Warum bin ich gegen Neues, chaotisch, introvertiert, neurotisch veranlagt, aber dennoch gesellschaftsfähig?

Dieser Titel ist nicht etwa die verzerrte Wahrnehmung meines Selbstbildes. Sondern eine mögliche algorithmische Interpretation meiner Persönlichkeit in der digitalen Welt. Berechnet aufgrund meiner täglichen Datenspuren, welche ich auf meinen Reisen im Cyberspace hinterlasse. Dieser Blogbeitrag beschäftigt sich mit Persönlichkeitsanalyse und Microtargeting.

Weshalb werden digitale Persönlichkeitsanalysen über mich erstellt?

Kommen Dir nachfolgende Situationen irgendwie bekannt vor:

  • Hast Du bei einer Online-Bestellung schon mal ein Buch zusätzlich gekauft, da es dir empfohlen wurde, weil andere Kunden mit ähnlichem Geschmack, dies auch gut fand. (Electronic Word-of-Mouth (eWOM)).
  • Hast Du auch mal Kleidungsstücke in den Warenkorb gelegt, da diese rein zufällig als Schnäppchen aufgetaucht sind und so deine Aufmerksamkeit erregt haben. (anstupsen, nudging).
  • Dir zusätzlich ein Upgrade und eine Reiseversicherung auf einem Flug gegönnt, weil man sich ja sonst nichts gönnt und immer etwas passieren kann (cross-selling).
  • Ist es auch schon vorgekommen, dass beim Abholen eines Mietautos, genau das Modell ausgebucht war, das Du mieten wolltest. Dir aber dann, ein komfortableres und grösseres Modell für einen geringen Aufpreis angeboten wurde (upselling).
  • Ein neues Parteiprogramm teilt mit Dir genau deine Befürchtungen und politischen Meinungen, obwohl Du von dieser Partei noch nie etwas gehört hast. (Sentiment-Analyse).

Diese Empfehlungen werden Dir nicht rein zufällig angeboten, sondern individuell passend zu deinem Persönlichkeitsprofil erstellt. Diese psychologisch ausgefeilten Techniken werden nicht nur zum Spass eingesetzt, weil es funktioniert, sondern um gezielt einen ökonomischen oder idealistischen Mehrwert zu erzielen. Was zu der Frage führt, wie weit sind diese „Empfehlungen“ moralisch vertretbar und legitim.

Betrachten wir diese Analysen aus betriebswirtschaftlicher Sicht, so handelt es sich um ein einwandfreies und legitimes Vorgehen. Aus den Big-Data-Bergen wird methodisch und in Kombination mit Vorgehen aus den Psychologiewissenschaften Kapital geschlagen.

Wie werden solche Persönlichkeitsanalysen erstellt?

Zum Beispiel mittels Microtargeting.

Diese Profiling-Methode stammt ursprünglich aus der Marktforschung. Sie fokussiert den einzelnen Kunden, um seine persönlichen Eigenschaften und aktuelle Lebenssituation zu analysieren – daraufhin wird dieser mit auf ihn zugeschnittener Wort- und Bildwahl angesprochen.

Eine praktische Anwendung hat erwiesenermassen das Microtargeting im  Wahlkampf erfahren. Mittlerweile nicht nur in den USA sondern auch weltweit, wird diese Methode eingesetzt um bestimmte Zielgruppen anzusprechen. Microtargeting ist auch in Europa und in der Schweiz ein Thema. Siehe dazu das Video vom 35C3 Computer-Chaos-Kongress.

Okay, von wo stammen die Informationen / Daten, um mich zu profilen?

Folgende Services und Apps eignen sich besonders gut, als Datengrundlage fürs Microtargeting, da sie viel über die Gefühlslage, Bedürfnisse und Charktereigenschaften des Konsumenten preisgeben: (Psychometrie und Sentimentanalysen) und im Normalfall personalisiert angeboten werden.

  • Film- und Musikauswahl (z. B. Netflix)
  • Suchabfragen (z. B. Google, Yahoo)
  • Bestellung beim Versandhändler (Bücher, Kleider, Haushaltsartikel), (z. B. Amazon, Zalando)
  • Likes auf Socialmedia, Tweets (z. B. Instagram, Facebook, Twitter)
  • Verbindungsdaten (z. B Telko-Provider, Internet-Provider)
  • Chats (z. B. Whatsup, Snapchat)
  • Online Medien, respektive die Auswahl der Artikel (z. B. Spiegel-Online, Blick.ch)

Ja, aber haben diese Firmen die Kompetenz, diese Daten wissenschaftlich auszuwerten!

Firmen wie Facebook und Google haben diese Ressourcen und sind darin führend, auch gibt es etliche spezialisierte Firmen / Agenturen wie z. B. Acxiom.com welche vorrangig von diesem Geschäftsmodell leben. Berühmtheit erlangte die Firma Cambridge Analytics, welche die mittels Facebook-Profil-Daten Microtargeting, für verschiedene Kunden betrieb. (siehe den Blog von Pascal Nellen)

Gemäss dieser Studie von 2015, kennt dich ein Social-Media Anbieter nach 70 Likes besser als deine Freunde. Nach 300 Likes sogar besser als dein Partner. Der heikle Punkt an dieser Tatsache ist eigentlich, dass dem Benutzer/-in gar nicht bewusst ist, welche Informationen er/sie über sich bekannt gibt. Während Beiträge oder Bilder im Internet markiert, bestimmte Bücher gelesen und bestellt werden, wird ein sogenannter „digitaler Zwilling“ erstellt wird. Mit Hilfe von BigData-Techniken werden die gewonnen Daten mit einer riesigen Referenzmenge validiert und so eine nie dagewesene Qualität der Resultate sicher gestellt.

Ist  Microtargeting überhaupt legal?

Es stellt sich die Frage, ob psychometrische Profile über uns erstellt werden dürfen, ohne unser Wissen . Einerseits wird implizit suggeriert, dass wir als Konsument/-in von Microtargeting einen grossen Nutzen ziehen, da wir Angebote und Informationen erhalten, welche für uns und unsere Lebenssituation relevant sind, ohne dass wir uns durch eine Informationsflut kämpfen müssen. Unser Benutzerverhalten wird gespeichert und mit einer riesigen Referenzgruppe verglichen und validiert um die verschiedenen Persönlichkeitsmerkmale wie, Ängstlichkeit, Gesellschaftsfähigkeit, Intelligenz, Hilfsbereitschaft, Persönlichkeitsstörung, politische – und sexuelle Präferenzen, Sozialstellung in Erfahrung zu bringen, ohne dass die betreffende Person etwas davon bemerkt.

Im Prinzip ist Microtargeting nur mit der Erlaubnis des Benutzers erlaubt. Diese Zustimmung erfolgt in den meisten Fällen beim Akzeptieren der AGB. Auch die Weitergabe der Daten an Dritte wird in den AGB geregelt. Jedoch kann meist der Service ohne die Zustimmung des Benutzers nicht verwendet werden. Die Datenschutzregelung im digitalen Wahlkampf wird in der Schweiz in einem Leitfaden des Eidg. Datenschutzbeauftragten festgehalten. Ein weiterer interessanter Bericht, welcher das Thema „Digitaler Wahlkampf mit BigData“ gut beschreibt kann hier gelesen werden.

Achtung! Wichtig! Unbedingt noch lesen..!.:

Übrigens …- Mit Vorliebe werden auch Blog-Beiträge gerne psychometrisch und per Sentimentanalyse ausgewertet, um Rückschlüsse auf den Autor zu ziehen – Deshalb ist dieser Blogbeitrag voll mit bestimmten Schlüsselwörtern und unterschwelligen persönlichen Aussagen gespickt !?!.. Willst Du mehr darüber erfahren?  Dann versuch einmal den von Service theysay.com 😉

Weiterführende Links

  • https://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/themenprofile/Themenkurzprofil-018.pdf
  • https://zemdg.de/2017/09/22/daten-alleine-gewinnen-keine-wahlen-eine-kritische-analyse-der-berichterstattung-zur-psychometrie-im-wahlkampf/
  • https://netzpolitik.org/2017/wahlkampf-in-der-grauzone-die-parteien-das-microtargeting-und-die-transparenz/

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Simon Burger

Simon Burger ist System-Engineer und IT-Consultant und bloggt aus dem Unterricht des CAS BDA6 (BigData)

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