Kontinuität versus schnelle Erfolge – Balanceakt für Führungskräfte

Agile Organisationen streben Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an. Warum braucht es trotz dieses Strebens dennoch Konsistenz und was ist dabei die Rolle von Führungskräften?

Ein zentrales Element eines agilen Mindsets ist schneller, inkrementeller Fortschritt (beschrieben beispielsweise im „The Scrum Guide“ von K. Schwaber & J. Sutherland). Ein weiteres Prinzip ist, dass alle Handlungen im Einklang mit der Vision und den strategischen Zielen der Organisation stehen müssen. Die inkrementellen Fortschritte und die damit verbundenen schnellen Erfolge werden somit nie auf Kosten der übergeordneten Zielsetzung und strukturellen Klarheit erreicht. Denn ohne den Fokus auf die Zielsetzung verliert die agile Struktur ihre Richtung.

Gerade neu in agile Organisationen kommende Führungskräfte laufen aber oft Gefahr, den Wunsch nach schnellen Erfolgen höher zu bewerten als die konsistente Ausrichtung auf die Unternehmensziele. Denn Führungskräfte wollen bereits nach kurzer Zeit Ziele erreichen und Resultate vorweisen können. Diese Vorgehensweise kann zwar rasche, isolierte Erfolge erzielen, die kurzfristig motivierend wirken, langfristig jedoch weder den Zielen noch der Strategie des Unternehmens dienen und so keine nachhaltige Grundlage schaffen. Daraus ergibt sich, dass die (Ziel-) Konsistenz bei Verbesserungen höher gewichtet werden muss als schnelle Erfolge ohne Zielzusammenhang.

Um den Balanceakt zwischen schnellen Erfolgen und Konsistenz zu meistern, müssen Führungskräfte nicht nur das agile „Handwerk“ beherrschen, sie benötigen auch ein klares Bild der übergeordneten Strategie und Zielsetzungen. Anstatt sich sofort auf erste Resultate zu stürzen, sollten sich Führungskräfte die Zeit nehmen, um ein klares Ziel zu formulieren, das aus der Vision, der Strategie und gegebenenfalls dem konkreten Vorhaben des Unternehmens abgeleitet ist. Auch dabei können sie sich agiler Prinzipien wie schrittweiser Verbesserung, Zusammenarbeit und kontinuierlichen Lernen bedienen. So müssen sie das Ziel nicht alleine formulieren, sondern können dies ebenfalls in einem Team – beispielsweise in einem Ziel-Team, bestehend aus anderen Führungskräften – erarbeiten, kontinuierlich überprüfen und weiterentwickeln. Dass dies funktioniert, ist im 5. Kapitel des lesenswerten Artikels „Embracing Agile“ beschrieben und mit Praxisbeispielen belegt.

Dieses Ziel bildet das Fundament der agilen Arbeit. Agilität bedeutet nämlich nicht strukturelle Beliebigkeit, Anarchie oder Chaos. Stattdessen beruht sie auf der Idee, dass jede Entscheidung und jedes Ergebnis auf eine klare Vision und ein klares Ziel hin ausgerichtet ist und darauf einzahlt. Die Herausforderung besteht nach der Formulierung also darin, dass alle Teammitglieder über diese Orientierung und ihren Beitrag zur Zielerreichung Bescheid wissen. Führungskräfte können dafür die Feedback-Schleifen und Retrospektiven nutzen von denen agile, kollaborative Organisationen leben. Diese Instrumente erlauben es ihnen, erreichte oder kurzfristig erreichbare Erfolge im Hinblick auf das grosse Ganze zu betrachten. Dabei können sie gemeinsam mit dem Team Relevanzen und Prioritäten im Hinblick auf die Konsistenz hinterfragen und anpassen.

Die Möglichkeit, kleine Erfolge schnell präsentieren zu können, steigert unbestritten die Motivation. Diese schnellen Erfolge und kleinen Schritte in die gewünschte Richtung können und sollen deshalb ermutigt werden. Jedoch ist es entscheidend, dass stets auch die langfristigen Konsequenzen dieser Schritte sichtbar gemacht werden, anstatt nur auf die kurzfristigen Resultate zu fokussieren. Sie sollten also nicht auf ständige Erfolge pochen, sondern zu stetigen Fortschritten animieren.

Durch die bewusste Integration von schnellen Erfolgen in die langfristige Strategie gewinnen Führungskräfte die Möglichkeit, sowohl die Motivation ihrer Teams zu steigern als auch auf das grosse Ganze einzuzahlen. Agilität bedeutet nicht Chaos, sondern folgt klaren Zielen und Prinzipien, die über alle Ebenen hinweg bekannt und verankert sind. Wenn Führungskräfte ihre Rolle als Orientierungspunkt zwischen Konsistenz und schnellen Erfolgen verstehen, können sie die „Quick Wins“ auf nachhaltige Erfolge ausrichten, sodass agile Organisationen langfristig profitieren.

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Mario Lipari

Mario Lipari ist ICT-Supervisor bei der Luzerner Kantonalbank und bloggt aus dem Unterricht des CAS IT Management & Agile Transformation

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