Können Phantomschmerzen mit Hilfe von Augmented Reality gelindert werden?

Wissenschaftler an der Chalmers University of Technology entwickelten in den Jahren 2014 bis 2015 eine Behandlung mit Augmented Reality, um Phantomschmerzen zu lindern. Durch diese neue Behandlungsmethode konnten bei 14 Testpersonen mit amputierten Armen die chronischen Schmerzen um rund 50% gemildert werden.

Phantomschmerz bezeichnet den Eindruck von Schmerz in einem nicht mehr vorhandenen Körperteil. Solche Schmerzen treten bei 50 bis 80% der Patienten mit Amputationen auf. Warum diese auftreten, ist bis heute nicht abschliessend geklärt. 2014 bis 2015 entwickelten Dr. Max Ortiz Catalan und sein Team an der Chalmers University of Technology eine neue Behandlungsmethode zur Linderung von Phantomschmerzen. Dabei setzten sie auf die Technik von Augmented Reality (AR) (dt. erweiterte Realität). Bei der AR-Technik wird die reale Welt, computerunterstützt, um digitale Zusatzinformationen erweitert.

Testpersonen der Studie

An der Studie nahmen 14, am Arm amputierte Patienten mit Phantomschmerzen, teil. Bei den Probanden lagen die Amputationen durchschnittlich zehn Jahre zurück. Bisherige Behandlungsmethoden wie Spiegeltherapie, Medikamente oder implantierbare Nervenstimulatoren linderten die Schmerzen nicht. Vier der 14 Probanden benötigten zudem hoch dosierte Schmerzmittel, um die Phantomschmerzen zu ertragen.

Wie funktioniert die Behandlungsmethode mit Augmented Reality?

Die Testpersonen setzen sich vor einen Bildschirm mit Webcam. Am Stumpf wird eine Passermarke befestigt. Die Marke wird von der Kamera erfasst. Dadurch kann die genaue Position des Stumpfes bestimmt werden. Die Passermarke wird am Bildschirm durch einen virtuellen Arm ersetzt. Durch den ergänzten Arm sehen die Probanden am Monitor einen vollständigen Körper. Wenn sich die Muskeln im Stumpf bewegen, werden EMG-Signale aufgezeichnet. Diese Signale werden in Echtzeit durch intelligente Algorithmen in Bewegungen eines virtuellen Arms übersetzt. Dies ermöglicht es den Patienten, durch Muskelaktivitäten den virtuellen Arm zu steuern. Sie lernen den virtuellen Arm zu bewegen und sogar die Hand zu öffnen und zu schliessen. Durch ein solches Verfahren können alten Nerven erhalten und neue wiederhergestellt werden.

Im nachfolgenden Video ist die Behandlungsmethode im Detail beschrieben und visualisiert.

Videolegende: Wie Phantomschmerzen mittels Augmented Reality behandelt werden können

Resultat der Studie

Jeder der 14 Patienten wurde in zwölf Sitzungen behandelt. Die Patienten trainierten zwei Mal pro Woche, sechs Wochen lang. Sie lernten durch Muskelbewegungen den virtuellen Arm bzw. Hand zu bewegen. Bei der jeweils letzten Sitzung hatte sich bei allen Testpersonen die Häufigkeit, die Intensität und die Art des Schmerzes um durchschnittlich 50% verbessert. Zudem konnten zwei der vier Patienten, welche Schmerzmittel einnahmen, die eingenommenen Dosen deutlich senken. Aus der Studie ist ersichtlich, dass die Schmerzen bei jeder Sitzung kontinuierlich abgenommen haben. Das Forschungsteam war zuversichtlich, dass die Schmerzen der Testpersonen durch weitere Sitzungen noch weiter gelindert werden könnten.

Fazit

Es gilt zu beachten, dass in der aufgezeigten Studie mit einer kleinen Patientenzahl getestet wurde. Trotzdem macht es Hoffnung, dass zukünftig vielen Patienten mit Phantomschmerzen durch die AR- Technik zu einem schmerzfreieren Leben verholfen werden kann. Aus der Studie kann entnommen werden, dass bereits eine weitere Studie mit über 30 Patienten mit einer Bein-Amputation geplant war. Zudem ist es durchaus möglich, dass diese Behandlungsmethode auch zur Therapie von anderen Krankheitsbildern, wie beispielsweise einem Schlaganfall oder einer Nervenschädigung, eingesetzt werden könnte.

 

Weiterführende Links zum Thema

Studie https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(16)31598-7/fulltext

Artikel aus der Ärztezeitung https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Training-mit-virtuellem-Arm-stoppt-Phantomschmerz-299536.html

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Nadine Lang

Nadine Lang ist Projektleiterin HR Systeme bei der LEHMANN+PARTNER Informatik AG und bloggt aus dem Unterricht des CAS Digital Bussiness Innovation.

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