind, ebenfalls die Integration in den ersten Arbeitsmarkt? Steht ihnen die Digitalisierung im Weg oder hilft sie ihnen?

Jeden Tag werden wir in der Arbeitswelt mit neuen technischen Hilfsmitteln, Systemen und Veränderungen in Prozessen konfrontiert. Themen, die für Arbeitnehmenden ohne IV-Verfügung, schon lange zu den normalen Herausforderungen zählen. Im Zeitalter der Digitalisierung müssen wir stets flexibel bleiben und auf neue Gegebenheiten reagieren können. Doch es braucht Kraft, damit wir uns in der Flut der Neuerungen und Veränderungen zurechtfinden. Einigen gelingt dies sehr gut, andere tun sich schwer. Doch wie ist dies für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung, welche im Alltag Unterstützung benötigen? Wie schaffen sie es, in dieser sich immer schneller verändernden Welt zurecht zu finden?

Auch kognitiv beeinträchtige Menschen verspüren den Wunsch, im ersten Arbeitsmarkt tätig sein zu können. Mit einer Arbeitsstelle im ersten Arbeitsmarkt sind Teilhabe, Inklusion und Partizipation möglich. Oftmals sind beeinträchtige Menschen auf Grund ihrer Voraussetzungen auf Strukturen und Routinen angewiesen. Diese geben Sicherheit und Orientierung und ermöglichen es, selbständig und selbstbestimmt agieren zu können. Heute arbeiten kognitiv beeinträchtige Menschen oft im zweiten Arbeitsmarkt in Institutionen mit Werkstätten und führen einfache handwerkliche Arbeiten aus.

Doch der digitale Arbeitsmarkt verlangt neue Fähigkeiten. Insbesondere sind die Anpassungsfähigkeit, das Lernen, die Zusammenarbeit in selbstorganisierten oder projektbezogenen Teams und der Umgang mit neuen Tools elementar. Zudem zeigen verschiedene Studien, dass sich die Arbeitswelt und die Berufsbilder stark verändern werden. Auch verlagern sich Tätigkeiten. Insbesondere Routinebeschäftigungen werden reduziert und verschieben sich hin zu kognitiv fordernden Berufen. Diese Voraussetzungen unterstützen eine Integration von kognitiv beeinträchtigen Menschen im ersten Arbeitsmarkt nicht.

Eine Integration im ersten Arbeitsmarkt ist dennoch, trotz dem angebrochenen Zeitalter der Digitalisierung, möglich. Schon heute gibt es zahlreiche positive Praxisbeispiele, welche aufzeigen, dass dies realistisch ist und erfolgreich sein kann.

Die Arbeiten verändern sich jedoch für alle, auch für kognitiv beeinträchtige Menschen. Insbesondere für diese Menschen können sich die Arbeiten weg von rein handwerklichen Tätigkeiten hin zu Arbeiten, wo noch der persönliche Kontakt zählt verschieben. Dies ist im ersten wie im zweiten Arbeitsmarkt der Fall. Deshalb gilt für die Zukunft, dass alle für veränderte oder neue Tätigkeiten offen und neugierig bleiben sollten – soweit dies einem selbst möglich ist. Die Digitalisierung ist Tatsache, doch der Mensch bleibt ein soziales, emphatisches Wesen und braucht den persönlichen Kontakt.

Für ein gutes Gelingen für beide Parteien sind zusätzlich aber gegenseitiges Verständnis, Geduld und Vertrauen elementar. Für Stiftungen, welche beeinträchtige Menschen im ersten Arbeitsmarkt begleiten, heisst das im Umkehrschluss, dass sie den Fokus noch stärker auf ein gutes und starkes Beziehungsnetz mit Partnerbetrieben legen sollten. Denn nur konstante, stabile Beziehungen, welche auf gegenseitigem Vertrauen basieren, führen zur Bereitschaft, Arbeitsplätze für eine Integration von kognitiv Beeinträchtigten zu ermöglichen.

Wir alle müssen offen und neugierig bleiben. Nicht nur für neue Arbeitsformen oder neue Tools – sondern ganz speziell auch für Menschen, welche nicht unseren Erwartungen entsprechen und vielleicht etwas mehr Verständnis und Unterstützung im Arbeitsalltag benötigen.

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Maja Stucki

Maja Stucki ist Geschäftsbereichsleiterin Service Center bei der Stiftung Züriwerk und bloggt aus dem Unterricht des CAS Chief Digital Officer.

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