Getrieben von der Corona Krise erlebt die Digitalisierung einen neuen Höhepunkt, gleichzeitig wird die Klimawandel-Problematik im Keim erstickt. Wieso werden die Debatten zu diesen Themen nahezu vollkommen getrennt geführt? Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf den Klimawandel oder umgekehrt?
Unsichtbare Energieschlucker
Im Alltag ist die Digitalisierung schon lange angekommen. An den Energiebedarf denken viele aber nur, wenn der Akku leer ist. Automatisierung, Unterhaltung und Online Shopping sind nur einige Beispiele, welche Rechenzentren auf Hochbetrieb laufen lassen. Allein für das globale Streaming wird von einem jährlichen Energieverbrauch von 200 Milliarden kWh Strom ausgegangen. Dies entspricht dem Verbrauch aller Haushalte in Deutschland, Italien und Polen zusammen. Die Problematik besteht darin, dass der Energieverbrauch der Digitalisierung nicht sichtbar ist. Gemäss einer Studie der französischen Denkfabrik The Shift Project werden bis zu 3.2 kg CO₂-Äquivalente für eine Stunde Streaming verursacht.
Schaut man sich alle Folgen der bekannten Serie «Games of Throns» an, entspricht dies dem CO₂ Ausstoss eines Fluges von Zürich nach London.
Natürlich muss man mit solchen Vergleichen vorsichtig sein. Doch zieht man in Betracht, dass die Serie weltweit von mehreren 100 Millionen Zuschauer angeschaut wurde, sollte der Effekt nicht unterschätzt werden. Aber nicht nur die „digitalen CO2-Emissionen“ grenzenlos wachsender Datenmengen stellen ein Problem dar, sondern auch die enorme Zunahme an Endgeräten gilt es zu berücksichtigen. Immer mehr Geräte wie Handys, Wearables und Laptops begleiten uns im Alltag und die kleinen Alleskönner hinterlassen mit ihrer Kurzlebigkeit von der Herstellung bis zur Entsorgung einen grossen ökologischen Fussabdruck. Auch wenn die Datenzentren immer grüner und effizienter werden und Tech Giganten wie beispielsweise Apple und Microsoft bei der Herstellung ihrer Produkte verstärkt auf Nachhaltigkeit setzen, so entspricht die Digitalisierung im Unterhaltung- und Konsumgüter-Bereich definitiv keinem Segen für den Klimawandel.
Wo liegt denn das Potential der Digitalisierung?
Laut wissenschaftlichen Studien liegen die grössten Potentiale der Digitalisierung in Bezug auf die Klimaziele in den Sektoren Energie, Gebäude sowie Mobilität und Transport. Höhere Kapazitätsauslastungen von Fahrzeugen, Optimierung von Routenplanung sowie der Wechsel zu intermodalen Mobilitätsplattformen sind einige Beispiele dafür, wie intelligente Logistik die Tonnenkilometer massiv reduzieren kann. Dank „Smart Meter“ können so genannte „Energy Feedback Systeme“ den Energieverbrauch sichtbar machen und Verhaltensänderung beim Konsumenten hervorbringen. Dies sind nur zwei mögliche Beispiele und die Liste könnte fast endlos erweitert werden.
Vorsicht vor Backfire- Effekten
Digitalisierung steht für Effizienz, Optimierung und Veränderung. Es entstehen neue Services, Produkte werden günstiger und die Gesellschaft pocht nach mehr Freiheit und Selbstverwirklichung. Der gesellschaftliche Stoffwechsel wird durch die Digitalisierung neu angeregt und die Effizienzgewinne werden durch den steigenden Konsum sowie den neuen digitalen Services mehr als nur wettgemacht. Es droht ein Backfire-Effekt.
Verkehrte Welten
Ein interessanter Aspekt ist, dass sich Klimawandel und Digitalisierung in gewissen Bereichen diametral zueinander verhalten. Beispielsweise stecken die grössten CO₂-Verursacher wie Energie, Transport und Mobilität hinsichtlich Digitalisierung noch in Kinderschuhen. Gerade in diesen Bereichen wird jedoch das grösste Potential erwartet. Meiner Meinung nach wird in diesen Sektoren die ganzheitliche Durchdringung der Digitalisierung dringend benötigt, sodass ein ROI hinsichtlich des Klimaschutzes erreicht wird. Ein Zurück gibt es an dieser Stelle sowieso nicht mehr, doch bis zur Erreichung der «Smarten Grünen Welt» muss noch einiges getan werden!
Quellen und weiterführende Links: The Shift Project Bitcom Datencenter Insider WCST