Wir schreiben das Jahr 2020. Die IT hat in den meisten Branchen und Unternehmen ihr Schattendasein hinter sich gelassen und ist zum prominenten Gesprächsthema auf Geschäftsleitungsebene geworden. Neue IT-Technologien überzeugen sogar den grössten Skeptiker, dass Digitalisierung eine gute Sache ist und helfen kann, das Unternehmen voranzubringen, oder vielleicht sogar ein notwendiger Schritt ist, um im Wettbewerb zu bestehen. Viele Unternehmen haben deshalb die Digitalisierung des Business als eines der Hauptziele in ihre Geschäftsstrategie aufgenommen, stellen dafür auch grössere Mengen an Investitionsmitteln zur Verfügung und hegen grosse Erwartungen an Effizienzsteigerung, Verbesserung der User Experience und Kostensenkung. Leider wird dabei oft nicht an die Folgekosten gedacht.
Digitalisierung kostet Geld – und zwar nicht nur einmalig
Die Kosten der IT setzen sich grob aus zwei Blöcken zusammen: Change und Run. Weiterentwicklungen bestehender IT-Anwendungen, Beschaffung neuer Technologien und Softwarelösungen sowie die Kosten aus Digitalisierungsprojekten fliessen als einmalige Kosten in den Change-Block ein. Diese Kosten sind meist gut planbar und, was viel wichtiger ist, nachvollziehbar und von der Geschäftsleitung akzeptiert.
Der Grossteil der IT-Kosten entsteht jedoch nicht im Change, sondern im Run: Jede Weiterentwicklung der IT-Landschaft eines Unternehmens hat i.d.R. wiederkehrende Kosten in Form von Service, Infrastruktur, Life-Cycle Management und Personal zur Folge. Das bedeutet, jeder Franken, der heute in Change investiert wird, hat einen direkten Impact auf die Run-Kosten der Folgejahre.
Zwar werden vereinzelte Projekte auch Optimierungen in der IT-Landschaft mit sich bringen, sodass Altlasten bereinigt und Legacy Systeme abgestellt werden können und dadurch gewisse Kosteneinsparungen im Run möglich sind. Solche «Clean-ups» bringen eine vorübergehende, jedoch nie eine nachhaltige Entlastung der IT-Kosten mit sich.
Trotz dieses leicht nachvollziehbaren Zusammenhangs haben es IT Führungen in der Regel schwer, wenn es um die Budgetplanung des neuen Geschäftsjahres geht. Denn da in der Geschäftsleitung das Verständnis für diesen Mechanismus fehlt, versucht die IT-Führung verzweifelt, ihre Budgetplanung ohne Mehrkosten zu gestalten, d.h. das IT-Budget über Jahre konstant zu halten. Was oft niemandem bewusst ist: Dieser Schuss geht unweigerlich nach hinten los. Sobald Change Projekte durchgeführt werden, steigen auch die zukünftigen Run-Kosten, was wiederum bedeutet, dass bei gleichbleibendem IT-Budget über die Jahre das für Change verfügbare Budget Jahr für Jahr abnimmt.
Die Digitalisierung bremst sich selbst aus.
Die IT Führung hat verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren:
- Sie setzt weiterhin die vom Business gewünschten Digitalisierungsprojekte um und kompensiert den Anstieg an Run Kosten, indem sie beispielsweise Servicekosten reduziert, Infrastruktur nicht erneuert und damit die Stabilität des Gesamtsystems gefährdet. Man schiebt Jahr für Jahr eine Bugwelle nicht getätigter Betriebs-Investitionen vor sich her, die irgendwann über einem zusammenbricht – mit ernsten Konsequenzen für das Unternehmen bis hin zur Existenzbedrohung.
- Sie setzt keine Change Projekte mehr um und konzentriert sich stattdessen darauf, eine gewartete und stabile IT-Umgebung bereitzustellen, aber ohne Entwicklungspotenzial.
- Sie schafft im Management das Bewusstsein für die Entwicklung der IT-Kosten und kommt auf diese Weise aus ihrer Rechtfertigungsposition heraus. Eine tragbare und nachhaltige Lösung für dieses Dilemma kann nur erreicht werden, indem das IT-Budget unter Berücksichtigung anstehender Projekte und der dadurch steigenden Run-Kosten jährlich angepasst wird – und zwar in den meisten Fällen nach oben.
Das grosse Ganze erkennen
Die hier beschriebene Situation deutet darauf hin, dass die IT leider oft noch als notwendiges Übel wahrgenommen wird, das viel Geld verschlingt. Dabei sollte genau die derzeitige Digitalisierungsbewegung ihren wahren Stellenwert klarmachen: Die IT ist nämlich längst weit mehr als eine reine Supportfunktion oder ein Dienstleister in einem Unternehmen, sondern hat sich zu einem Partner auf Augenhöhe entwickelt. Sie optimiert und automatisiert als Enabler Geschäftsprozesse, hat sich vielerorts sogar zur treibenden Kraft für Business-Innovation und Digitalisierungsbemühungen entwickelt und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Wertschöpfung eines Unternehmens. Aus diesem Grund muss die IT als ein Glied entlang der gesamten Wertschöpfungskette betrachtet werden. Ansätze zur Optimierung dieser Kette sollten sich auf die Gesamtheit aller Glieder beziehen, nicht nur auf das einzelne Glied IT.