Ein eigenentwickelter Lösungsansatz eines Reifegradmodells erweist sich hierbei als einfach und effektiv in der Anwendung. Er führt zu einer aktiven Diskussion im Unternehmen und erlaubt eine zeitnahe Beurteilung der digitalen Fitness wie auch der Handlungsschwerpunkte. Weiterführende Erkenntnisse können gewonnen und Massnahmen zur Optimierung eingeleitet werden.
Die Herausforderungen eines Digital Officer‘s
Als neuer Digital Officer im Unternehmen liegt der Wunsch nahe, rasch eine erste Einschätzung zur Maturität resp. zum Reifegrad der Digitalen Transformation beim Arbeitgeber zu erhalten. Dies nicht nur mit Blick auf die strategischen Ziele, sondern insbesondere auf die Beurteilung des operativen Geschäfts. Innerhalb nützlicher Frist soll erkannt werden, wo Handlungsbedarf besteht und wo in erster Priorität (sofort) Massnahmen zu treffen sind, mit dem Ziel, zeitnah handeln zu können und Raum für Vorbereitungen von umfassenden Vorhaben und Projekten zu schaffen. In Fachbüchern und der Fachpresse findet man methodische Ansätze und Ratschläge für die Umsetzung. Die Fragen „Wie beurteile ich den operativen Reifegrad der Digitalen Transformation im Unternehmen?“ oder „Wie überprüfe ich die laufende Entwicklung der Digitalen Transformation?“ werden jedoch nur bedingt beantwortet.
Eigenentwicklung eines einfachen und dennoch effektiven Modells
Aufgrund mangelnder Alternativen entwickelte ich ein eigenes, unternehmensspezifisches Reifegradmodell. Die klassischen Handlungsebenen der Digitalen Transformation dienten mir dabei als Basis für den Aufbau. Diese befassen sich mit dem Menschen, der Organisation und der IT-Architektur, ergänzt mit den Kenntnissen über die Kunden und deren Bedürfnisse. Davon abgeleitet entstand eine Liste von Beurteilungskriterien. Als zweite Dimension dienten die Produktgruppen und Produkte der Organisationseinheiten (OE).
Die Abbildung 1 veranschaulicht das Modell und enthält weiterführende Beschreibungen zu den Kriterien. Die Skala zur Bewertung derselben unterteilt sich in fünf Stufen, von „nicht vorhanden“ bis „vollumfänglich vorhanden“. Die Ergebnisse der Beurteilung werden in einer Spider Grafik visualisiert.
In der Anwendung erfolgt eine Bewertung jedes Produktes respektive jeder Dienstleistung einer OE. Das Modell errechnet den Durchschnitt je Produktgruppe wie auch für die gesamte Organisationseinheit. Dieses Vorgehen wird auf sämtliche Produkte und Dienstleistungen aller Organisationseinheiten angewandt und in einer Gesamtgrafik dargestellt. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass auch die internen Dienstleistungen wie beispielsweise die Finanz- und HR-Prozesse mitberücksichtigt und bewertet werden.
Lehrreiche Erkenntnisse einer ersten Anwendung im Unternehmen
Die Beurteilung der Produkte und Dienstleistungen fand im September 2020 während einem Zeitraum von zwei bis drei Wochen statt. Zu Beginn erhielten die Leitenden der Organisationseinheiten eine detaillierte Einführung in das Modell. Diese beurteilten daraufhin, zusammen mit ihrem jeweiligen Führungsteam, die Produkte und Dienstleistungen ihrer OE.
Mit der Durchführung der Umfrage startete gleichzeitig eine aktive, unternehmensweite Auseinandersetzung mit den Themen „Digitalisierung“ und „Digitale Transformation“. Die intensiven Diskussionen unter den Mitarbeitenden und die Auswertung der Resultate der Umfrage zeigten ein heterogenes Verständnis der Begriff auf. In der Folge erarbeiteten die Beteiligten an Workshops ein gemeinsames Verständnis für die Themen und erstellten eine einheitliche Definition für die unterschiedlichen Begriffe.
Eine weitere Auffälligkeit betreffen die unterschiedlichen Bewertungen der Produkte und Produktgruppen. Hier konnte ein Zusammenhang mit dem Regulierungsgraden der Produkte festgestellt werden. Tendenziell erhielten diejenigen mit einer hohen Regulierung eine bessere Bewertung als diejenigen mit einer geringen. Ein möglicher Grund dafür könnte der enge Spielraum für Innovationen bei den stark regulierten Produkten sein. Möglich erscheint auch der aufwändige und langwierige Prozess zur Änderung von Vorschriften und Verordnungen und damit einhergehend der beschränkte Handlungsspielraum bei der digitalen Transformation.
Das Reifegradmodell als ideale Basis für eine aktive Diskussion und rasche Umsetzung von ersten Massnahmen
Der gewählte Ansatz zur operativen Beurteilung des digitalen Reifegrades eines Unternehmens erlaubt eine zeitnahe Analyse, ermöglicht einen ersten Überblick mit geringem Ressourceneinsatz und initiiert rasch erste Projekte. Des Weiteren wird das Thema „Digitale Transformation“ von Beginn weg im gesamten Unternehmen aufgenommen, diskutiert und verfolgt. Weiterführende Erkenntnisse können gewonnen und analysiert sowie entsprechende Massnahmen zur Optimierung eingeleitet werden. Die periodische Durchführung der Reifegradbewertung zeigt zudem die Entwicklung der Digitalen Transformation im Unternehmen auf.