Die Schweizer Club- und Barszene steht vor grossen Herausforderungen: Die Jungen bleiben den traditionellen Nachtclubs zunehmend fern. Von Herzklopfen in verrauchten Kellern zu Herz-Emojis am Bildschirm – die Partyszene steht vor einer digitalen Revolution. Doch ob die Clubs diesen Wandel mitmachen bleibt fraglich.
In den verschiedenen Bar- und Clubkommissionen der Schweiz wird intensiv über ein brennendes Thema diskutiert: Besucher*innen unter 25 Jahren machen sich im Nachtleben immer rarer. Kulturlokale wie die «Kufa» in Lyss, das «Kapitel» in Bern oder das «Humbug» in Basel haben in den letzten Monaten auf ihre kritische Lage aufmerksam gemacht. Die Gründe für diesen Wandel sind vielfältig, doch besonders ins Gewicht fallen der Zeitdruck und die Entstehung neuer virtueller Sozialräume.
Soziale Medien als Zeitfresser
Laut einer aktuellen Studie der ZHAW beträgt die Smartphone Nutzungsdauer bei Schweizer Jugendlichen im Durchschnitt rund vier Stunden pro Tag. Hochgerechnet sind das 28 Stunden in der Woche – wertvolle Zeit, die früheren Generationen für andere Aktivitäten zur Verfügung stand. Statt stundenlang auf TikTok und Co. zu verweilen, hätten diese Stunden für Hausaufgaben, Einkäufe oder sonstige Erledigungen genutzt werden können.
So verschiebt sich der Tagesablauf und damit auch die Prioritäten. Wer am Samstagmorgen vier Stunden am Handy «verscrollt», muss dafür am Sonntagmorgen die Hausaufgaben erledigen. Party bis in die frühen Morgenstunden passt da nicht mehr ins Programm.
Herz-Emoji statt Herzklopfen
Gleichzeitig verändert sich auch die Art, wie soziale Kontakte geknüpft werden. Ein Like oder eine Reaktion auf eine Instagram-Story genügen, um ins Gespräch zu kommen. Und das alles in der gemütlichen Komfortzone auf dem heimischen Sofa. Warum also noch ins reale Getümmel stürzen, mit ungewissem Ausgang und möglichem Kater am nächsten Morgen, wenn online alles perfekt inszeniert werden kann?
Ignoriert die Clubszene digitale Trends?
Die Auswirkungen dieses sogenannten «Sofalizing» sind in den Nachtclubs deutlich spürbar. Die Digitalisierung hat das Verhalten der jungen Generation grundlegend verändert und obwohl die Zeichen der Zeit längst klar sind, bleibt die Branche zögerlich bei der digitalen Transformation. Dabei richtet sich die Schweizer Clubszene vor allem an Digital Natives, die aufgeschlossen und offen für digitale Veränderungen sind. Warum also hat eine Szene, die sonst für Flexibilität, Innovation und Kreativität steht, den Sprung auf den digitalen Zug noch nicht gewagt?
Die Gründe sind vielschichtig: Zum einen fehlen die jungen Menschen nicht nur als Gäste, sondern auch in den Leitungspositionen von Clubs. Neben dem Generationengap kommen auch die geringen finanziellen Spielräume hinzu: Hohe Fixkosten sowie geringe Margen lassen wenig Raum für teure Innovationen.
Virtuelle Clubs als neue Impulsgeber
Wie ein digitales Konzept aussehen könnte, zeigt ein Nachtclub auf der Plattform «VRChat». Auf der Plattform können User VR-Welten erstellen und mit anderen Menschen digital interagieren. Einer der bekanntesten virtuellen Nachtclubs auf VRChat heisst «Club AO», welcher ein immersives Erlebnis und Kennenlernen neuer Personen ermöglicht – alles bequem von zu Hause aus.
Das Programm vom Club AO zeichnet sich durch hybride Elemente aus. Regelmässig veranstaltet der Club Parties mit realen DJs, die mit VR-Equipment livestreamen. Besucher*innen des virtuellen Nachtclubs können dem DJ beim Live-Mixen zuhören und -sehen. Club AO ist als sozialer Raum konzipiert, in dem Freundschaften geschlossen werden können. Wie im realen Leben kann gegen Bezahlung Eintritt in einen VIP Bereich gekauft oder weitere Features freigeschaltet werden.
Das digitale Geschäftsmodell rechnet sich: Fixkosten entfallen und neue Möglichkeiten entstehen. Virtuelle Konzepte wie Club AO zeigen, wie die Clubszene den Anschluss halten könnte. Ob die Clubs diese Transformation annehmen oder wie sie sich der Herausforderung stellen wird sich zeigen.