Logistikbranche verschläft IoT-Potential

Wir in der Logistikbranche müssen uns jetzt mit den zukunftsträchtigen Technologien wie IoT auseinandersetzen und daraus Mehrwert schaffen. Doch leider stecken wir in der Digitalisierungsära «papierlos werden» fest, während die Gefahr besteht, dass die grossen Plattformunternehmen wie z.B. Google oder Amazon uns die Chance auf IoT Value Added Services vor der Nase wegschnappen.

Was ist IoT ?

Digitalisierung in der Logistik

Unter Digitalisierung verstehen wir in der Logistikbranche Wertschöpfungsprozesse zu automatisieren und diese ohne analoge Medienbrüche sicherzustellen. Damit soll das Ziel erreicht werden, minimale Durchlaufzeiten und höhere Transparenz in den Prozessen zu erhalten. Aufgrund unzähliger Lösungen aus der Vergangenheit gibt es diverse technische Schulden und verschiedenste Tätigkeiten sowie Abläufe, welche aufgeschlüsselt werden müssen. Deshalb ist diese Digitalisierungsära sehr kostspielig und komplex. Wir digitalisieren nur innerhalb unserer Systemgrenzen ohne systemübergreifende Standards. Die Chance, schnelle datengetriebene Unternehmen mit hohem Automatisierungsgrad zu werden, sehen oder verstehen wir nicht.

IoT hat ganz andere Anforderungen an die Digitalisierung als nur papierlose Prozesse

Die Logistikbranche wird bald mit IoT-Sensoren überschwemmt werden. Diese benötigen leistungsfähigere IT-Infrastruktur und Bandbreite, weil Datenmengen und Datenverkehr exponentiell wachsen werden. Mit IoT werden physischen Dinge digital und untereinander vernetzt. Leider reicht das, was wir heute digitalisieren, nicht aus. Warum?

Wir in der Logistik müssen Antworten auf folgende Fragen finden:

Echtzeitkommunikation, Datenvolumen und Unveränderbarkeit von Daten

  • Schaffen unsere Systeme & Prozesse Echtzeitkommunikation mit so vielen Daten?
  • Sind unsere EDI / API Schnittstellen dafür ausgelegt?
  • Brauchen wir eine IoT-Plattform?
  • Können wir mit Blockchain umgehen?
  • Verstehen wir die Notwendigkeit von 5G, um IoT zu betreiben?
  • Was verändert sich mit Edge Computing? Worin liegen unsere Chancen?

Business Intelligence (BI)

Prozesse und Systeme

  • Sind diese kompatibel zu den neuen Technologien der IoT?
  • Können wir neue Kunden und Partner schnell integrieren?
  • Können wir uns schnell in einer Supply Chain integrieren?
  • Sind wir flexibel während und nach der Integration?

Wenn wir endlich verstehen, was sich hinter diesen Technologien verbirgt und wie diese zusammenhängen, können wir in die nächste Digitalisierungsära der IoT starten.

Die neuen Geschäftsmodelle müssen wir uns vor den Tech-Riesen schnappen

Die grossen Plattformunternehmen wie Google und Amazon können sich bei IoT sehr gut aufstellen, weil es um Infrastruktur und Daten geht. Gemäss DHL Studie verspricht IoT wirtschaftliche Zuwächse von geschätzt 1.9 Billionen US-Dollar! Dieses datengetriebene Business ist ihre Kernkompetenz und damit in der DNA von Google und Amazon stark verankert. Wollen wir, dass sie hier den Lead übernehmen?

IoT am Beispiel Weinflaschen

IoT Sensoren an den Weinflaschen, bringen Mehrwert!
IoT Sensoren an den Weinflaschen, bringen Mehrwert! (Quelle: Adobe Stock)

IoT ermöglicht es, den Zustand der Ware in Zukunft in Echtzeit zu überprüfen 

  • Wurde manipuliert (z.B. geöffnete Verpackung, Etikette um geklebt)?
  • Ist die Temperatur korrekt (war die Ware jederzeit im definierten Bereich)?
  • Passende Lichtverhältnisse und / oder Luftfeuchtigkeit?
  • Ist die Ware korrekt gelagert (stehend nicht liegend)?
  • Gab es grosse Erschütterungen?
  • Wo ist der Artikel genau?

Diese Daten in einer Blockchain wären unveränderbar.

Anwendungsbeispiel: 

Unser Kunde gibt uns den Auftrag, eine Palette mit 720 sehr edlen Weinflaschen einzulagern:

  • Jede Weinflasche ist mit einem IoT Sensor ausgestattet der Temperatur, Erschütterungen, Lichtverhältnisse, Position (Kopflage / Seitenlage / Waagerecht) erfasst.
  • Nach einer Woche Lagerung erhalten wir den Zustellungsauftrag und führen diesen aus.

Variante ohne Logistikbranche:

  • Die grossen Plattformunternehmen könnten nur die einzelnen IoT Sensordaten verarbeiten (720 Datensätze in Echtzeit (24/7) nur für diesen Auftrag).
  • Der Kunde muss für sein ERP-System einen Extra Service kaufen, um die Daten verarbeiten zu können.

Stellt euch das Datenvolumen vor, wenn jede Weinflasche 24/7 Daten sendet. 

Variante mit Logistikbranche:

  • Wir könnten die Daten der Weinflaschen z.B mit Telematik-, Auftrags- und Kundendaten aufwerten.
  • Durch die Verknüpfung der Daten ergeben sich Insights, die viel aussagekräftiger sind.
  • Wir könnten in unseren Systemen die Echtzeitüberwachung sicherstellen ohne permanent Daten ins Internet zu senden und nur bei bestimmten Events Meldungen übermitteln (statt 720 Datensätze (24/7) zu senden).

Wir können einen Value Added Services anbieten, der wertvoller und ökonomischer ist.

Unsere bestehenden Datenschätze

Wir sitzen bereits heute auf einem riesigen Datenschatz und nutzen diesen kaum. Der Datenschatz wird sich durch IoT vertausendfachen. Die grossen Plattformunternehmen haben einen grossen Nachteil. Diese müssten IoT Services um unsere Systeme herum bauen, weil ihnen Informationen aus unseren Systemen fehlen und somit keine Value Added Service anbieten könnten.

Nutzen wir die Flexibilität unserer IT

Erfahrungsgemäss sind wir in unseren Logistiksystemen viel flexibler als unsere Kunden in ihren ERP-Systemen. Wir  müssten mehr in BI und IT-Infrastruktur investieren und könnten dadurch IoT Services schneller als unsere Kunden realisieren. Unsere Nähe zu den Kunden, Erfahrung und das daraus resultierende Vertrauen bringt uns definitiv einen weiteren Bonus.

Stop und Reset drücken?

Es stellt sich die Frage, wie wir in der Logistikbranche weiterfahren sollen. Wir haben die Wahl, uns weiterhin nur auf die «papierlose Logistik» zu konzentrieren oder uns für die neuen Technologien wie IoT zu begeistern. Wir brauchen mehr Visionen, Strategien und mutige Entscheidungsträger, welche Wettbewerbsvorteile durch höhere Geschwindigkeit (Economies of Speed) etablieren und datengetriebene Mehrwertlogistik anbieten wollen.

Wenn wir nicht innehalten und die Logistikbranche für sämtliche Digitalisierungsmöglichkeiten begeistern, werden wir in der digitalen Zukunft eine unbedeutendere Rolle spielen als heute!

 

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Christian Clauss

Christian Clauss ist Bereichsleiter IT & Business Analyse bei der TRAVECO Transporte AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS IT Management & Agile Transformation. In seiner Rolle treibt er gemeinsam mit seinen Teams und seinen Kollegen die digitale Transformation zugunsten von internen Anspruchsgruppen und Kunden voran. Er interessiert sich leidenschaftlich für neue Technologien und konnte dieses Hobby zum Beruf machen. Dabei stellt er fest, dass in seiner Branche neue Technologien zu wenig beachtet werden.

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