Normalerweise schneidet die Schweiz in Rankings sehr gut ab und rangiert in den vordersten Rängen. Doch im europäischen eGovernment Ranking liegt die Schweiz auf Rang 28 von 35, hinter Ländern wie Bulgarien, Polen oder Ungarn.
Für die Schweiz, welche als innovativstes Land der Welt gilt, klingt das unvorstellbar. Warum diese Entwicklung das Unternehmerland Schweiz gefährdet und was mögliche Ursachen sein könnten.
Die mangelnde Digitalisierung der Verwaltung zeigt sich in mehreren Beispielen. Während in Europa zwei Drittel der Länder eine E-ID akzeptieren, so wird diese in der Schweiz noch Jahre auf sich warten lassen.
Ein weiteres Beispiel ist eine vollständig digitale Unternehmensgründung. In der Schweiz ist diese heute nicht möglich, beinhaltet immer einen Medienbruch, dauert bestenfalls einige Tage und kostet dank dem bürokratischen Aufwand eine ganze Menge. Seit dem 16. März 2021 ist ein entsprechender Vorstoss von Andri Silberschmidt im Parlament eingereicht worden und doch wartet das Unternehmerland Schweiz weiterhin auf merkbare Fortschritte.
Das Unternehmertum bildet die Basis für eine nachhaltig starke Schweiz, was ein Blick auf die Zahlen zeigt. In der Schweiz gibt es über 600’000 Unternehmen bei knapp 5.3 Millionen Beschäftigten. Die Schweizer Unternehmerkultur überzeugt mit Innovationskraft, qualifizierten Arbeitskräften, Rechtssicherheit und einer starken, unterstützenden Infrastruktur. Und dennoch ist es in der Schweiz, dem unternehmerfreundlichsten Land der Welt, weiterhin nicht möglich digital eine Firma zu gründen. Doch warum hinkt die Schweizer Verwaltung in der Digitalisierung hinterher?
Ursachen für die mangelnde Digitalisierung der Schweizer Verwaltung
Die Ursachen eines solch umfassenden und komplexen Problems sind nicht immer leicht zu identifizieren. Folgend beschreibe ich vier Ursachen, welche meiner Meinung nach einen grossen Einfluss haben.
Föderales System
Die Schweiz ist bekannt für ihr föderales System, in welchem Zuständigkeiten zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilt sind. Diese Dezentralität stellt eine grosse Hürde für die Digitalisierung dar, da es auf den verschiedenen Ebenen andere Anforderungen und Ressourcen gibt. Es braucht eine konstruktive Zusammenarbeit, um die Digitalisierung gemeinsam voranzutreiben. Denn, dass Dezentralität in der Digitalisierung nicht funktioniert hat sich in der Privatwirtschaft mehrfach bestätigt und wird auch nicht bestritten.
Die Digitalisierung muss systematisch und in der ganzen Schweiz einheitlich vorangetrieben werden. Entsprechend muss dies auf Ebene Bund gemacht werden, was aktuell aber noch zu wenig passiert.
Effiziente Bürokratie
Die Schweiz hat eine gut funktionierende und vergleichsweise effiziente Bürokratie. Es besteht also weniger Druck als in anderen Ländern etwas zu verändern, ganz nach Voltaire «Das Bessere ist der Feind des Guten». Die Hürde, dass Zeit und Ressourcen in die Digitalisierung von Systemen und Prozessen investiert werden, ist höher in der Schweiz, da der unmittelbare Leidensdruck nicht da ist. Mangelnde Innovation wird für die Schweiz aber längerfristig unverzeihbar sein, wie ein Blick auf untergegangene Hochkulturen oder Grossunternehmen wie Kodak oder Nokia zeigen.
Datenschutz und Privatsphäre
Die Schweiz ist bekannt für strenge Datenschutzgesetze und einen starken Schutz der Privatsphäre. Grundlegende Werte der Schweiz wie Sicherheit, Datenschutz und Privatsphäre sollten die Grundlage für Digitalisierungsprojekte bilden. Während diese Werte unbedingt beibehalten und geschützt werden müssen, komplizieren diese die Digitalisierung und erhöhen den Ressourcenaufwand und die Umsetzungszeit.
Überalterung in Bern
Digitalisierung bedingt eine digitale Affinität, technische Fachkompetenz und der Wille zur Veränderung. Eigenschaften die öfters bei jüngeren Generationen vorhanden sind.
Doch im Bundeshaus dominiert eine andere Generation. Der Bundesrat ist im Schnitt 58 Jahre alt. Im Ständerat beträgt das Durchschnittsalter 57 Jahr und im Nationalrat 52 Jahre.
Dass der Vorstoss zur vollständig digitalen Unternehmensgründung von Andri Silberschmidt, dem jüngsten Parlamentsmitglied, vorgebracht wurde passt wie die Faust auf das Auge und unterstreicht die Problematik.
Und jetzt?
Sich weiterhin auf vergangenen Lorbeeren auszuruhen, darf keine Option sein. Kompromisse im Bereich Datenschutz und Privatsphäre ebenfalls nicht. Stattdessen muss die Schweiz auf ihre Stärke, gemeinsame Kooperation setzen. Politik und Wirtschaft kooperieren seit langer Zeit eng miteinander und dies sehr erfolgreich. Diese Kooperation sollte im Bereich der Digitalisierung weiter ausgebaut werden. Ebenfalls muss die Kooperation der jüngeren und älteren Generation intensiviert werden, um die Stärken beider nutzen zu können um gemeinsam die digitale Zukunft von morgen bauen.