IT-Outsourcing nach Indien – Erkenntnisse aus der Praxis

Das Outsourcing von IT-Services nach Indien ist bei internationalen Unternehmungen weit verbreitet. Meine Erfahrungen vor Ort zeigen, dass es neben den Chancen auch diverse Herausforderungen zu beachten gilt. Es ist wichtig, Entscheidungen basierend auf realistischen Erwartungen zu fällen und ausreichende Kontrollmechanismen zu etablieren.

Die berufliche Tätigkeit als Internal Auditor brachte mich regelmässig nach Indien. Ziel war jeweils die Beurteilung der ausgelagerten IT-Aktivitäten beim Outsourcing-Partner (Drittfirma) in Mumbai. Dabei war es möglich, persönliche Einblicke vor Ort zu gewinnen und Herausforderungen sowie Chancen «live» zu erleben.

Diverse Herausforderungen, aber auch viele Chancen…

Herausforderungen:

Kultur: Die Unterschiede zur Schweizer Kultur sind gross. Das Denken in Hierarchien ist in Indien und dessen Geschäftswelt viel ausgeprägter. Darunter fällt der aus unserer Sicht zum Teil grobe Umgang mit tiefer gestellten Mitarbeitenden. Auch Gestik und Mimik unterscheiden sich. Ein Kopfschütteln kann gut und gerne Zustimmung bedeuten. Aufgrund der kulturellen Unterschiede braucht es viel Zeit und Geduld, bis sich die ausgelagerten IT-Prozesse eingespielt haben.

Tricksereien: Schweizer*innen werden in Indien gerne mal über den Tisch gezogen. Beispielsweise kann es vorkommen, dass der Outsourcing-Partner in Indien nicht erbrachte Leistungen (z.B. durch fiktive Mitarbeitende) verrechnet. Oder er gibt die vereinbarten Leistungen entgegen den Abmachungen an billigere Partner weiter. Die Liste möglicher Tricksereien ist lang. Es ist deshalb hilfreich, indische Vertrauenspersonen in den eigenen Reihen (z.B. im Internal Audit) zu haben, um solche Handlungen aufzudecken.

Datenschutz: In der Praxis ist das Verständnis für den Datenschutz tendenziell eher weniger ausgeprägt. Es besteht die Gefahr, dass der Outsourcing-Partner in Indien vertrauliche Informationen nicht genügend schützt. Die physischen Zutrittskontrollen sind teilweise einfach manipulierbar. Besuche vor Ort sind unabdingbar, um sich ein persönliches Bild der Lage machen zu können.

Outsourcing Balanceakt
Ein Balanceakt: Damit Outsourcing nach Indien funktioniert, müssen Herausforderungen und Chancen in Einklang gebracht werden. (Bildquelle: Unsplash)

Chancen:

Kosten: Die Lohnkosten für IT-Mitarbeitende in Indien sind signifikant tiefer als bei uns. Jedoch steigen die Löhne im Einklang mit der Inflationsrate jährlich viel stärker an als in der Schweiz. Ins Gewicht fallen auch zusätzliche Kosten wie z.B. für die Schulung beim Outsourcing-Partner vor Ort.

Talentpool: Indien verfügt über einen grossen Pool an gut ausgebildeten Mitarbeitenden. Die sprachliche Verständigung auf Englisch läuft ohne Probleme und macht Spass. Und trotz der teilweise herausfordernden Lebensumstände (z.B. 4 Stunden Arbeitsweg pro Tag) ist die Lebensfreude der Mitarbeitenden oft grösser als in der Schweiz.

Anpassungsfähigkeit: Der Speed und die Anpassungsfähigkeit in Indien erscheinen höher als bei uns. Auch gibt es oftmals weniger Vorschriften und Auflagen, so dass Wünsche kreativ und zügig umgesetzt werden.

Fazit:

Für ein internationales Unternehmen kann Outsourcing von IT-Services nach Indien durchaus eine Chance sein. Es ist aber wichtig, sich der Herausforderungen bewusst zu sein und dementsprechend eine realistische Erwartungshaltung mitzubringen. Auch in Indien geschehen keine Wunder. Ebenfalls ist es empfehlenswert, die ausgelagerten Tätigkeiten genau zu überwachen und regelmässig vertieft zu kontrollieren. Sehr unterstützend dabei ist, in der eigenen Unternehmung indische Vertrauenspersonen zu haben, welche potentielle Gefahren frühzeitig erkennen können.

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Stephan Burger

Stephan Burger ist Internal Auditor beim ETH-Rat und bloggt aus dem Unterricht des CAS IT Management & Agile Transformation. Bei seinem früheren Arbeitgeber Kuoni Travel arbeitete er in einem schweizerisch-indischen Team und war als Auditor geschäftlich regelmässig in Indien unterwegs.

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