Glaube keiner Statistik…

…die du nicht selbst gefälscht hast! Dieser Satz wird oft und gerne zitiert und meist als Scherz abgetan. Doch wer sich die Medienberichte zur aktuellen Corona-Situation genau anschaut, erkennt schnell, wie einfach es ist, die Leserschaft mit wenigen Zahlen in die Irre zu führen.

Ich beobachte immer wieder, dass die Leute die gelesenen Sätze einfach nachplappern, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob das Wiedergegebene wirklich Sinn macht. Meist ohne böse Absicht werden Erkenntnisse schnell veröffentlicht und von der Leserschaft weitergegeben, ohne dass die Aussagen auf ihren Inhalt geprüft werden.

In diesem Beitrag möchte ich euch einige Tipps mit auf den Weg geben, mit denen Ihr jede Statistik/ Grafik schnell einem „Reality-Check“ unterziehen könnt.

Stichprobe

Beim Lesen von Berichten zu Umfragewerten und Studien sollte zuerst geprüft werden, auf wie vielen Stichproben / Befragungen die Auswertung beruht. Hier ist es wichtig zu verstehen, was der Inhalt der Statistik ist. Wurde z.B. Eine Umfrage in einem Verein von 100 Mitgliedern gemacht und es wurden 80 Antworten erhalten, dann habe ich damit einen recht grossen Umfang der Gesamtstichprobe abgedeckt. Betrifft es eine Umfrage zur aktuellen Situation in der Corona-Krise und die Stichprobe enthält 80 Antworten, dann ist die untersuchte Menge wohl zu klein.

Es lohnt sich, 30 Sekunden zu investieren, um sich diese Fragen zustellen und die Stichprobenmenge zu prüfen. Meist findet sich im Artikel ein Verweis darauf. So kann schnell herausgefunden werden, ob eine Umfrage „seriös“ ist.

Relation

Wichtig ist es auch immer sich zu überlegen, welche Werte zu der %-Zahl im Beitrag geführt haben. Sprich: was ist der Nenner (betrachtete Gesamtmenge) und was ist der Zähler (Stichprobenbeobachtung)? Wenn ich behaupte, dass sich 10% der Schweizer mit Corona infiziert haben, dann muss ich mir zuerst überlegen, was als Nenner gewählt wurde. Zählen nur Personen ab 18 Jahren? Wurden Auslandschweizer mitgezählt? Für den Zähler werden dann wohl die mit einem Test positiv bestätigten Fälle gewertet. Was ist aber mit den nachweislich vorhandenen, aber ungetesteten Verdachtsfällen? Wurden diese komplett ignoriert oder wurde eine vermutete Anzahl eingerechnet? Man sieht, dass sich die Aussage dann sehr schnell verändern kann.

Bevor Prozentzahlen zur Untermalung von Argumenten verwendet werden, sollte das Verhältnis der Zahlen geklärt sein.

Grafik / Visualisierung

Beim ersten Betrachten einer Grafik sollte der Leser sich damit beschäftigten, was auf der y-Achse und was auf der x-Achse abgebildet ist. Zudem sollte stets überprüft werden, wie die Achsen skaliert sind. Je nach Grafik beginnt die y-Achse beispielsweise nicht bei Null, sondern bei einem beliebigem Wert. Das kann dazu führen, dass Schwankungen überproportional dargestellt werden.

Eigene Abbildung: Die Achsen können unregelmässig Skaliert sein. So werden Entwicklungen teilweise überproportional dargestellt.

Immer spannend ist es auch, sich die x-Achse anzuschauen. Oft verrät sie uns etwas über den betrachteten Zeitraum. Wenn wir beispielsweise nur isoliert einen Monat ohne Vergleichswerte abgebildet haben, ist eine Interpretation schwierig. Man muss sich dann ganz auf die im Artikel festgestellten Auswirkungen verlassen. Habe ich hingegen einen anderen Monat oder sogar das Vorjahr als Vergleichswert, kann ich die Kurven schon viel besser einschätzen.

Also immer zuerst die Achsen inspizieren und dann die Schlüsse ziehen!

Weiterführende Links zum Thema

Ans Herz legen möchte ich euch auch die Seite https://www.rwi-essen.de/unstatistik/ welche auf die Tücken der publizierten Statistiken eingeht und detailliert aufführt, wie man die gelesenen Zahlen richtig interpretiert.

Auch der von der Medienwoche veröffentlichte Beitrag ist lesenswert und zeigt detailliert auf, welche Punkte es zu beachten gilt https://medienwoche.ch/2020/05/15/corona-statistiken-auf-dem-pruefstand-was-uns-schweizer-medien-servieren/

Die Autorin übernimmt keine Verantwortung für die Inhalte auf den weiterführenden Links.

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Esther Bodmer

Esther Bodmer leitet ein Datenanalysten Team bei der Allianz Suisse und bloggt aus dem Unterricht des CAS Business Intelligence & Analytics.

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