Digitalisierung und neue Arbeitsmethoden als Chance für Berggebiete

Die peripheren Berggebiete im Alpenraum kämpfen seit Jahren mit der Abwanderung der heimischen Bevölkerung. Mit der schrumpfenden Bevölkerung schwindet das Dorfleben und die Attraktivität des Dorfes als Wohnort. Neue Arbeitsformen bringen Chancen, um die urbane Bevölkerung in die Berge zu locken, was den Ortschaften wieder Leben einhaucht. Warum im grauen, nebligen, städtischen Umfeld arbeiten, wenn der Arbeitsplatz genauso zwischen blauem Himmel und Feriengefühl sein kann?

Viele Bergregionen, unteranderem die Alpinen Tourismuszentren und der periphere ländlicher Raum, kämpfen seit Jahren mit der Abwanderung der heimischen Bevölkerung. Die Menschen zieht es in die Metropolräume, Agglomerationen und übrigen städtischen Gemeinden. Dort finden sie berufliche Perspektiven oder Ausbildungsangebote. Mit der abnehmenden Wohnbevölkerung nimmt die Standortqualität der jeweiligen Ortschaft ab, was die Abwanderung in attraktivere Regionen weiter begünstigt – ein Teufelskreis.

 

Abb.1: regiosuisse-Raumtypologie in der Schweiz nach Gemeinde
Quelle: regiosuisse, Die regionalwirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz, Monitoringbericht 2016

Die Digitalisierung als Chance

Die Corona-Pandemie hat der Arbeitswelt einen riesigen Schub in die Digitalisierung beschert. Von heute auf Morgen mussten Unternehmen auf Homeoffice und Video-Calls umstellen. Für gewisse teilweise komplettes Neuland. Diese Entwicklung hat neue, hybride Arbeitsformen hervorgebracht, welche eine riesige Chance für Berggebiete sein kann. Die neuen Arbeitsformen, oder «New Work» sind grundsätzlich auf die Enträumlichung zurückzuführen. Es spielt keine Rolle mehr, ob ein Mitarbeiter einen fixen Arbeitsplatz hat. New Work bietet die Möglichkeit von überall zu arbeiten, den alles findet virtuell statt – Sitzungen per Video-Call, Dokumente im Cloud Speicher, Server mit Remote-Zugriff etc.

Coworking-Spaces […] könnten der
Grundversorgung angegliedert werden.

(NRP und Digitalisierung, S. 37, 2018)

Die Entstehung der neuen Arbeitsformen hat das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO in Ihrem Bericht über die «Neue Regionalpolitik und Digitalisierung» aufgenommen. Im Bericht wird die Wirkung von neuen Arbeitsmethoden auf Randregionen beschrieben, unteranderem die Chance von Coworking-Spaces. «Durch diese neuen Möglichkeiten würden Erwerbspersonen zunehmend örtlich und zeitlich flexibel. Coworking-Spaces seien zentral in Randregionen, sie könnten der Grundversorgung (z.B. Kita, Einkaufsladen etc.) angegliedert werden und dezentrale Zentren entstehen lassen.»
Betreibt eine Gemeinde einen Coworking-Space, so bietet sie örtlich flexiblen Erwerbstätigen einen Arbeitsplatz – und im optimalsten Fall, ein neuen Wohnort.

Zweitheimische als Chance

In der Corona-Pandemie gab es einen Boom im Verkauf von Zweitwohnungen in Berggebieten. Die Gründe sind vielseitig, wobei die meisten wohl während des Lockdowns aus den vollen, städtischen Gebieten fliehen wollten und sich ein Refugium in den Bergen leisteten. Homeoffice direkt aus der Ferienwohnung – warum auch nicht? Für die Berggebiete und deren Wohnqualität rückt der Standortfaktor ins Zentrum:

  • Hohe Lebensqualität (wenig Verkehr, kein Stau)
  • Zahlreiche Freizeitangebote (Wintersport, Wandern etc.)
  • Besonderheiten der Landschaft (Berge, Wälder, Seen)

Wirken Zweitwohnungsbesitzer, oder «Zweitheimische» aktiv im Dorfleben mit, kann dies zur Steigerung der Standortqualität beitragen. Gar nicht auszudenken was passieren würden, wenn z.B. mehrere Zweitheimische miteinander kooperieren und eine Kindertagesstätte gründen, wovon auch die Einheimischen profitieren. Die Wirkung wäre wahrscheinlich enorm.

Angebote als Chance für den Tourismus

Für Remote-Worker die sich keine Ferienwohnung leisten können, gibt es diverse Angebote, um ebenfalls die Vorzüge der Bergwelt zu geniessen. Laax bietet in der Bergstation Crap Sogn Gion mit der GALAAXY Bridge ein Coworking-Space auf 2252 m.ü.M. Neu gibt es sogenannte «Workations», eine Mischung aus «Work» und «Vacation». Packages können bei diversen Anbietern gebucht werden, auch für Gruppen, z.B. bei Antbirds im abgelegenen Mathon GR. Gewisse Tourismusdestinationen werben bereits mit den Vorteilen von Homeoffice in den Ferienregionen, wie z.B. die Ferienregion Val Surses Savognin Bivio.

Durch die Digitalisierung entstehen für die Berggebiete in vielerlei Hinsicht Chancen. Diese gilt es nun zu nutzen! Dies setzt aber auch voraus, dass die Infrastruktur rund um das Thema Digitalisierung und neue Arbeitsmethoden den Bedürfnissen der Remote-Worker entspricht. Dies wäre dann aber ein Thema für einen nächsten Blogbeitrag.

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Philippe Weibel

Philippe Weibel ist Leiter Digital bei der Tourismus Savognin Bivio Albula AG und bloggt aus dem CAS Chief Digital Officer an der HSLU in Rotkreuz. Schon sein halbes Leben wohnt der ursprüngliche Zürcher im grössten und schönsten Kanton der Schweiz und möchte diesen auch nicht mehr verlassen. Graubünden als seinen Arbeits- und Wohnort zu haben, ist für ihn ein absolutes Privileg.

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