„Warum Kunden begeistern, wenn diese doch schon zufrieden sind?“

Konsumgewohnheiten haben sich durch die Digitalisierung drastisch verändert. Produkte sind vergleichbar, sofort verfügbar und der Kunde ist schnell mal zufrieden. Doch wo bleibt da die Kundenbegeisterung?

„Die Zufriedenheit unserer Kunden liegt uns sehr am Herzen“ – diese Aussage im Leitbild einer Autogarage prangt in grossen Lettern im unordentlichen Showroom, gleich neben der defekten und schmutzigen Kaffeemaschine. Da ist wohl der Funke der Verfasser des Leitbildes nicht auf die Mitarbeiter übergesprungen – leider kein Einzelfall.

5 Sterne für eine lausige „Customer Experience“?

Plattformen sei Dank: Online-Einkäufe, Hotelübernachtungen und Besuche von Freizeitpärken, ja sogar die Erfahrungen nach Bewerbungsgesprächen in Unternehmen werden minutiös mit Sternen und Noten im Web 2.0 bewertet und von anderen interessierten Personen für eine Entscheidungsfindung herangezogen. Da wäre doch der Schritt, die wertvollen Touch-Points entlang der gesamten „Customer Journey“ in eine Kundenbegeisterung, inklusive einem unvergesslichen „WOW-Effekt“ umzuwandeln, gar nicht so fern.
Schon Noriaki Kano hielt in seinem „Kano-Modell“ 1978 fest, dass die „Begeisterungs-Merkmale“, diejenigen also, mit denen der Kunden nicht unbedingt rechnet, im Idealfall zu einem überproportionalen Nutzen, zu einer langfristigen Kundenbeziehung und zu einer klaren Differenzierung gegenüber der Konkurrenz führen.

Beispiel „Autoservice in der Garage“. Quelle: Anlehnung an Kano (1978) vereinfacht dargestellt mit eigenen Ergänzungen

Wir stellen fest: Eine Kundenzufriedenheit entsteht beim Erfüllen der Basiserwartung und stellt lediglich die „Belanglosigkeit des Mittelmasses“ dar. Richtige (Kunden-) Begeisterung entsteht, wenn die Basiserwartung unerwartet übertroffen wird. Da werden Kunden zu wahren Fans.

Kundenbegeisterung gelingt durch (menschliche) Serviceleistung

Ehrliche Kundenbegeisterung erfolgt über unerwartete und auf die Kundensituation angepasste Serviceleistungen und die erbringt (zumindest in der aktuellen Zeit noch) der Mensch: Der Verkäufer. Der Mechaniker. Der Lernende. Der Chef. Der Hauswart. Die Empfangsdame. Der Techniker. Die Putzfrau.
Alle Mitarbeiter des Unternehmens.

Damit diese „Service Excellence“ in die DNA eines jeden Mitarbeiters gelangt, sind elementare Rahmenbedingungen vorausgesetzt. Einerseits muss die „totale Begeisterung“ als klare Vision und Kultur von der Geschäftsleistung vorgegeben und noch mehr, vorgelebt werden. Anderseits muss den Mitarbeitern die nötige „Freiheit“ gegeben werden, situative Entscheidungen sofort und ohne Rückfragen fällen zu können. Das setzt aber komplett neue Führunsstile und ein agiles Vorgesetztenverhalten voraus.

Entscheidungsfreiheit: Spielräume öffnen statt Erbsen zählen

Wie wäre es mit der Einführung eines frei zur Verfügung stehenden Betrages pro „Ereignis“, um den Mitarbeitern zu ermöglichen, spontan (ohne Rückfrage) und unkompliziert eine Entscheidung zu treffen, den Kunden zu begeistern? Oder einen „Ideen-Pool“ zu erschaffen, wo alle bisherigen „Begeisterungs-Massnahmen“ gesammelt werden, um so für weitere Kollegen Inputs zu liefern?
Regelmässiger Ausstausch und das gezielte Sammeln und Weitergeben von Kundenfeedbacks runden die Erfahrungen positiv ab und verhindern, dass die „Service Excellence“ als Papiertiger in der Schublade landet.

Beispiel zum Sammeln von positiven Kundenfeedbacks in Form einer „WOW-Wand“
Quelle: achermann ict-services ag, 6010 Kriens, https://www.achermann.swiss/

Bevor der Eindruck entsteht, dass Kunden zu begeistern nur über rein monetäre Massnahmen gelingen, seien hier einige Beispiele aufgeführt, die aufzeigen, dass auch mit Kleinigkeiten, Grosses bewirkt werden kann:

  • Bei Wartezeiten an einer Kasse verteilt eine Mitarbeiterin den Kunden kleine Süssigkeiten
  • Nach einem IT-Technikereinsatz, putzt dieser noch kurz die Kabelkanäle und bindet die Kabel hinter den neuen PCs und Monitoren ordentlich zusammen
  • Der Kellner bringt dem Gast, der auf einer Mountain-Bike Tour eine Pause einlegt, eine „MTB Illustrierte“ zum lesen
  • In einer Autowaschanlage werden Mikrofaser-Tücher an die Kunden abgeben, um die heiklen Stellen nach der Wäsche besser abtrocknen zu können

Auch wenn im ersten Moment undenkbar: Auch eine Kundenreklamation ist mitunter eine grandiose Gelegenheit, den Kunden nun richtig zu begeistern – vorausgesetzt diese wird sofort und mit hoher Professionalität behandelt.

Service Excellence ist kein Projekt – Service Excellence ist eine Haltung

Gelingt „Service Excellence“ auch im digitalen Zeitalter?

Dass im Zeitalter der Digitalisierung mit aufkommenden Chatbots und Service-Robotern der Faktor Mensch mit all seiner Empathie und seinen Emotionen gelegentlich auf der Strecke bleibt, hört man immer öfters. Umso wichtiger ist es daher, das Thema Kundenbegeisterung als Mehrwert im Unternehmen strategisch zu positionieren und mit gezielten Weiterbildungen laufend und nachhaltig zu fördern. Jetzt!

Serviceheld der Zukunft: Digital oder persönlich? Warum ODER?!

Sabine Hübner – Service Performance Beraterin & Rednerin interviewt Bewerber Sam als Angestellten in einem Hotel

Zitate stammen von Sabine Hübner & Carten K. Rath, „Das beste Anderssein ist Bessersein“ (2016)

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ROLF BORKOWETZ

Rolf Borkowetz ist Leiter Verkauf & Marketing bei achermann ict-services ag und generiert mit ict-services WOW-Effekte bei seinen Kunden. Er bloggt aus dem Unterricht des CAS Chief Digital Officer 2019/2020 (also natürlich nicht während des Unterrichts)

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