Digitales Doping für Radsportler*innen – legale Leistungssteigerung tatsächlich möglich!

Wie können sportliche Ziele trotz notorischer Überlastung durch Beruf und Familie erreicht werden? Gibt es Möglichkeiten und Hilfsmittel, die fürs Training zur Verfügung stehende Zeit so effizient wie nur möglich zu gestalten? Und welche Rolle spielt die Digitalisierung in diesem Kontext? Ein Selbstversuch bringt verblüffende Ergebnisse! 

Prolog

Seit 30 Jahren bin ich begeisterter Radsportler. Schon früh versuchte ich mein Training durch die ersten verfügbaren Pulsmesser zu optimieren. Die ermittelten Herzfrequenz-Bereiche wurden zum heiligen Gral. Im Winter trainierte ich auf der „Trainingsrolle“ stundenlang Grundlage. Ja, das war tatsächlich ausserordentlich langweilig und nach heutigem Ermessen auch super ineffizient – quasi Training 1.0.

Training ohne Zeitbudget? Klingt nach benötigtem Doping!

Jahre später hat mich das Bike-Virus erneut gepackt. Jedoch mit einem wohl vielen bekannten Problem: Ich hatte zu wenig Zeit, um nach alten Mustern „vernünftig“ zu trainieren. Eine neue Methode musste her!

Training 4.0 – Experiment mit Smart-Trainer und Leistungsmesser

Dafür habe ich mir einen Smart-Trainer zugelegt. Smart-Trainer sind Geräte, bei welchen das eigene Fahrrad „eingespannt“ werden kann. Die Smart-Trainer simulieren Steigungen, Gefälle oder zum Beispiel auch Kopfsteinpflaster sehr realistisch. Mit dem Internet und einer entsprechenden Trainingssoftware verbunden ergibt sich ein komplettes Trainingssystem. Gleichzeitig mit zig Tausend anderen Fahrer*innen fährt man in virtuellen Welten, auf legendären Tour-de-France-Strecken oder auch an internationalen Wettkämpfen mit.

Kurzerklärung Zwift Plattform, Quelle: https://youtu.be/LBXnYW6yX_Q

Aktive Leistungsmessung und adaptives Training

Sämtliche geleisteten Werte wie Leistung in Watt, Trittfrequenz, Herzfrequenz, Temperatur, Geschwindigkeit, Steigung usw. werden aufgezeichnet und können umfassend ausgewertet werden. Der Smart-Trainer übernimmt die Funktion eines Coaches, damit mit der richtigen Intensität trainiert wird – ohne Gnade. Erstaunlich dabei: Dies verleiht einen unerwarteten Motivationsschub und zeigt sehr schnell erste Ergebnisse!

Die gesammelten Daten von Millionen der angeschlossenen Sportler*innen werden durch Algorithmen und wohl auch KI ausgewertet. Mit dieser Datenbasis wird der eigene Leistungszustand laufend verglichen und angepasst. Also quasi ein „Live-Tracking“ der eigenen Form.

Hardware

Zahlreiche Anbieter der Hardware (Smart-Trainer) gibt es mittlerweile. Die Geräte sind von der Funktion her praktisch vergleichbar. Insbesondere lohnt es sich, darauf zu achten, welches Gerät besonders leise oder beispielsweise gut transportierbar ist.

Software

Bei der Software sieht es etwas anders aus. Das Angebot ist sehr gross und unterscheidet sich funktional teilweise stark. Entscheidend dabei ist, was man erreichen möchte. Die Angebote sind gut beschrieben und bieten kostenlose Testzeiträume an (empfohlen).

Quelle: Screenshot während Training aus www.zwift.com

Szene aus einem virtuellen Rennen, Quelle: Screenshot durch Autor in Software www.zwift.com

Mein Setup

Ich nutze einen Smart-Trainer des Herstellers www.wahoofitness.com. Im Softwarebereich nutze ich mehrere Werkzeuge, welche über APIs (Schnittstellen) miteinander kommunizieren. Als Daten-Sammelbecken, Planungs- und Auswertungstool nutze ich www.trainingpeaks.com. Um den Smart-Trainer zu steuern und in der virtuellen Welt fahren zu können, nutze ich meistens www.zwift.com. Um Leistungsdiagnostik selbst durchzuführen, nutze ich www.sufferfest.com. Und um das Ganze abzurunden, können zum Beispiel bei www.myprocoach.com individuelle Trainingspläne gebucht werden, welche wiederum über APIs via www.trainingpeaks.com und www.zwift.com dem Smart-Trainer tagesgenau die korrekten Trainingseinheiten einspielen. Natürlich lässt sich das geplante Training auch noch gleich mit dem Radcomputer oder dem Wearable synchronisieren.

Selfmade Leistungsdiagnostik mit www.sufferfest.com (Sreenshot des Autors)

DIY Leistungsdiagnostik, Quelle: Screenshot des Autors in Software www.sufferfest.com

Und – was bringt denn der ganze vernetzte Zauber?

Da nun das gesamte Training auf einer Unmenge von Messwerten beruht und laufend durch KI angepasst wird, ist das Training viel präziser, aber auch intensiver! Der Zeitaufwand hingegen sinkt und die Resultate sind dennoch verblüffend. Bei mir bedeutet das in Zahlen, dass sich mein Functional Treshold Power FTP (zentraler Wert in Watt, an welchem sich das Training orientiert) innerhalb von zwei Jahren um knapp 25 Prozent verbessert hat. Das ist eine enorme Leistungssteigerung – eben halt doch digitale Steroide.

Verbaut man auch am normalen Rad einen Leistungsmesser, lässt sich die Auswertung auch draussen fortführen. Diese Daten fliessen nach jedem Training automatisch vom Radcomputer in die Software Trainingpeaks, wo dann wiederum die Auswertung stattfindet.

Fazit

Der enorme Effekt, welcher durch das datengetriebene Training erreicht wird, ist verblüffend. Es ist tatsächlich so, dass man behaupten könnte, die Digitalisierung im Radsport wirke wie Doping. Insbesondere für Breitensportler*innen mit beschränktem Zeitbudget sehr spannend, gesund und legal!

Weiterführende Informationen

Trainingssoftware für Radsport (nicht abschliessend):

Hardware (nicht abschliessend):

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Thomas Fischer

Thomas Fischer, Mountainbike-Pionier und Zweirad-Enthusiast in der Freizeit, arbeitet als Bereichsleiter Digital bei Brunner Medien AG in Kriens/Luzern und bloggt aus dem CAS CDO der Hochschule Luzern

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