Vom «Kampf der Kulturen» zum gegenseitigen Coaching

Die Schnittstelle zwischen Business und IT ist seit Jahrzehnten ein heisses Eisen, das niemand so recht aus dem Feuer zu holen vermag. Als Projektleiterin zwischen diesen Fronten erlebe ich das nicht selten wie ein Navigieren im Vacuum – hier die eine Seite, dort die andere – dazwischen nichts. Ich frage mich, warum ist das so? Und wie füllt man dieses Vacuum? Ein Versuch zur Annäherung.

Das Dilemma fängt im Grunde beim Begriff an. «Schnittstelle» suggeriert, dass hier eine Trennline zwischen zwei Teilen existiert, die untrennbar verbunden sind. Kein Business ohne IT-Infrastruktur – keine IT-Abteilung ohne Businesskontext. Im günstigsten Fall ist es ein flacher Graben, den man überspringen kann – im schlechtesten Fall ein tiefer Abgrund ohne jede Überquerung. Um diese Kluft zu verstehen, lohnt sich der Blick in die Geschichte. Handel und Geschäfte betreiben die Menschen seit Jahrtausenden. Die industrielle Revolution und das Internetzeitalter kamen später und haben die Gesellschaft fundamental verändert. Das Tempo der Entwicklung und die Ausdifferenzierung an Wissen hat heute ein Ausmass erreicht, das kein Mensch mehr überblicken kann. Wir brauchen Spezialisten. Aber wie bringen wir die zusammen? Bezogen auf das umstrittene Verhältnis zwischen Unternehmen und ihren IT-Abteilungen, sehe ich reichlich Potenzial.

Auf Augenhöhe – nicht auf Hierarchie-Ebene

Seit den späten 80er und den 90er Jahren gibt es vielversprechende theoretische Ansätze zum IT-Business-Alignment. Es existieren Vorgaben, Kriterien, Prozesse, damit das Unternehmen reibungslos läuft und Wertschöpfung generiert. Der heilige Gral ist jedoch nicht gefunden, Patentrezepte gibt es nicht. Bei genauerer Betrachtung beginnt die Spaltung schon auf strategischer Ebene: Entweder ist eine Organisation Business getrieben oder Technologie getrieben. Sie muss im Zuge der Digitalisierung aber grundsätzlich beides sein – egal welches Geschäftsmodell zu Grunde liegt. Hier brauchen wir einen grundlegenden Kulturwandel, unabhängig davon, wie agil ein Unternehmen aufgestellt ist. Erst wenn sich IT und Business auf Augenhöhe begegnen, entsteht ein konstruktiver Dialog.

Begegnungsräume schaffen

Mit der strategischen Ebene ist es nicht getan, Begegnung muss stattfinden können. Nicht selten sind IT-Abteilung und Fachbereiche räumlich getrennt, eventuell sogar im anderen Gebäude oder im anderen Stadtteil. Das erschwert die Situation, wenn Business und IT schon von Natur aus Lichtjahre auseinander liegen. Ist die IT-Abteilung eines Spitals mit hochmoderner Infrastruktur zwei Kilometer vom Spital entfernt, kann kein unverbindliches Gespräch mit Ärzten oder Pflegekräften entstehen. Persönliche Beziehungsebene ausgeschlossen. Gerade das wäre wertvoll, um diese diametral entgegengesetzten Mentalitäten zusammenzubringen. Hier ist Kreativität gefragt, um Orte der Begegnung zu schaffen – räumlich, zeitlich und natürlich in geeigneten Organisationsformen. Warum nicht eine Art IT-Sprechstunde einrichten, wo Mitarbeitende Fragen klären oder Unsicherheiten beseitigen können? Klingt vielleicht absurd oder «zu teuer», ist aber ein klares Win-Win für beide Seiten, denn kompetente Mitarbeitende machen weniger Fehler und sind motivierter, dank mehr Selbstwirksamkeit. Regelmässige Events oder Info-Veranstaltungen zu aktuellen Themen und Projekten, um mitreden zu können, sind eine andere Möglichkeit. Das schafft letztlich Verständnis und Akzeptanz für Veränderungen.

«Miteinander reden, nicht übereinander»

Diesen Slogan habe ich unlängst bei der GenZ aufgeschnappt, die sich damit hartnäckig gegen unberechtigte Vorurteile zur Wehr setzt. Kluge Wort, die sich auf viele gegensätzliche Bereiche der Gesellschaft anwenden lassen – auch auf die Schnittstelle zwischen Business und IT. Wo immer Begegnung stattfindet, es geht darum ins Gespräch zu kommen, sich füreinander zu interessieren und voneinander zu lernen, Probleme und Ideen auszutauschen. Das passiert nicht von selbst, denn Menschen gehen fremden Dingen instinktiv gern aus dem Weg. Es gilt, Neugierde zu wecken und positive Erlebnisse zu schaffen. Dafür sind beide Seiten gefordert! Wenn die IT der zunehmenden Spezifizierung in puncto Wissen folgen will, reicht technisches Know-how nicht mehr aus. Sie muss das Business verstehen, um Wertschöpfung zu generieren. Business und IT sind also unmittelbar aufeinander angewiesen und sollten sich gegenseitig coachen. Nicht nur die IT ist Enabler fürs Business – das Business ist auch Enabler für die IT.

Die agile Lehre kann den Weg zeigen

Agile Frameworks wie SAFe haben diesen Gedanken des gegenseitigen Austauschs und des kontinuierlichen Lernens in allen Dimensionen aufgegriffen und entwickeln ihn ständig weiter. Man muss keine agile Organisation übers Knie brechen, aber Unternehmen können klein anfangen und sich wertvolle Anregungen für neue Formen der Zusammenarbeit holen. Eins darf dabei nie vergessen werden –  Rollen, Strukturen und Prozesse sind wichtig, aber wenn wir in dieser mechanistischen Konstruktion die Menschen vergessen, kommt das Räderwerk nicht zum Laufen, weil das Wichtigste fehlt: Beziehungen, Transparenz und Vertrauen in die Organisation. Letzteres ist im Gegensatz zu allen Budget-Kalkulationen unbezahlbar.

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