Während früher die Babyboomer sich mittels Fleiss, angepasstem Verhalten und Opferbereitschaft (nicht nur für den dazumal überwiegend brotbringenden Mann) den hierarchischen Aufstieg und den damit verbundenen Status- wie auch Lohngewinn als selbstverständlich sahen, vermissen die Selbigen heute diesen Willen bei den Generationen Y & Z (Übersicht Generationstypen).
Ist die Hierarchie ein Auslaufmodell, da niemand mehr Aufsteigen will?
Die kommende „Kadergeneration“ erscheint den heutigen boomerischen Entscheider so,
als seien vor allem die jungen Professionals immer weniger dazu bereit, kurzfristige Opfer zu bringen, um langfristige Karriereziele zu erreichen. https://www.handelszeitung.ch/beruf/junge-arbeitnehmer-wollen-immer-mehr-work-life-balance-175692
Junge Berufstätige wollen ein zufriedenes Leben. Dazu gehört das Teilen von partnerschaftlicher wie familiären Care-Arbeit auf vier Schultern bei gleichzeitiger individueller Erfüllung in Freizeit und Job. Dies kann Führung beinhalten, muss aber nicht mehr.
Weiter gibt es noch ein interessantes, widersprüchliches Problem mit Führungskräften, gerade im IT-Management:
Durch die rasche technische Entwicklung wie AI oder Microservices oder wie auch immer mehr eingesetzte Innovationen bei Planungsmethoden wie Scrum oder SAFe wird vermehrt die Führung von Organisationseinheiten an junge Menschen übergeben, da man hofft, dass diese mit den notwendigen agilen und technischen Kompetenzen auf die Welt gekommen, zumindest sozialisiert geworden sind und so sich einen einfacheren und motivierten Change vom ganzen Team erhoffen.
Der Gedanke mag richtig sein. Doch zeigen Studien, dass es die älteren Teammitglieder in einer solchen Konstellation ihre Motivation abbauen.
Ist Hierarchie ein Auslaufmodell, weil Hierarchie demotiviert?
Das daraus resultierende Dilemma ist schwierig aufzulösen:
Entweder eine junge IT-Führungskraft (wenn den jemand gefunden wird) ernennen mit dem neuesten Wissen, oder einem erfahrenem Alten noch eine Chance geben, auch wenn dieser mit den Ansprüchen mit den jungen Mitarbeitenden eher schlecht umgehen kann.
Gerade Unternehmenskulturen, in denen eher ein patriarchischer bis partizipativer Führungsstil (nach Tannenbau & Schmitt) praktiziert und unbewusst als richtig empfindet, wird beim Führungsmodell „Vorgesetzter (Spricht mit der Stimme des Arbeitgebers)“ bleiben. Ein Vorgesetzter übernimmt scheinbar die Verantwortung über den nach der Entscheidung folgenden Erfolg oder Misserfolg. Mit all seinen Konsequenzen. Für den Vorgesetzen oder seine Untergebenen.
Ich denke, dass jeder Leser bereits eigene Geschichten zur Verteilung von Erfolg und Misserfolg kennt. Gerne seit Ihr eingeladen, diese im Kommentar weiter zu erzählen.
Doch gibt es Lösungen? Natürlich:
Weg von Funktionen hin zu Rollen
In der Informatik wurde früh erkannt, dass die klassischen Entscheidungs- und Planungsmodelle der immer schnelleren technologischen Entwicklung nicht mit halten kann. Als Antwort darauf wurde 2001 das „Manifest für Agile Softwareentwicklung“ aus der Taufe gehoben.
In den letzten 25 Jahren entstanden daraus eine Vielzahl von Modellen und Praktiken, wie Entscheidungen, Planung aber auch Personenführung im Agilen, oder besser, VUCA-Umfeld erfolgreich funktionieren kann – und zwar nicht nur in der IT-Branche oder -Abteilung.
Im Agilen Manifest wird von Rollen (z. B. Entwickler, Auftraggeber, Benutzer) gesprochen, von selbstorganisierten und -verbessernden Teams.
Dies heisst, die Verantwortung für den Unternehmenserfolg wird in kollaborative, sich selbst steuernde Menschengruppen gelegt. Dabei hat jedes Mitglied eine oder mehrere spezifische Rollen, die sicher stellt, dass mit dem Einsatz jeder Rolle die geforderte Wertschöpfung erbringt wird.
Mit Management wird ein einfacher Regelkreis am laufen gehalten, welcher sicher stellen soll, dass die Unternehmensziele erreicht werden:
Die heute zur Verfügung stehenden Tools (wie zum Beispiel die Agile Suite von Atlassian) lassen es zu, dass der Plan zur Umsetzung bis auf jede betroffene Rolle und den dazu gehörigen Menschen sichtbar gemacht werden kann, dieser mit anderen im Unternehmen beginnt umzusetzen, alle laufend die Wirkung checkt und gemeinsam an notwendigen Verbesserungen aktiv mitarbeitet. Die umgesetzten Verbesserungen fliessen wieder in den Plan ein und so weiter…
Alle relevanten Informationen für das Management von Wertschöpfungsketten sind heute Digital zugänglich und können rollenbasiert ausgewertet sowie aggregiert zur Verfügung gestellt werden. Die Unternehmensfunktion „Manager“ braucht es so nicht mehr.
Sogar auf Gesamtunternehmensebene gibt es Modelle wie Sociocracy 3.0, welche ohne Funktionen oder Hierarchie auskommen. Ein gutes Beispiel ist FREITAG.
Ist damit die Hierarchie nicht mehr notwendig?
Jein! Das Schweizerische Obligationenrecht oder Aktienrecht verlangt zwingend nach Personen, die bei unternehmerischen Gesetzesverstössen haftbar gemacht werden können.
Weiter ist es schwierig, von einem Eigentümer zu verlangen, dass er sich als oberster Entscheidungsträger vollständig zurück hält.
Trotzdem, diese Hürden können juristisch oder mit mitarbeiterbasierten Eigentumsmodellen überwunden werden.
Doch für den ganzen Rest sind Hierarchien mit einem Organigramm von oben nach unten nicht mehr notwendig.
Weltweit sind hierarchielose Unternehmen Vorbilder, das dies geht.