Intelligente Prozessautomation leicht gemacht

«Intelligente Prozessautomation» (IPA) erweitert das Spektrum an Automatisierungspotentialen. Sie ermöglicht die Verarbeitung von nicht strukturierten Daten, den Einsatz von sprachgesteuerten Prozessausführungs-Assistenten bis hin zur Automation auf Basis einer computerbasierten Entscheidungsfindung dank Künstlicher Intelligenz (KI).  Das zeigt das folgende typische Praxisbeispiel.

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in einem Finanzbuchhaltungsteam, welches für die folgenden Aufgaben zuständig ist:

  • Kreditorenrechnungsverarbeitung
  • Debitoren-Kreditlimitenberechnung und -vergabe
  • Kontierung und Buchung sämtlicher Geschäftsfälle inkl. Lohnbuchhaltung
  • Mitwirkung bei der Erstellung des Monats- und Jahresabschlusses
  • Abwicklung des Zahlungsverkehrs
  • Meldungen an Verwaltungen (u.a. Sozialabgaben)
  • Beantwortung von Fragen von Seiten Kreditoren, Debitoren, Mitarbeitenden (Lohn)

Aufgrund des zunehmenden Verarbeitungsvolumens möchten Sie diese Arbeiten weitgehendst automatisieren. Was sind Ihre Möglichkeiten?

4-Stufen-Modell zur Intelligenten Prozessautomation (IPA)
Die vier Stufen der intelligenten Prozessautomation lassen sich anhand des Modells der renommierten Beratungsfirma
Horvath & Partners sehr gut illustrieren (Bildquelle: ityx.de)

 

Mit Hilfe der ersten Stufe der intelligenten Prozessautomation – der Robotic Process Automation (RPA) – lassen sich bereits viele dieser repetitiven Aufgaben automatisieren. Voraussetzung dafür ist, dass diese Aufgaben regelbasiert sind und strukturierte Daten für die Verarbeitung zu Grunde liegen. Ein grosses Automatisierungspotential durch den Einsatz von RPA haben somit die folgenden Aufgaben:

  • die Kontierungs- und Buchungsaufgaben
  • die Erstellung des Monats- und Jahresabschlusses
  • die Abwicklung des Zahlungsverkehrs
  • Meldungen an Verwaltungen

Wie können wir nun aber die Kreditorenrechnungsverarbeitung automatisieren? Glücklicherweise nimmt die Anzahl Unternehmen, welche Ihre Rechnungen elektronisch und somit strukturiert übermitteln, stetig zu (Beispiel Schweizerische Bundesverwaltung Stand Dez. 2021: 75%). Nichtsdestotrotz sind es immer noch ca. ein Viertel aller Rechnungen, welche im willkürlichen Rechnungslayout des Rechnungsstellers empfangen werden. Somit reicht diesbezüglich RPA für die Automatisierung nicht mehr aus.

 

Für die Verarbeitung solcher unstrukturierten Daten hilft uns die zweite Stufe der intelligenten Prozessautomation, der «Cognitive Automation», welche Künstliche Intelligenz (KI) zur Identifizierung der unstrukturierten Inhalte und deren Extraktion verwendet.

Analysierte Rechnung mit Hilfe von Microsoft Form Recognizer
Mit Hilfe von «Cognitive Automation» können unstrukturierte Rechnungsinhalte identifiziert und extrahiert werden
(Bildquelle: Microsoft Learn)

 

Mit der dritten Stufe der intelligenten Prozessautomation – den Digitalen Assistenten – lassen sich sprach- oder textbasierte Nutzerschnittstellen zur Interaktion zwischen Menschen und Maschinen unter Einsatz von natürlicher Sprachverarbeitung (englisch: «Natural Language Processing» (NLP)) realisieren. Unsere Finanzbuchhaltung könnte damit die Standardanfragen von Seiten Kreditoren, Debitoren und Mitarbeitenden über diese digitalen Assistenten abdecken.

Visualisierter Konversations-Entscheidungsbaum mit Hilfe von Microsoft Power Virtual Agents
Virtuelle Assistenten können heutzutage mit einfachen Benutzeroberflächen erstellt und erweitert werden; Programmierkenntnisse sind für einfache Anwendungen nicht mehr notwendig
(Bildquelle: Microsoft Power Virtual Agents)

 

Schlussendlich bleibt noch die Debitoren-Kreditlimitenberechnung und -vergabe übrig, welche sich mit der vierten Stufe der intelligenten Prozessautomation automatisieren lässt, den «Autonomous Agents». Diese können auf der Basis von angewandter Statistik u.a. in Form von sogenannten «Deep Learning» Modellen wahrscheinlichkeitsbasiert Voraussagen treffen oder ein Optimum berechnen, so auch die von uns benötigte Kreditlimite für Kunden.

Wichtig zu verstehen ist, dass solche Automationen als Assistenten einzusetzen sind, welche es ermöglichen, einen Grossteil des Standard-Verarbeitungsvolumens zu automatisieren, so dass sich unser Finanzbuchhaltungsteam auf die übrig gebliebenen Spezialfälle konzentrieren kann. Somit kann bei gleichem Ressourceneinsatz insgesamt mehr Volumen verarbeitet werden.

Mit dem zunehmenden Fachkräftemangel wird die Ausschöpfung dieser Automatisierungspotentiale für Unternehmen immer wichtiger und somit zu einem kritischen Wettbewerbsvorteil.

Grosse Anbieter wie Microsoft, Amazon Web Services, Google bieten heutzutage Plattformen an, welche für sämtliche Stufen der intelligenten Prozessautomation einfach anwendbare und kostengünstige Module anbieten.

 

Weiterführende Links zum Thema

Intelligente Prozessautomatisierung – was ist das? Definition und Entwicklung

Horváth-Studie: Automation: jede zehnte Stelle in fünf Jahren obsolet? | Das 4-Stufen-Modell der Intelligenten Prozessautomation

Automatisierte Rechnungsverarbeitung – Azure Applied AI Services

Intelligente virtuelle Agenten und Bots – Microsoft Power Virtual Agents

Was ist Azure Machine Learning?

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Christian Rymann

Christian Rymann ist Head BSC Digital Innovation & Process Automation bei der Schindler Management AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS «Digital Business Innovation». <br><br> Er leitet seit 2018 das konzernweite «Intelligent Process Automation» Programm, welches er auch aufgebaut hat. Zudem referiert er an Fachhochschulen und Konferenzen zum Thema Prozessautomation. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

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