Agilität und deren soziologischen Auswirkungen

Agile Transformation bringt viel Gutes mit sich – bessere Qualität, schnellere Ergebnisse, kostengünstigere Umsetzungen und allgemein höhere Zufriedenheit. Was aber benötigt es, um dahin zu kommen? Was passiert mit den Menschen, die diese Transformation mitmachen? Sind Alle geeignet, agil zu arbeiten oder bleibt da der klischeebehaftete, eigenbrötlerische, kontaktscheue, aber brillante Nerd-Programmierer auf der Strecke?

Jetzt werden wir agil!

Die agile Transformation – das Steckenpferd aller CIOs und CTOs dieser Welt. Schneller, besser, günstiger soll alles werden und als Tüpfelchen auf dem i macht das Ganze auch noch viel mehr Spass als das langweilige, langwierige, fehleranfällige, in die Jahre gekommene klassische Entwicklungsmodell. Vieles davon mag stimmen und man sollte Veränderungen grundsätzlich immer versuchen, etwas Positives abzugewinnen. In der Regel kommt der Auftrag der Transformation von oben aus den bekannten Gründen.

Mittlerweile ist bekannt, dass agile Transformation auch eine Veränderung der Unternehmensstruktur, eine Ebnung der Hierarchie und ein Zurückgeben der Selbstverantwortung an die Mitarbeiter voraussetzt. Dies bietet Chancen für viele Mitarbeiter, welche so neue Motivation finden können, sich für das Vorhaben einzusetzen.

Softskills vorausgesetzt

Die Bereitschaft, etwas verändern zu wollen, ist eine wichtige Voraussetzung, um agil zu werden. Jedoch benötigt es noch einen ganzen Strauss weiterer Fähigkeiten, um aktiv mitwirken zu können. Plötzlich muss man sich beim Daily im Team miteinander über den Stand der Arbeit austauschen, im Pair Programming sich vom Arbeitskollegen seinen schlechten Programmierstil korrigieren lassen und beim Retro reflektieren, was die letzten zwei Wochen alles gut und schlecht lief und dazu noch Massnahmen zur Verbesserungen mitnehmen. Für jemanden, der sich sein eigenes Gärtchen gewohnt war, in dem immer alles schön nach den sich zurechtgelegten Gewohnheiten funktioniert hat, eine ganz schöne Herausforderung.

Ein SCRUM-Team hat mehrere Rollen. Im Groben kann man diese auf Product-Owner, Scrum-Master und einem Team aus Entwicklern aufteilen. Dabei benötigt jede Rolle verschiedene Ausprägungen an Softskills. Anhand des 6-Faktoren-Anforderungsmoduls des Bochumer Inventars zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP-6F-AM) lassen sich die Anforderungen der verschiedenen Rollen an die Softskills ermitteln und vergleichen. Die Universität Bochum hat zu diesem Thema ein sehr interessantes Paper veröffentlicht. Folgende Auswertung geht daraus hervor.

Vergleich der überfachlichen Anforderungen an die drei Scrum-Rollen anhand der sechs Globalfaktoren des BIP-6F-AM (Quelle: Universität Bochum)

 

Was aus der Analyse hervorgeht, ist das hohe Mass an Kooperation, die verlangt wird, um in einem agilen Team mitarbeiten zu können. Was aber, wenn gewisse Mitarbeiter zwar technisch hervorragende Entwickler sind, aufgrund ihrer Softskills aber scheinbar so gar nicht in das Modell SCRUM passen? Eine umfangreiche Internet-Recherche hat keine schlüssigen Resultate geliefert. Dies lässt die Frage nach dem richtigen Umgang mit von der Norm abweichenden Menschen nach wie vor offen. Die Industrie und Wissenschaft scheinen vorläufig auch kein Interesse an der Behandlung dieses organisationssoziologischen Problems vorzuweisen.

Fazit

Nach der Entscheidung des Managements, eine agile Transformation durchzumachen, sind zuerst mal die Mitarbeiter gefragt. Nicht alle Mitarbeiter sind für alle Rollen geeignet, wie eine Analyse anhand dem BIP-6F Modell der Uni Bochum zeigt. Dabei gibt es auch Mitarbeiter, welche komplett aus dem Modell fallen und scheinbar wertlos für die agile Arbeitsweise sind. Weder Industrie noch Wissenschaft kümmert sich um diese Menschen, da sie scheinbar einfach austauschbar sind. Sie sind zwar möglicherweise nicht mit den richtigen Softskills ausgestattet, um den rasanten Veränderungen in der Transformation mitzuhalten, bringen aber oftmals einen ungeahnten Fundus an Erfahrungen mit sich, die sich für das Weiterkommen der Unternehmung als unentbehrlich herausstellen können.
Mein Lösungsansatz wäre, anhand Schulungen zu versuchen, diese Menschen ein Stück weit in Richtung agiles Mindset zu weiter zu entwickeln. Sollte dies keine Wirkung erzielen, lässt sich auch ein alternatives Zusammenarbeitsmodell finden, wie z.B. dem Anbinden an ein SCRUM-Team als externe Ressource oder dem Übertragen von in sich gekapselten Aufgaben. Nicht immer muss man 100% einem Vorgehensmodell folgen, um erfolgreich zu sein.

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