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Hände arbeitender Personen über Skizzen und Post-iT Zetteln

Aktivierende Methoden II

Wissensaneignung und Wissensvertiefung

Mit diesem Beitrag führen wir die Blogserie «Aktivierende Methoden» in der Online-Lehre weiter. Der erste Beitrag befasste sich mit dem Kennenlernen und der Aktivierung von Vorwissen in der Einstiegsphase einer Lehrveranstaltung. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Wissensaneignung und Wissensvertiefung. In Kürze folgt ein dritter Beitrag zum Thema Abschluss einer Lehrveranstaltung.

 

Wissensaneignung

Die Aneignung von Wissen kann durch einen Vortrag, eine Lektüre, ein Lernvideo, einen Podcast etc. erfolgen. Dabei kann eigenes oder fremdes Material eingesetzt werden. Studierende können auch in dieser didaktischen Lernphase gezielt aktiviert werden, in dem sie z.B. Wissen individuell oder in einer Kleingruppe für die gesamte Studiengruppe zusammentragen und präsentieren .

In dieser Lernphase bietet sich grundsätzlich ein asynchrones Vorgehen an. So kann jede*r Studierende sich die Wissensinhalte im eigenen Tempo mit den persönlich notwendigen Wiederholungsschlaufen aneignen. Findet die Wissensaneignung synchron in einem Online-Webinar statt, sollte man bedenken, dass die Aufmerksamkeitsspanne geringer und gleichzeitig die Ablenkungsgefahr grösser ist als im Hörsaal.

Folgende Fragen zu der didaktischen Absicht stellen sich hier:

  • Muss die Wissensvermittlung in Präsenz stattfinden oder kann sie im Vorfeld asynchronen erfolgen? Was ist der jeweilige Mehrwert?
  • Handelt es sich um eine «klassische» Wissensvermittlung von Lehrperson zu Studierenden oder erfolgt die Wissensaneignung durch die Studierende (alleine oder in der Gruppe)?
  • Wie wird die Selbstlernkontrolle gewährleistet bzw. der Lernstand überprüft?
  • Wie wird die Selbstlernphase mit der Präsenzphase verbunden?
  • Gibt es bereits fremdes Material, das eingesetzt werden kann?
  • Welches Format bietet sich an beim Erstellen von eigenem Lernmaterial an? Eher ein audiovisuelles Format wie Lernvideos, um dynamische Prozesse visuell aufzuzeigen und gleichzeitig zu erklären? Oder reicht ein textueller Inhalt aus? Oder ist ein Audioformat besser geeignet?

Wissenserarbeitung und Wissensvertiefung
Lernen ist aktive Wissenskonstruktion. Wissen kann nicht vermittelt, sondern kann nur individuell selbst konstruiert werden. Lernen erfolgt durch Anknüpfung an bestehende kognitive Strukturen. Um die Verknüpfungen zu festigen und nachhaltiges Lernen zu ermöglichen, ist die Aktivierung kognitiver Prozesse erforderlich. Das ICAP Framework (Chi & Wylie) zeigt auf, inwieweit kognitive Prozesse mit verschiedenen Arten von Lernaktivitäten zusammenhängen. So wird angenommen, dass Lernen umso effektiver und nachhaltiger ist, je tiefer die Lernenden kognitiv involviert sind und je stärker sie sich engagieren. Chi unterscheidet hier zwischen vier Arten von Lernaktivitäten:

  1. Passiv: Vortrag zuhören, Text lesen, Video anschauen
  2. Aktiv: Notizen machen, unterstreichen, Faktencheck durch Fragen, Kontrollfragen
  3. Konstruktiv: eigenen intellektuellen Beitrag leisten, der über die Informationen im Material hinausgehen. Wissen wird neu eingeordnet oder erarbeitet.
  4. Interaktiv: Co-Konstruktion und Kollaboration zwischen mindestens zwei Personen.

Auch wenn alle Stufen im Lernprozess wichtig sind, hat sich gezeigt, dass konstruktive und interaktive Lernaktivitäten wesentlich zur Problemlösefähigkeit und Kompetenzentwicklung beitragen. Eine sinnvolle Abwechslung zwischen unterschiedlichen Lernaktivitäten ist daher zu empfehlen.

Zu aktiven Lernaktivitäten zählen u.a. Quizzes während einer Online-Lehrveranstaltung oder dem Selbststudium. Mit ARS (Audience Response Systeme), sogenannten «Klickersystemen», kann man in einer Online-Lehrveranstaltung auf einfache Weise offene oder geschlossene Fragen stellen. Fragen, die Schwierigkeiten bereiten, können dann nochmals aufgegriffen oder in Kleingruppen diskutiert werden. ARS haben laut Studien einen positiven Einfluss auf die Teilnahme und das Engagement der Studierenden, wenn diese anonym sind und keine Benotung erfolgt, und sie führen kurzfristig zu besseren Lernleistungen. Darüber hinaus wird das fachbezogene Selbstvertrauen der Studierende gesteigert, und die Dozierende*n erhalten einen Eindruck vom Lernstand der Studierenden. Als Tool bietet sich hier das LiveVoting auf ILIAS oder die Umfrage in Zoom an. Im Selbststudium kann als Ergänzung und Kontrolle zum Lernstoff der ILIAS Test oder das interaktive Video eingesetzt werden. Auf die Inhalte, die der Mehrheit Schwierigkeiten bereitet haben, kann dann in der Online-Lehrveranstaltung oder in einem Forumsbeitrag von der Lehrperson eingegangen werden .

Durch das Abholen von Fragen und sammeln von Themen können für Dozierende Lernstände und Lerndefizite sichtbar werden. Die Anzahl der Fragen ist im digitalen Raum oft höher als in Präsenz, wenn diese anonym gestellt werden können. Asynchron können diese im ILIAS Etherpad, auf Switchdrive, in einem Onenote oder mit einer anderen Online Kollaborationsplattform wie z.B. miro gesammelt werden. Plattformen wie flinga.fi, frag.jetzt oder slido bieten sich insbesondere auch für einen synchronen Einsatz an. Je nach verwendeter Plattform lassen sich Fragen oder Themengebiete liken und so auch priorisieren.

Konstruktive Lernaktivitäten entstehen durch zahlreiche Aufgaben in der asynchronen Lernphase, indem z.B. ein Beitrag mündlich, schriftlich oder visuell verfasst wird. Dafür eignet sich die ILIAS Übung, das Forum auf ILIAS, ein Blog oder auch der Social Learning Ordner (für auditive und visuelle Inhalte). Die Beiträge können dann von den Kolleg*innen kommentiert, analysiert oder weiterentwickelt werden. Das Objekt «Interaktive Video» ermöglicht durch das Anfügen von Kommentaren die Analyse von Fallbeispielen. Als weitere Aktivitäten zählen Fiorella und Mayer für diese Art von Lernaktivitäten das Kartographieren, Zeichnen oder Schematisieren mit einer Mindmap, die Selbsteinschätzung des Gelernten z.B. mit einem Lerntagebuch oder die Erklärung an Peers (Kolleg*innen das Gelernte in eigenen Worten erklären und erläutern) auf, was sowohl synchron in Kleingruppen als auch asynchron eingesetzt werden kann.

Die Stufe der interaktiven Lernaktivitäten gehört zur «Komplexesten», führt aber bei gelungener Umsetzung und guter Anleitung sehr zum wertvollen Kompetenzerwerb und fördert die Problemlösefähigkeiten. Damit sich diese angestrebten positiven Effekte tatsächlich einstellen, muss überlegt werden, ob und inwieweit Studierende eine Anleitung und Strukturierung des Kollaborationsprozesses benötigen und inwiefern sie darin unterstützt werden müssen. Neben Gruppenarbeiten wie Wikis, Erarbeiten eines Glossars oder gemeinsame Projektarbeit, kann auch das Einbringen konstruktiver Überlegungen in einen Peer-Diskurs bzw. Peer-Feedback dazu beitragen, dass Positionen und Argumente der Anderen in die eigene Sichtweise integriert werden. Weitere konstruktive Lernaktivitäten sind Rollenspiele, Expertengruppe, Pro-Kontra-Argumentation usw. Hier kann man sich an eingesetzten Methoden des Präsenzunterrichts orientieren und diese für einen Einsatz bei Online-Lehrveranstaltungen entsprechend variieren und anpassen.

 

Literatur

 

Weiterführende Links

 

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