Mehrfachrollen bei der Softwareentwicklung – Ein Fluch oder Segen?

Für die WebApp FreqCoord bin ich hauptsächlich Product Owner, aber gleichzeitig auch Requirements Engineer, Tester, Supporter und schlussendlich setze ich die App auch operativ ein. In diesem Blogbeitrag möchte ich meine Erfahrungen mit Mehrfachrollen im Kontext von FreqCoord erläutern.

Ich nutze heute gerade FreqCoord, um für einen internationalen Grossanlass die Frequenzen zu koordinieren. Vor Ort sagt mir ein Frequenznutzer, dass er bei einem Eingabeschritt Verständnisprobleme hatte. Schnell mache ich mir eine Notiz dazu, was ich in Zukunft an der Eingabemaske verbessern könnte. Später fällt mir plötzlich ein kleiner Bug auf. Also, noch schnell nebenbei ein Jira-Ticket eröffnen. Dann auch noch ein neues Mail im Support-Postfach von einem potenziellen Kunden, der eine Frage hat. Nach Arbeitsschluss beantworte ich diese Mail auch noch kurz, da der Event mir die volle Aufmerksamkeit abverlangt und ich vorher nicht dazukam.

Nun fragen Sie sich vielleicht, warum ich mich um diese vielen Rollen kümmere, anstatt mich auf meine Hauptfunktion als Product Owner zu konzentrieren. Hauptsächlich kümmere ich mich auch ausschliesslich um die Aufgaben eines Product Owners. Aber zwei bis drei Mal pro Jahr gehe ich dann selber auf Events in der Rolle als Frequenzkoordinator. Nebst der Abwechslung zum Büroalltag möchte ich hier ein paar Vorteile erläutern, die ich daraus schöpfen kann.

Persönlicher Kontakt mit dem Frequenznutzer
Die App wird grundsätzlich von zwei Nutzergruppen genutzt. Frequenznutzer melden ihren Frequenzbedarf an, welchen ich dann als Frequenzkoordinator disponiere. So komme ich vor Ort auf dem Event öfters ins Gespräch mit Personen in der Rolle «Frequenznutzer». Beim persönlichen Kontakt erläutern die Anwender öfters Stolperfallen oder machen Verbesserungsvorschläge, welche sie aber nie per E-Mail mitteilen würden. Im RQE-Unterricht haben wir verschiedene Erhebungsmethoden kennengelernt, darunter «Beobachtung» und «Befragung». Öfters wird dabei aber von einer fiktiven Situation ausgegangen. Aus meiner Sicht sind die Inputs aus Gesprächen mit Nutzern in einer Live-Anwendung immens wertvoll und verbessern das Produkt nachhaltig und sind somit eine Steigerungsform von «Beobachtung» und «Befragung».

Eigene Erfahrung als Inspiration für neue Funktionen
Die Frequenzdisposition ist ein komplexes Unterfangen bei Grossanlässen. Öfters reichen die zur Verfügung stehenden Frequenzressourcen nicht aus, um alle Bedürfnisse zu befriedigen. Eine maximal effiziente Planung ist gefragt. Hinzu kommt ebenfalls der Zeitdruck. Ein Stakeholder möchte seine Frequenz auf dem Event innerhalb von wenigen Minuten zugeteilt haben. Nur weil ich selber diesem Planungsdruck ausgesetzt bin, muss ich mir überlegen, wie ich noch effizienter und schneller planen könnte. Daraus entstehen öfters neue Ideen, wie man diese Effizienz in der App automatisieren kann, um mich selber zu entlasten. Diese Erkenntnisse fördern die stetige Verbesserung enorm.

Die Kehrseiten dieser Mehrfachrollen durfte ich ebenfalls kennenlernen. Nebst Multitasking auf dem Event und öfters mal Überstunden, möchte ich besonders auf folgende zwei Nachteile von Mehrfachrollen hinweisen.

Priorisierungskonflikte
Wenn ich persönlich FreqCoord auf einem Event einsetze und ein Arbeitsschritt in der App aus meiner Sicht nicht optimal ist, dann ärgert mich das. Dies birgt dann folglich die Gefahr, dass ich genau diese Verbesserung höher priorisiere, um meinen eigenen Leidensdruck zu reduzieren. Und dies, obwohl vielleicht im Gesamtkontext eine andere Story zu bevorzugen wäre.

Die eigene Arbeitsweise ist die Richtige
Meiner Erfahrung nach neige ich dazu meine eigene Arbeitsweise als die «Richtige» zu sehen. Andere Nutzer haben vielleicht eine andere Herangehensweise, die ebenfalls zu einem mindestens so guten Resultat führen kann. Daher ist es aus meiner Sicht wichtig, Ideen und Verbesserungen mit anderen Nutzern zu reflektieren damit man den eigenen blinden Fleck überwinden kann.

Das Fazit aus meinen Erfahrungen ist, dass Mehrfachrollen zwar sehr anstrengend sind und die erwähnten Gefahren mit sich bringen. Ist man sich jedoch dessen bewusst, sind die Vorteile aus Mehrfachrollen eine überrage Bereicherung für eine Applikation.

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Daniel Künzi

Daniel Künzi bloggt aus dem Unterricht des CAS Requirements Engineering 12. Er arbeitet bei SRF und ist Product Owner von der WebApp <a href="https://www.freqcoord.com">https://www.freqcoord.com</a>

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