Digitale Logistik – ein Wiederspruch!?

Die ganze Welt spricht von Digitalisierung von Geschäftsprozessen in der Supply Chain, von Industrie 4.0 und Logistik 4.0 – doch: wie sieht das in der Logistik wirklich aus? Kann Logistik überhaupt digital sein?

Bereits im grauen Vordigitailsierungszeitalter haben Norman Joseph Woodland und Bernard Silver die ersten Versuche mit Barcode-Technologien durchgeführt und im Jahre 1949 dazu ein Patent angemeldet. Das im Patentantrag aufgeführte Ziel für die Barcodes: Eindeutiges, maschinenlesbares Merkmal für Produkte im Supermarkt -> also in der Supply Chain!

Für Technik-Freaks: zu dieser Zeit wurden auch die ersten Patente für Halbleitertransistoren angemeldet – als die digitale Welt noch von Lochkarten-Maschinen und allenfalls Magnetkernspeichern geprägt war. Auch die in der Patentschrift beschriebene technische Apparatur für die Erkennung der Barcodes basierte auf Röhren-Elektronik.

Wo stehen wir heute?

Die heutigen Supply Chain Prozesse, von der Bestellung bis zur Lieferung, können ohne digitale Elemente gar nicht mehr funktionieren. Die Technologie macht immer weitere Fortschritte. Standardisierte EAN-Codes sind auf allen Produkten zu finden, an 2-D oder 3-D Barcodes haben wir uns schon lange gewöhnt und auch 4-D Codes existieren bereits. Sie können mikroklein, quasi unsichtbar und dennoch optisch lesbar sein oder in elektronischer Form, z.B. als RFID an oder in Produkten angebracht werden. Und jedes unserer Smartphones ist in der Lage, verschiedenste Arten von Barcodes zu lesen und zu interpretieren.

Die Supply Chain Prozesse laufen unter voller digitaler Kontrolle und mit Informations(über)fluss. Doch auch da, die physische Lieferung ist und bleibt noch ein physischer Prozess, zumindest solange es sich um ein anfassbares, „körperliches“ Produkt handelt.

Und morgen?

Der Fantasie sind fast keine Grenzen mehr gesetzt:

  • mit IoT und voll ausgebauten Datenautobahnen können in intelligenten Fabriken vollautomatisierte Produktionsprozesse ein Produkt von der Idee zum fertigen Produkt entstehen lassen
  • in der Ersatzteillogistik werden die benötigten Teile direkt vor Ort anhand von digitalen Daten nachproduziert
  • es entstehen spezifische, hochgradig personalisierte individuelle Produkte auf Knopfdruck gerade dort, wo sie momentan bestellt oder gebraucht werden, sogar Häuser werden vor Ort ausgedruckt
  • über Block Chain oder ähnliche technische Lösungen werden Nachweise, Zertifikate, Verzollung usw. in der Supply Chain voll digital abgewickelt

Doch, trotz all dieser „wundervollen“ Vorstellungen und Aussichten, braucht es in jedem dieser Fälle auch zwingend eine physische Logistik:

  • das Endprodukt aus der Fabrik muss zum Verbraucher transportiert werden
  • das Rohmaterial für die 3D-Drucker, sei es Kunststoff, Metall, Lebensmittel oder Beton, muss vor Ort gebracht werden
  • die Transporte und Zwischenlagerung in den verschiedenen Schritten der Logistikkette müssen physisch erfolgen

Und nicht zu vergessen: es braucht trotz Robotern, Drohnen, selbstfahrenden Autos und LKWs auch Menschen, die diese Logistik durchführen.

Ist eine Digitale Logistik also doch ein Wiederspruch?

Ja und nein. Wirkliche Digitale Logistik gibt es nur in ganz wenigen und noch sehr unbedeutenden Bereichen wie z.B. bei Ersatzteilen. Aber bezüglich der Digitalisierung gilt die Logistik als eine der ganz grossen Vorreiterinnen, wenn nicht sogar als die Pionierin. Und dennoch wird es wahrscheinlich noch Jahre dauern, bis physische Produkte digital von A nach B gebracht werden können…

Links zum Thema:
Erstes Barcode-Patent US2612994
Happy Birthday, Barcode – Medienmitteilung des GS1

Buch zum Thema:
E-Supply Chain Management – Grundlagen, Strategien, Praxisanwendungen – Axel Springer Verlag

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Daniel Schmid

Daniel Schmid ist Leiter Solution Design bei der Fastlog AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS Digital Business Innovation DBI9

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