Sie haben für Ihr Projekt bereits einen Implementierungspartner gefunden. Der arbeitet „agile“. Ihre Leute glauben, im Agilen sei eine Spezifikation überflüssig. Ohne Spezifikation kann man keinen Werkvertrag schliessen. Ihr Partner schlägt eine Vergütung nach Aufwand vor. Spätestens jetzt sollten die Alarmglocken klingeln. Es droht eine schwere Havarie im Projekt.
Bei agilem Vorgehen beteiligen Sie sich als Kunde an der Steuerung der Entwicklung. Sie haben mehr Einfluss auf das Ergebnis und mehr Flexibilität. Das bezahlen Sie mit höheren Risiken. Und die sollten Sie kennen.
Auch in agilen Vorgehensmodellen kommt zuerst die Spezifikation
Agile Methoden arbeiten in kurzen Zyklen, sogenannten Sprints. In einem Sprint spezifizieren Dienstleister und Kunde gemeinsam, was der Dienstleister im Folgesprint umsetzt. Diese technische Spezifikation wird parallel zur Entwicklung erstellt und nicht vorab in einer eigenen Projektphase. So lassen sich Fehler aus früheren Sprints in späteren vermeiden. Weil Kunde und Dienstleister gemeinsam spezifizieren, klären sie dabei Missverständnisse und finden bessere Lösungen.
Wenn die Spezifikation für den Folgesprint nicht fertig wird, dann wissen die Entwickler nicht, was sie tun sollen. Sie treffen falsche Annahmen. Oder sie arbeiten an unwichtigen Aufgaben.
Der Aufwand für die gemeinsame Spezifikation wird leicht unterschätzt. Ihr Projektpartner wird viele Fragen stellen und Unklarheiten aufdecken. Dann müssen Sie als Kunde rasch und verbindlich entscheiden.
- Planen Sie viel Zeit dafür!
- Bereiten Sie sich darauf vor, indem Sie vor Beginn der Zusammenarbeit eine Spezifikation erstellen.
Es gibt keine Abkürzung: auch in agilen Projekten müssen Kunden wissen, was sie wollen.
Steuerung heisst Fokussieren auf das Nötigste
Im agilen Jargon wird die absolute Minimallösung als «minimum viable product» bezeichnet, kurz MVP. Was zum MVP gehört, entscheidet die Kundenseite. Wer vor Beginn der Arbeit schon eine Spezifikation hat, kann darin auch das MVP definieren.
Sind sich in Ihrem Projekt alle über das MVP einig? In meinen Projekten haben wir das nie ganz geschafft.
Die Kundenseite legt fest, was zuerst gemeinsam spezifiziert und umgesetzt wird. Wenn Sie das MVP konsequent priorisieren, erhalten Sie früher ein nutzbares Ergebnis. Verzichten Sie auf Unwichtiges. Ein MVP reicht nur zum Überleben.
Agile Meetings sind keine Zeitverschwendung
Während eines Sprints gibt es regelmässige Meetings mit stets gleicher Agenda. In diesen Meetings werden Probleme frühzeitig sichtbar. Im klassischen Vorgehen ist die Entwicklung eine Black Box und manche Dienstleister verschleppen die Kommunikation von Problemen.
Regeln Sie Ihre Teilnahme an den Meetings vertraglich.
Sind Werkverträge im Agilen möglich?
Die technische Spezifikation wird nach Vertragsschluss gemeinsam erstellt. Sie ist nötig, um den Aufwand zu schätzen. Daher wird oft kein Werkvertrag mit Festpreis, sondern eine Vergütung nach Aufwand vereinbart. Vorsicht:
- Bei einem Werkvertrag schuldet Ihnen der Auftragnehmer ein mangelfreies Werk, im Auftragsrecht nicht. Wenn vor Beginn der Arbeit ein MVP beschrieben ist, kann darüber ein Werkvertrag geschlossen werden.
- Im Agilen können sie Mehrungen und Minderungen nicht miteinander verrechnen. Wenn Sie ein Feature nicht brauchen, dann wird diese Minderung nicht spezifiziert, und die Einsparung kann nicht geschätzt werden. Mehrungen dagegen werden spezifiziert und geschätzt.
Für Entwicklungen nach dem MVP passt eine Vergütung nach Aufwand besser. Sie kennen Ihren Dienstleister und können das Risiko einschätzen. Aber Sie benötigen andere Schutzmechanismen im Vertrag:
- Der Einsatz neuer Teammitglieder sollte erst nach einiger Zeit vergütet werden, sonst haben Sie viel Fluktuation und zahlen die Einarbeitung.
- Aus den agilen Meetings kennen sie die Performance der einzelnen Beteiligten und können beurteilen, wer einen erhöhten Tagessatz wert ist. Regeln Sie das vertraglich, auch wenn das eine schwierige Verhandlung wird.
Fazit
- Bei agilem Vorgehen steuern Sie als Kunde die Entwicklung gemeinsam mit dem Lieferanten. Spezifikation und agile Meetings sind die Mittel dazu.
- Bei agilem Vorgehen tragen Sie ein höheres Risiko, besonders bei Vergütung nach Aufwand. Wenn sie grosse Flexibilität benötigen, kann das gerechtfertigt sein.
- Die gefährlichsten Fehler, die Sie als Kunde bei einem agilen Vorgehen machen können, sind
-
- Unterschätzen der Spezifikation,
- unklare Prioritäten und mangelnde Fokussierung
- ungeeignete Verträge.