Du sollst nicht spionieren!

Organisationen brauchen einen ethischen Kompass, um auch mit datenbasierten Geschäftsmodellen nachhaltig Erfolg haben zu können. Lesen Sie hier, warum das wichtig ist, und wie Unternehmen damit Wettbewerbsvorteile schaffen.

Rechtzeitig und zutreffend informiert zu sein, entscheidet häufig über Erfolg und Misserfolg im beruflichen und privaten Leben. Im Kern geht es um den Informationsvorsprung als Wettbewerbsvorteil – für Staaten wie für Unternehmen.

Vom totalitären Überwachungsstaat…

Wie man 1.4 Milliarden Bürger ausspioniert, zeigt China. Das Land will Weltmarktführer für Künstliche Intelligenz werden. Das sog. Sozialkredit-System verknüpft Gesichtserkennung, Body-Scans und Bewegungsprofile mit persönlichen Daten und Online-Verhalten. Ein Überwachungsnetz, dem niemand entkommen kann. Gutes Verhalten wird belohnt und schlechtes Verhalten bestraft. Was gutes bzw. schlechtes Verhalten ist, bestimmt die Partei. Das kann dazu führen, dass «gute» Bürger beim Autokauf keine Kaution bezahlen müssen und «schlechte» Bürger kein online Ticket für einen Hochgeschwindigkeitszug kaufen können, weil ihre Reisefreiheit eingeschränkt wird. Für die Befürworter stellt dieses Experiment eine optimierte Version des bisherigen Systems dar. In den Augen der Gegner führt diese neue Art der Überwachung zu einem totalitären Staat, in dem Algorithmen den Lebenslauf bestimmen und Zweifel nicht erlaubt sind.

Gesichtserkennung (Sergey Tinyakov/iStock)
Gesichtserkennung (Sergey Tinyakov/iStock)

…zu Geschäftsanwendungen

Während für Chinas Elite die Kontrolle der Bürger im Zentrum steht, geht es für (westliche) Unternehmen um einen anderen Wettbewerbsvorteil. Je besser ein Unternehmen seine Kunden kennt und je intelligenter es deren digitalen Spuren analysieren und Muster erkennen kann, desto besser kann es Produkte und Services gestalten. Das Kundenwissen kann dem Unternehmen auch helfen, das Netzwerk von Bestandeskunden zu analysieren und für die Neukundenakquisition zu nutzen. Wohlgesinnte Kunden können als Türöffner für attraktive Kontakte dienen. Öffentlich zugängliche Daten können dank Algorithmen automatisiert aus dem Netz abgegriffen, mit intern vorhandenen Daten kombiniert und in Graphdatenbanken wie Neo4j analysiert werden. Daraus lassen sich monetarisierbare Personenverbindungen ableiten. Zahlreiche weitere Anwendungsfälle, welche mit Graphdatenbanken realisiert werden können, sind interessant. Überall dort, wo die Beziehungen zwischen Objekten mehr interessieren als die Eigenschaften der Objekte, spielen sie ihre Vorteile aus (z.B. Mustererkennung für Produktempfehlung, Abwanderungsvorhersagen oder Betrugsbekämpfung).

Eine langfristige Beziehung basiert auf Vertrauen

Die Verlockungen von Big-Data-Anwendungsfällen sind gross. Die Analysen digitaler Spuren helfen Unternehmen, Kunden zu profilieren und damit in ihrem Verhalten berechenbarer zu machen. Big-Data-Anwendungsfälle berühren aber auch zentrale ethische Normen und Werte wie die Kontrolle der eigenen (digitalen) Identität, die informationelle Selbstbestimmung oder den Schutz der Privatsphäre. So hat der Cambridge-Analytica-Skandal der breiten Bevölkerung das Missbrauchspotenzial datenbasierter Geschäftsmodelle erstmals aufgezeigt.

Nils Hafner, ein international anerkannter Experte für Kundenbeziehungsmanagement, geht davon aus, dass ein vertrauenswürdiger Datensammler zu sein und als solcher gesehen zu werden, zu einem immer wichtigeren Wettbewerbsvorteil werden wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn Kunden eine gewisse Macht und damit auch Wahlfreiheit haben. Es sind die Kunden, welche Unternehmen danach beurteilen, wie diese mit ihren Daten umgehen und was die Kunden dafür bekommen.

Währendem gesetzlichen Rahmenbedingungen der technologischen Entwicklung immer hinterher hinken werden, bedarf es eines «ethischen Kompass», der Organisationen Orientierung bietet und hilft, ihr Verhalten entlang ethischer Normen und Werten auszurichten. Unternehmen wie die UBS oder Swisscom haben Ethikboards etabliert, um die «schlechten» datenbasierten Anwendungsfälle aussortieren zu können – auch wenn diese rechtlich zulässig wären (z.B. via Einwilligung von Kunden zur Profilbildung über AGB).

Diese drei Handlungsempfehlungen sollten Unternehmen beachten:

  1. Big-Data-Anwendungen sind auch hinsichtlich der betroffenen ethischen Normen und Werte zu prüfen.
  2. Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden sind ins Zentrum zu stellen – auch hinsichtlich Akzeptanz datenbasierter Anwendungen.
  3. Transparenz und Wahlfreiheit sind für Kunden sicherzustellen (z.B. mit Hilfe von opt-in-Lösungen).

Anstatt den Kunden auszuspionieren, soll das Kundenwissen datenbasiert und transparent gestärkt und die Bedürfnisse des Kunden mit denjenigen des Unternehmens optimal befriedigt werden. Wer dies berücksichtigt, wird sowohl einen Informationsvorsprung als auch langfristige Beziehungen als Wettbewerbsvorteile generieren können.

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Christian Turner

Christian Turner ist Leiter Unternehmensentwicklung & Projekte bei der Zuger Kantonalbank, befasst sich intensiv mit "Data Driven Business" und bloggt aus dem Unterricht des CAS Big Data Analytics.

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